Waibstadt

Das Mausoleum für den Geschäftsmann Hermann Weil aus Steinsfurt (1868-1927). Da nach jüdischen Riten Feuerbestattungen nicht vorgesehen sind, wurde die Grabstätte neben dem jüdischen Friedhof in Waibstadt errichtet. Die hier beigesetzten Urnen für ihn, seine Ehefrau und eine enge Freundin und Pflegerin wurden während der Pogrome im November 1938 entwendet, die Anlage schwer beschädigt. Das Mausoleum ist mittlerweile restauriert. [Quelle: Wikipedia CC BY-SA 3.0, Foto: Peter Schmelzle]
Das Mausoleum für den Geschäftsmann Hermann Weil aus Steinsfurt (1868-1927). Da nach jüdischen Riten Feuerbestattungen nicht vorgesehen sind, wurde die Grabstätte neben dem jüdischen Friedhof in Waibstadt errichtet. Die hier beigesetzten Urnen für ihn, seine Ehefrau und eine enge Freundin und Pflegerin wurden während der Pogrome im November 1938 entwendet, die Anlage schwer beschädigt. Das Mausoleum ist mittlerweile restauriert. [Quelle: Wikipedia CC BY-SA 3.0, Foto: Peter Schmelzle]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Schon vor 1339 war die ehemalige Reichsstadt Waibstadt im Pfandbesitz der Bischöfe von Speyer. Mit einer kurzen Unterbrechung von 1610-15 konnten die Bischöfe ihr Pfand behalten. 1803 fiel die Stadt an Baden, ohne dass sie die erstrebte Reichsunmittelbarkeit wiedererlangt hatte.

1337 verglich sich Bischof Gerhard von Speyer mit den Juden seines Landes über ihre finanziellen Leistungen. Die im Zusammenhang damit genannte Waibstadter Judengemeinde fiel den Verfolgungen der Pestzeit 1348/49 zum Opfer. Erst im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges ließen sich wieder einzelne Juden in Waibstadt nieder. 1648 baten die drei ortsansässigen Judenfamilien um die Erlaubnis zur Errichtung einer Synagoge und einer Religionsschule. Gegen den Willen des Stadtpfarrers genehmigte die Regierung das Vorhaben. Weil nun auch Juden aus benachbarten Orten am Gottesdienst teilnahmen, um die nach jüdischen Vorschriften nötige Zehnzahl von Betern zusammenzubringen, beschränkte die Regierung 1656 ihre erteilte Genehmigung auf die einheimischen Juden. Das forderte den Widerspruch der Waibstadter Juden heraus. Als dazu noch die Adeligen des Ortes unter Hinweis auf die jüdischen Gottesdienste lutherische Gottesdienste zu feiern begannen, wurde 1663 die Gottesdienstgenehmigung für die Juden endgültig widerrufen und der Jude Schmuhl wegen frecher Rede zu drei Tagen Turm verurteilt. 1671 wurden die Juden aus der Stadt verbannt.

Zwischen 1648 und 1690 wurde auf Waibstadter Gemarkung inmitten des Mühlbergwaldes der größte jüdische Friedhof Badens angelegt. Nach mehrfachen Vergrößerungen umfasste er eine Fläche von 2,33 Hektar. Auf ihm wurden vor allem die pfälzischen und reichsritterschaftlichen Juden der Umgebung beigesetzt. Dem Friedhofsverband gehörten die israelitischen Gemeinden Bonfeld, Dühren, Ehrstädt, Grombach, Hilsbach, Hoffenheim, Hüffenhardt, Neckarbischofsheim, Neidenstein, Obergimpern, Rohrbach, Schluchtern, Sinsheim, Steinsfurt, Untergimpern, Waibstadt, Weiler, Wollenberg und ein Teil der Gemeinde Berwangen an. Der Verband schrumpfte bis 1913 durch das Aussterben vieler Gemeinden auf zehn Mitgliedsgemeinden zusammen. Juden, die nicht den Verbandsgemeinden angehörten, konnten sich für eine Aufnahmetaxe von 5 bis 50 Gulden die Mitgliedschaft erkaufen. Der älteste erhaltene Grabstein stammt von 1690. Im alten Teil des Friedhofs befanden sich 1309 Gräber; im neuen Teil, der seit 1887 belegt wurde, bestattete man bis zum letzten Begräbnis 1939 etwa 350 Verstorbene.

Unmittelbar an die Westseite des Friedhofs angrenzend errichtete 1924 die Frankfurter Familie Weil ein eindrucksvolles Mausoleum.

Die Vertreibung der Waibstadter Juden von 1671 war nicht von Dauer. Um 1700 zogen bereits wieder zwei jüdische Familien in die Stadt, bis 1740 eine weitere. 1825 zählte die jüdische Gemeinde 42 Seelen, 1834 44, 1875 42, 1884 67. Seitdem ging die Zahl ständig zurück. 1900 zählte man noch 47, 1925 25 und 1933 nur noch 8 jüdische Einwohner. Die jüdische Gemeinde war 1827 dem Rabbinatsbezirk Sinsheim zugewiesen worden. Wegen der geringen Seelenzahl wurde sie am 8. November 1937 auf Beschluss des Badischen Staatsministeriums aufgelöst. Die Synagoge der Gemeinde in der Burgstraße wurde 1938 an einen Privatmann verkauft.

Die Waibstadter Juden lebten hauptsächlich vom Handel. 1711 wird der erste jüdische Kramladen genannt. Um 1933 befand sich der gesamte Viehhandel in jüdischer Hand. Im öffentlichen Leben spielten die Juden nur eine bescheidene Rolle. Zwischen 1918 und 1928 war der jüdische Arzt Dr. Zürndorfer der einzige Arzt im Ort. Er war bei seinen Patienten sehr beliebt.

Wegen der geringen Anzahl von Juden in Waibstadt kam es in der Kristallnacht nicht zu größeren Ausschreitungen. Allerdings wurden einzelne Grabsteine des Friedhofs durch Angehörige eines Landschulheimes umgeworfen und auch der Innenraum des Mausoleums Weil schwer beschädigt.

Von den 13 Juden, die zwischen 1933 und 1939 in Waibstadt polizeilich gemeldet waren, starben 3 in Deutschland, 4 wanderten nach Argentinien, 1 nach Holland aus. Die übrigen 5 wurden am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert. 2 von ihnen konnten von dort nach Argentinien gelangen, 1 Jüdin starb im Lager am Fuß der Pyrenäen, die anderen beiden kamen wahrscheinlich in Auschwitz um.

Noch steht in Waibstadt die ehemalige, sehr baufällige Synagoge, die als Schuppen und Lagerraum benutzt wurde. Die verwitterten Grabsteine auf dem Friedhof im Wald künden von den Tagen, als es noch blühende jüdische Gemeinden in den umliegenden Orten gab.

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Kimmelmann, Alexander, Waibstadt. Geschichte einer verpfändeten, ehemals freien Reichsstadt, 1936.

Ergänzung 2023

1977 wurde die ehemalige Synagoge von Waibstadt abgerissen.

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Waibstadt, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Ebert, H.-P., Weil-Denkmal in Waibstadt, in: Schwarzbachtal-Bote 4 (März 1982).
  • Gräberverzeichnis Israelitischer Verbandsfriedhof Waibstadt, hg. vom Israelitischen Verbands-Friedhof Waibstadt, Rappenau 1914.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Teichert, Heinz, Zur Geschichte des jüdischen Friedhofs im Mühlbergwald, in: Kraichgau 7 (1981).
  • Vögele, Wolfgang/Fuhrmann, Robert/Marowski, Ulrich/Appenzeller, Hans/Konrad, Alfred, Juden, in: 1200 Jahre Waibstadt. Beiträge zur Geschichte der ehemals freien Reichsstadt, Waibstadt 1995, S. 256-301.
  • Vögele, Wolfgang/Marowski, Ulrich, Zeittafel zur Geschichte der Waibstadter Judengemeinde (bis 1993).
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