Bödigheim

Rosa Marx, geboren 1899 in Bödigheim und verheiratet mit Max Neumann, führte bis 1938 zusammen mit ihrem Mann den elterlichen Gemischtwarenladen in Bödigheim. Die Eheleute kamen über Gurs nach Auschwitz und wurden dort ermordet. Der Sohn Ludwig überlebte. [Quelle: Bezirksmuseum Buchen, Bildarchiv Karl Weiß]
Rosa Marx, geboren 1899 in Bödigheim und verheiratet mit Max Neumann, führte bis 1938 zusammen mit ihrem Mann den elterlichen Gemischtwarenladen in Bödigheim. Die Eheleute kamen über Gurs nach Auschwitz und wurden dort ermordet. Der Sohn Ludwig überlebte. [Quelle: Bezirksmuseum Buchen, Bildarchiv Karl Weiß]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Bis zum Anfall an Baden 1806 befand sich das zum Ritterkanton Odenwald gehörende Bödigheim im Besitz der Familie Rüdt von Collenberg-Bödigheim.

Kaiser Ludwig der Bayer erlaubte 1345 „dem vesten Mannen Eberhardt dem Rüden, Poppen, seinem Bruder, und iren Erben", dass sie in Bödigheim „vier gesessene Juden haben sollen". Seither scheinen ununterbrochen Juden dort gewohnt zu haben. Besonders zahlreich waren sie im 16. und 17. Jahrhundert. Die von den würzburgischen Bischöfen vertriebenen Juden fanden bei den Rittern bereitwillig Aufnahme.

Nach einem erhaltenen Schutzbrief für den Juden Löw von 1703 hatten die Schutzjuden jährlich 6 Taler Schutzgeld zu zahlen. Dafür durften sie jedes Gewerbe und jeden ehrlichen Handel in den Dörfern der Herrschaft treiben. Der Vogt war gehalten, den Juden in allen „rechtmäßigen Schulden und anderen Sachen" an die Hand zu gehen und sie vor ungerechter Gewalt zu schützen. Die Juden sollten, wenn ihnen etwas des Diebstahls Verdächtiges zum Kauf angeboten werde, bei der Obrigkeit Anzeige erstatten. Außer dem Schutzgeld hatten die Juden persönliche Frohndienste zu leisten, und zwar mussten sie bei der Kornernte abladen, bei der Obsternte die Birnen auflesen und unentgeltlich Botengänge in die Nachbarorte verrichten. Diese Dienste wurden später in eine jährlich von der Judengemeinde zu zahlende Summe von 22 Gulden umgewandelt.

Seit alter Zeit bestand nahe beim Dorf an der Straße nach Waldhausen ein Judenbegräbnisplatz, auf dem nach ihm benannten Gewann „Judenacker". Nach dem Wertheimer und dem Külsheimer Judenfriedhof zählt er zu den ältesten in Nordbaden. 1638 wurden durch Wolf Albrecht Rüdt die Bedingungen für die Benützung des Begräbnisplatzes neu festgesetzt. Danach hatte die Judengemeinde außer dem Grundzins - der 1796 bis 1865 jährlich 11 Gulden 59 ½ Kreuzer betrug und dann mit 200 Gulden abgelöst wurde - einmalig 20 Gulden sowie jährlich 2 Goldgulden zu zahlen. Für jedes Begräbnis waren 2, bei Kindern unter 10 Jahren 1 Gulden zu entrichten. Für auswärtige Juden, die die jährliche Abgabe nicht mitbezahlt hatten, wurden 6, bei Kindern 3 Gulden verlangt. Bei sehr armen Leuten konnte auch hier die Taxe auf 2 und 1 Gulden ermäßigt werden. 1674 wurde der Friedhof durch Kauf eines anstoßenden Feldes erweitert. Weitere Vergrößerungen erfolgten in den Jahren 1709, 1762, 1796, 1888 und 1907.

Einst begrub man hier die Toten aus 30 Orten, u. a. aus Adelsheim, Ballenberg, Boxberg, Eubigheim, Hüngheim, Korb, Merchingen, Rosenberg und Sennfeld. Aus vielen dieser Orte waren bis Anfang des 20. Jahrhunderts die israelitischen Familien abgewandert, in anderen waren eigene jüdische Friedhöfe angelegt worden. 1932 belegten daher nur noch folgende 10 Gemeinden den Bezirksfriedhof: Angeltürn, Bödigheim, Buchen, Eberstadt, Groß- und Kleineicholzheim, Hainstadt, Sindolsheim, die Hälfte von Strümpfelbrunn und Walldürn. Die Angaben über die Zahl der Beisetzungen schwankt zwischen 2.000 und 4.000. Das älteste der fast 2.000 erhaltenen Denkmale stammt aus dem Jahre 1752. Es erinnert an den aus Mainz gebürtigen Bödigheimer Rabbiner Salomon Wolf. Inmitten des Friedhofs befindet sich ein Ehrenmal für die 23 im Ersten Weltkrieg gefallenen Juden der Umgebung; auf ihm sind auch die Namen von Ferdinand Haas und Edmund Salm aus Bödigheim eingemeißelt.

Schon in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts war Bödigheim Sitz eines ritterschaftlichen Unterrabbiners, der dem würzburgischen Oberrabbinat Heidingsfeld untergeordnet war. Der letzte von ihnen, Gedalia Metz, der seinen Stammbaum auf den zur Zeit Rudolfs von Habsburg lebenden Großrabbiner der deutschen Juden, Rabbi Meir aus Rothenburg ob der Tauber, zurückführte, starb 1850 und wurde auf dem dortigen Friedhof begraben. 1827 wurde die Gemeinde dem Rabbinatsbezirk Merchingen zugeteilt. Es ist anzunehmen, dass die jüdische Gemeinde im 18. Jahrhundert nicht nur einen eigenen Rabbiner, sondern auch eine eigene Synagoge besaß. Die neue Synagoge in der Judengasse wurde 1818 von Werkmeister Huber erbaut. Neben ihr befand sich ursprünglich ein Badhaus mit Brunnen.

Aus Bödigheim stammte der 1913 in Frankfurt am Main verstorbene Kaufmann Leopold Lindheimer, der der Isr. Religionsgemeinschaft in Baden 26.000 Mark zur Errichtung einer vorn Oberrat gesondert zu verwaltenden „Leopold- und Clementine-Lindheimer-Stiftung" vermachte. Die Erträgnisse dieser Stiftung wurden zur einen Hälfte für wohltätige Zwecke sowie zugunsten der israelitischen Gemeinde Bödigheim und ihres Friedhofs und zur anderen Hälfte als Aussteuergaben für bedürftige israelitische Bräute verwendet.

Wie viele Mitglieder die israelitische Gemeinde im 17. und 18. Jahrhundert zählte, ist nicht bekannt. 1825 lebten in Bödigheim 91, 1875 89, 1900 66, 1925 32 und 1933 nur noch 16 Juden.

1933 betrieb Max Neumann ein jüdisches Gemischtwarengeschäft, Ferdinand Haas eine Fell- und Lederhandlung; Julius Bravmann, seit 1935 Verwalter des Verbandsfriedhofes, war Viehhändler. Salomon Salm, der letzte Gemeindevorsteher von Bödigheim, handelte mit Getreide, Mehl und Stoffen. Nach 1938 fanden die noch anwesenden Juden Arbeit als Holzfäller und beim Wegebau. Zu übergriffen und Gewalttaten gegen Juden kam es vor 1938 nicht, da der größere Teil als ehemalige Mitglieder des Gesang-, Fußball- oder Militärvereins in freundschaftlichem Verhältnis zur christlichen Bevölkerung stand.

Am 10. November 1938 schlug ein Gendarm aus Waldhausen in der Synagoge die Fenster und Betpulte zusammen. Die Thorarollen waren zu dieser Zeit bereits dem Oberrat übergeben worden, da die Gemeinde in Auflösung begriffen war.

3 Juden zogen nach 1933 in eine andere Wohngemeinde, 7 wanderten nach England und den USA aus; die letzten 6 Juden wurden am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert. Dort starb nach wenigen Wochen 1940 Ferdinand Haas. Ludwig Neumann, damals erst sechs Jahre alt, wurde aus dem Lager befreit und lebt heute in den USA. Seine Eltern Max und Rosa Neumann, sowie Edwin und Stefanie Haas mussten im August 1942 den Todesweg nach Auschwitz antreten.

Die Bödigheimer Synagoge ist heute zu einem Wohnhaus umgebaut. Außer dem eindrucksvollen Friedhof erinnern noch die beiden Straßen „Judenbuckel" und „Judengasse" an die ehemalige Judengemeinde.

 

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Bader, Emil, Bödigheim im Odenwald, in: Mein Heimatland 19, S. 208f.
  • Wertheimer, Willi, Judenfriedhof im Odenwald, in: Odenwald-Klub 18, 1932, Nr. 9 und 10.

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Bödigheim, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Germania Judaica, Bd. 2, 1. Halbband, hg. von Zvi Avneri, Tübingen 1968, S. 90-91.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Landauer, Rudolf/Lochmann, Reinhart, Spuren jüdischen Lebens im Neckar-Odenwald-Kreis, hg. von Landratsamt NOK, Buchen 2008.
  • Schimpf, Karl, Bödigheim, in: 700 Jahre Buchen (1980), S. 343ff.
  • Walter, M., Die Volkskunst im badischen Frankenland, in: Heimatblätter, Vom Bodensee zum Main 33 (1926), S. 85.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 259-261.
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