Von Robert Kretzschmar
Anders als Aktenverzeichnisse, in denen bereits vorliegende Akten nachträglich erfasst werden, zielen Aktenpläne primär darauf, noch zu bildende Akten für die unmittelbare Arbeit damit und den späteren Rückgriff sachgerecht zu strukturieren und ihnen eine geeignete Ordnung vorzugeben. Die Perspektive ist eine prospektive. Vorgegeben werden Aktentitel (Betreffe) für die Bildung einzelner Einheiten im Rahmen einer meist mehrstufigen, hierarchisch gegliederten Systematik auf der Grundlage des Dezimalsystems. Die Ausgestaltung muss mit der Geschäfts- bzw. Verwaltungstätigkeit des Aktenbildners im Einklang stehen und dessen Aufgaben und Zuständigkeiten abbilden.
Aktenpläne sind Instrumente der Schriftgutverwaltung und oft Bestandteil weitergehender Regularien.
Ansätze zu Aktenplänen finden sich bereits in der Frühen Neuzeit. Bis in das frühe 20. Jahrhundert hat man ihnen gerne die alphabetische Reihung der Betreffe zugrunde gelegt, wofür auch die Archivordnung des Badischen Geheimen Rats und Generalkommissars für das Archivwesen Johann Nikolaus Friedrich Brauer ein Beispiel ist, die auch für die Registraturen der badischen Oberbehörden Geltung hatte.[1]
Selbstverständliches Hilfsmittel in einer zunehmend professionalisierten Verwaltung nach unserem Verständnis wurde das Instrument des Aktenplans im 19. Jahrhundert. Eine wesentliche Rolle für den einheitlichen Gebrauch gleichgeordneter Dienststellen spielt seitdem der Druck. Die Modernisierung der Schriftgutverwaltung im Kontext der Büroreform zu Beginn des 20. Jahrhunderts und die Einführung elektronischer Verfahren für das Dokumentenmanagement und die Vorgangsbearbeitung seit der Jahrtausendwende haben der Funktionalität des Aktenplans nochmals ein besonderes Gewicht verliehen. Die Überführung in die digitale Welt verlief und verläuft dabei nicht immer problemlos.
Aufbau und Inhalt von Aktenplänen sind in Relation zur Geschäftstätigkeit und dem Geschäftsanfall des bzw. der aktenbildenden Stellen zu analysieren, auf die der Aktenplan zugeschnitten ist.
In den südwestdeutschen Archiven finden sich zahlreiche Aktenpläne, teils in den einschlägigen Beständen selbst, teils in Gestalt gedruckter Aktenpläne in den Dienstbibliotheken und Handapparaten der Beschäftigten. Weite Verbreitung in den Städten und Gemeinden Württembergs hatte der „Systematische Aktenplan für die Württembergische Gemeindeverwaltung von Hugo Flattich“, der bis in die 60er Jahres des 20. Jahrhunderts in Gebrauch war. Ab 1950 kam in Südbaden der „Aktenplan für die Gemeindeverwaltungen in Baden“ von P. Theurer zum Einsatz, ab 1965 dann im 1952 gegründeten Südweststaat der Aktenplan für die Gemeinden und Landkreise in Baden-Württemberg, der vom Richard Boorberg-Verlag vertrieben wird. In der Landesverwaltung wurde 1984 ein „Landeseinheitlicher Aktenplan Baden-Württemberg“ eingeführt.[2] Im kommunalen Bereich ist bundesweit der Aktenplan der kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) verbreitet.
Aktenpläne stellen zum einen ein wesentliches Hilfsmittel für das Verständnis und die professionelle Interpretation von Aktenschriftgut dar. Sie ermöglichen die Identifikation von Aktenzeichen in Geschäftsschriftgut und lassen den Entstehungszweck einzelner Akteneinheiten oder serien nachvollziehen. Zum anderen spiegeln sich in Aktenplänen die Zuständigkeiten, Aufgaben und Arbeitsweisen der Stellen und Einrichtungen, für die sie ausgearbeitet wurden. Sie sind damit neben Organisations- und Geschäftsverteilungsplänen zentrale Quellen der Verwaltungs- und Behördengeschichte im weitesten Kontext. Nicht zuletzt für die Historische Grundwissenschaft „Aktenkunde“ und insbesondere die Geschichte der Organisation von Schriftgut und der Schriftlichkeit im weitesten Rahmen bieten Aktenpläne (und deren reale Handhabung in der Praxis) ein hohes Auswertungspotential.
Sofern nicht Bereiche betroffen sind, für die Geheimhaltungsvorschriften gelten, unterliegen Aktenpläne, die Teil des Archivguts sind, keinen besonderen Benutzungsbeschränkungen. Für gedruckte Aktenpläne gelten keine Fristen.
Die Entwicklung von Aktenplänen war bisher vor allem in archivwissenschaftlichen Publikationen und Veröffentlichungen zur Schriftgutverwaltung Gegenstand der Betrachtung. Speziell auf die Entwicklung im deutschen Südwesten geht Sannwald, Professionelle Aktenführung ein.
Zitierhinweis: Robert Kretzschmar, Aktenpläne, in: Südwestdeutsche Archivalienkunde, URL: […], Stand: 18.12.2017.