Kleineicholzheim

Das ehemalige Schloss der Grafen von Waldkirch in Kleineicholzheim, 2003. In den 1830er Jahren kaufte die jüdische Gemeinde die beiden unteren Teile. In der Mitte wurde die Synagoge eingerichtet, im Anschluss die Schule mit Lehrerwohnung. Im oberen Teil wohnte eine jüdische Familie. Während der Pogrome im November 1938 wurde die Inneneinrichtung der Synagoge zerstört. Das in den 1950er Jahren umgestaltete Gebäude dient bis heute als Wohnhaus. [Quelle: Alemannia Judaica, Foto: Joachim Hahn]
Das ehemalige Schloss der Grafen von Waldkirch in Kleineicholzheim, 2003. In den 1830er Jahren kaufte die jüdische Gemeinde die beiden unteren Teile. In der Mitte wurde die Synagoge eingerichtet, im Anschluss die Schule mit Lehrerwohnung. Im oberen Teil wohnte eine jüdische Familie. Während der Pogrome im November 1938 wurde die Inneneinrichtung der Synagoge zerstört. Das in den 1950er Jahren umgestaltete Gebäude dient bis heute als Wohnhaus. [Quelle: Alemannia Judaica, Foto: Joachim Hahn]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Das dem Ritterkanton Kraichgau inkorporierte Dorf Kleineicholzheim kam um 1560 nach dem Aussterben der jüngeren Herren von Eicholzheim an Landschad Hans Pleikard zu Großeicholzheim, später an die Herren von Adelsheim, 1724 an den Grafen von Riancour und  dann an die Grafen von Waldkirch. 1806 fiel es an Baden.

Seit dem 18. Jahrhundert wohnten Juden in Kleineicholzheim. Im 19. Jahrhundert war ihr Anteil an der Einwohnerschaft sehr groß. 1825 lebten in Kleineicholzheim 35 Israeliten (15 Prozent von 234 Einwohnern), 1875  93 (32,8 Prozent von 284), 1900 74 (33,2 Prozent von 223), 1925 38 (16,5 Prozent von 231)  und 1933 28. Die Namen der alteingesessenen Judenfamilien waren Böttigheimer und Lissberger. Von den sechs Teilnehmern am Ersten Weltkrieg ist Max Lissberger gefallen.

1843 verkauften die Grafen von Waldkirch ihre Besitzungen in Kleineicholzheim, darunter Schloss und Gut, für 57.100 Gulden an einen Israeliten, der die Güter an die Bürger weiterverkaufte. Bei dieser Gelegenheit erwarb die israelitische Gemeinde den neueren Teil des Schlosses und einen Teil des alten Schlossgebäudes und richtete darin Synagoge, Schule, Frauenbad und Lehrerwohnung ein. Seit 1827 war Kleineicholzheim dem Rabbinatsbezirk Mosbach angeschlossen.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wanderte ein Jude namens Wertheimer von Kleineicholzheim nach Houston in den USA aus und brachte es dort zu Ansehen und Wohlstand. Noch heute trägt eine der Hauptstraßen Houstons seinen Namen. Den Lebensunterhalt erwarben sich die Juden durch Handel mit  Vieh,  Pferden und Textilwaren. 1933 wurden 3 Textilwarengeschäfte, 2 Gemischtwarenhandlungen, 2 Vieh- und Pferdehandlungen und 2 Gastwirtschaften von  Juden  betrieben. Die Gastwirte des „Engel" und der „Krone" waren nebenberuflich als Vertreter und Viehhändler tätig.

Der Verkehr mit den übrigen Bürgern war bis 1933 freundnachbarlich. Ein Jude war jeweils Mitglied im Gemeinderat. Die nationalsozialistische Hasspropaganda fand bei den Parteifunktionären und den jugendlichen williges Gehör. Der Großteil der Bürger blieb den Juden wohlgesinnt. Doch auch sie wurden den Juden allmählich entfremdet, da sich kaum noch jemand traute, mit ihnen öffentlich zu verkehren, um nicht als Judenfreund angeprangert zu werden. Die jüdischen Geschäfte gingen infolgedessen immer mehr zurück und mussten bis spätestens Ende 1938 geschlossen werden.

In der Kristallnacht im November 1938 wurden die anwesenden Juden von auswärtigen SA-Leuten misshandelt, die Inneneinrichtung der Synagoge und einige Wohnungen demoliert. Zwei Juden wurden in das KZ Dachau eingeliefert und bis Weihnachten 1938 festgehalten. Nur einzelne  haben  bereits 1934, 1936  und 1937  das Land verlassen. Die meisten der insgesamt 12 Auswanderer begaben sich erst 1939 nach den USA und Argentinien. Die älteste Israelitin von Kleineicholzheim, Minna Böttigheimer, starb fast neunzigjährig im jüdischen Altersheim in Gailingen.

15 Juden blieben weiterhin in Kleineicholzheim wohnen und wurden am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert. Nur 4 von ihnen erlangten die Freiheit wieder; 4 siechten in südfranzösischen Konzentrationslagern dahin, und 7 wurden nach schreckensreichen Jahren schließlich 1942/43 in Auschwitz ermordet.

Nach den Jahren der Verfolgung kehrte der aus Kleineicholzheim gebürtige Friedrich Böttigheimer hierher zurück. Die ehemalige Synagoge an der Hauptstraße gegenüber dem Rathaus wurde veräußert und zu einem Wohnhaus umgebaut. Einen jüdischen Friedhof hat es in Kleineicholzheim nie gegeben. Die Toten wurden von jeher in Bödigheim bestattet.
 

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Fontaine, Heinrich, Der Amtsbezirk Adelsheim nebst geschichtlichen Notizen, 1900.

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Kleineicholzheim, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Großkopf, Siegfried, Schefflenz in den vergangenen 50 Jahren, in: 774-1974 Gemeinde Schefflenz, hg. von Edwin Roedder, 1974, S. 280-281.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Landauer, Rudolf/Lochmann, Reinhart, Spuren jüdischen Lebens im Neckar-Odenwald-Kreis, hg. von Landratsamt NOK, Buchen 2008.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 481-482.
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