Fastnachtumzug in Rottenburg am Neckar 1960

Von Felix Teuchert

Fastnachtumzug in Rottenburg am Neckar, 1960 [Quelle: Landesfilmsammlung Baden-Württemberg]  

In der städtischen Überlieferung Rottenburgs reichen die Belege für die Existenz von Fastnachtbräuchen bis ins frühe 15. Jahrhundert zurück. Bei vielen dieser Belege handelt es sich um Verbote und Strafen, insbesondere gegen das „Weißbutzenlaufen“ oder das Tragen von „Tayfels-Klaid“. Bis ins 18. Jahrhundert hinein wurden immer wieder zeitlich befristete Fastnachtsverbote ausgesprochen. Vermutlich erregten die diabolischen Symbole und das zum Teil tumulthafte Treiben den Unmut der städtischen und kirchlichen Obrigkeit. Im Zeitalter der Aufklärung wurde das bunte, zum Teil obszöne Treiben als unsittlich, unchristlich, heidnisch und abergläubisch wahrgenommen – obwohl die Fastnachtstradition ursprünglich im Kontext des christlichen, vorösterlichen Fastengebots entstand.

Gleichwohl zeigen diese Strafen, dass Fastnachtbräuche in der lokalen Volkskultur verankert waren und sich auch nicht durch Verbote unterdrücken ließen. Im 18. Jahrhundert schien sich das Verhältnis der städtischen Obrigkeit zur Fastnacht zu entspannen. 1793 fand ein genehmigter Faschingsball im Rathaus, 1844 ein Maskenumzug auf dem Marktplatz statt, der in den folgenden Jahren allerdings kein regelmäßiger Bestandteil der Rottenburger Fastnachtsfeiern war. Eine typische Figur der Rottenburger Fastnacht ist der Ahland, eine Teufelsfigur, die eine diabolische Grimasse zeigt. Die Narrenzunft Rottenburg führte diese Figur in den 20er-Jahren ein; die Ahland-Maske selbst geht aber auf Vorbilder aus dem 16. Jahrhundert zurück. Zudem lässt der Ahland auch deutliche Ähnlichkeiten mit einer Sandsteinfratze erkennen, die ursprünglich Teil eines mittlerweile zerstörten Gebäudes war. Die Sandsteinfigur selbst überlebte die Zerstörung jedoch und ist auch heute noch in der Altstadt zu besichtigen. Charakteristisch für den Ahland sind das über den Kopf gezogene Lammfell und die vielen Glocken, die sein bunt bemaltes Leinenkleid zieren. Am „Schmotzigen Donnerstag“ eröffnet die „Gräfin Mechthild“ die Fastnacht und erklärt die „Narrenfreiheit“; es folgen der Tanz der Stadthexen und die Vertreibung derselben durch die Ahlande. Der große Umzug durch die Altstadt findet am Fastnachts-Sonntag statt.

Dass historisches Brauchtum immer auch an die eigene, erlebte Gegenwart angepasst wird, zeigt dieser Filmausschnitt von 1960 in plastischer Weise. Auf einem der Mottowagen befindet sich ein roter Käfig, an welchem Hammer und Sichel, also die Symbole des Kommunismus und der Sowjetunion sowie Totenköpfe angebracht sind. Hinter dem Käfig versucht ein mit einer Peitsche bewaffneter Mann, den „russischen Bären“ – der Bär ist eine russische Nationalallegorie – in den Käfig zu treiben, der die Aufschrift „Bärenfalle“ trägt. Die russische Nation wird also in den „Käfig des despotischen und tödlichen Kommunismus“ getrieben, so ist die Botschaft dieses Wagens zu verstehen. Der Mottowagen war also auch ein Kommentar zum Zeitgeschehen im Zeitalter des Kalten Krieges und macht sich die damals verbreitete antikommunistische Weltanschauung zu eigen.

Literatur

  • Mezger, Werner, Schwäbisch-Alemannische Fastnacht. Kulturerbe und lebendige Tradition, Darmstadt 2015.
  • Schwedt, Herbert, Der Landkreis Tübingen. Amtliche Kreisbeschreibung Bd. 1: Allgemeiner Teil, Tübingen 1967, S. 390-428.

 

Zitierhinweis: Felix Teuchert, Fastnachtumzug in Rottenburg am Neckar, in: Alltagskultur im Südwesten, URL: […], Stand: 09.11.2020

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