Aktenverzeichnisse

Von Robert Kretzschmar

Alphabetisches Orts- und Sachregister aus dem Inventar Schickhardts von 1660 (Quelle: Landesarchiv BW, HStAS A 265 Bü 109)
Alphabetisches Orts- und Sachregister aus dem Inventar Schickhardts von 1660 (Quelle: Landesarchiv BW, HStAS A 265 Bü 109)

Definition der Quellengattung

Anders als Aktenpläne, die vorausschauend die Ablage noch zu bildender Akten steuern sollen, dienen Aktenverzeichnisse dem Nachweis von Unterlagen, die bereits vorliegen. Zu beachten ist, dass Verzeichnisse nicht auf Akten im klassischen Sinne beschränkt sein müssen, sondern häufig auch Unterlagen anderer Art (vor allem Urkunden bzw. Einzelschriftstücke, Amtsbücher, Karten, bildliche Darstellungen) mit einbeziehen oder sogar nur solche verzeichnen. Der Begriff „Akten“ ist hier insofern im weiteren Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs zu verstehen; vgl. dazu die Hinweise unter Akten.

Historische Entwicklung

Die Erstellung von Aktenverzeichnissen lässt sich bis in die Entstehungszeit früher Akten zurückverfolgen. Ein Beispiel hierfür ist das Verzeichnis der Akten des württembergischen Baumeisters Heinrich Schickhardt (1558–1635) aus dem Jahr 1660. Das anlässlich der Abgabe der Akten von der herzoglichen Rentkammer an die Kunstkammer erstellte Verzeichnis lässt nachvollziehen, wie der später umgeordnete Aktenbestand zu dieser Zeit und vermutlich ursprünglich formiert war.[1]

Aufbau und Inhalt

Von zentraler Bedeutung für das Verständnis von Aktenverzeichnissen ist der Zweck bzw. Anlass ihrer Erstellung, der – sofern keine Angaben dazu vorliegen – im Einzelfall zu analysieren ist. Aktenverzeichnisse dienten in der Verwaltung als Nachweis der vorhandenen Akten für den Rückgriff. Häufig wurden Aktenverzeichnisse anlässlich von Aktenabgaben oder Aktenverlagerungen an einen anderen Ort oder Aktenabgaben an einen Dritten gefertigt. Grundsätzlich sind Aktenverzeichnisse vor dem Hintergrund der zeitgenössischen und eventuell spezifischen Schriftgutverwaltung des Aktenbildners zu betrachten, deren Produkt sie sein können. Dazu sind ggf. die einschlägigen Kanzleiordnungen, Registraturordnungen oder Aktenpläne heranzuziehen; vgl. hierzu Akten.

Aktenverzeichnisse wurden und werden nach Bedarf untergliedert in einzelne Abschnitte, die im Einzelnen zu analysieren sind. Zentrale wiederkehrende Angaben zu den einzelnen Einheiten sind der Aktentitel bzw. Betreff oder die Kurzbezeichnung bzw. beschreibung (etwa eines Amtsbuchs), eventuelle Signaturen, die den gezielten Zugriff in der Ablage ermöglichen sollen, der Entstehungszeitraum der Unterlage (die „Laufzeit“) sowie eventuelle Hinweise zum Inhalt der jeweiligen Einheit. Möglich ist, dass ganze Serien und Gruppen von Unterlagen nur als solche aufgelistet und skizziert sind.

Überlieferungslage und ggf. (vor-)archivische Bearbeitungsschritte

In den südwestdeutschen Archiven sind in großem Umfang Aktenverzeichnisse erhalten. Zu unterscheiden sind dabei Verzeichnisse, die bereits beim Aktenbildner entstanden sind, von solchen, die später eigens im Archiv als Archivverzeichnis (Findmittel, Repertorium) erstellt wurden, wobei gerne auf vorarchivische Verzeichnisse zurückgegriffen wurde und wird. Nähere Hinweise dazu finden sich gegebenenfalls in einer Vorbemerkung oder Einführung bzw. einem Vorwort.

Verzeichnisse können auf losen Blättern, in Heft-, Buch- oder Karteiform sowie in den letzten Jahrzehnten digital erstellt worden sein.

Quellenkritik und Auswertungsmöglichkeiten

Ältere Archivverzeichnisse können für die Quellenkritik außerordentliche Bedeutung gewinnen, da sie die Herkunft (Provenienz), Entstehung und Geschichte von Aktenbeständen und einzelnen Akteneinheiten dokumentieren. Dies gilt insbesondere für Aktenbestände, die Veränderungen unterlagen und für einzelne Einheiten, deren Herkunft zu erforschen ist. Herausragende Bedeutung haben sie für den Nachweis heute verlorener oder gezielt vernichteter Unterlagen. Die in der Behörde erstellten Aktenverzeichnisse können die Grundlage für die spätere Bearbeitung im Archiv (insbesondere für die Bewertung und Erschließung) gewesen sein. Das Aktenverzeichnis dokumentiert dann den Kontext der übernommenen Unterlagen. Im Übrigen können schon der Titel und nähere Angaben zu einer nicht mehr existenten Unterlage einen Beweiswert haben.

Aus verwaltungs- und kulturgeschichtlicher Perspektive ist Aktenverzeichnissen besondere Relevanz beizumessen, da sie per se Quellen für die Geschichte der Schriftlichkeit und des Umgangs mit Unterlagen sind.

Hinweise und Nutzung

Hier ist auf die Hinweise unter Akten zu verweisen.

Forschungs- und Editionsgeschichte

Nähere Untersuchungen liegen nicht vor.

Anmerkungen

[1] LABW HStAS A 265 Bü. 109; vgl. Kretzschmar/Keyler, Vom Architekturbüro, S. 94–104.

Literatur

  • Kretzschmar, Robert/Keyler, Regina, Vom Architekturbüro über das Archiv ins Internet. Der Nachlass Heinrich Schickhardt, in: Leonardo da Vinci und Heinrich Schickhardt. Zum Transfer technischen Wissens im vormodernen Europa, hg. von Dems./Sönke Lorenz, Stuttgart 2010, S. 90–116.
  • Nimz, Brigitta, Archivische Erschließung, in: Norbert Reimann, Praktische Archivkunde. Ein Leitfaden für Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste. Fachrichtung Archiv, Münster 2004, S. 98f.

Zitierhinweis:  Robert Kretzschmar, Aktenverzeichnisse, in: Südwestdeutsche Archivalienkunde, URL: […], Stand: 31.11.2017.

 

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