Pest
von Amelie Bieg
Ein Großteil der Menschen, die zwischen 1618 und 1648 starben, kam nicht durch unmittelbare Kriegshandlungen, sondern infolge von Krankheiten und Epidemien, wie beispielsweise der Pest, zu Tode. Die durchziehenden und teilweise in den Häusern der Bevölkerung einquartierten Soldaten verbreiteten in den Feldzügen den Pesterreger im Reich und erhöhten so die schon in Friedenszeiten bestehende Gefahr der Verbreitung der Krankheit. Gleichzeitig führten die schlechte Witterung und der kriegsbedingte Nahrungsmangel zu einer entkräfteten Bevölkerung und potenzierten die Anfälligkeit der Menschen für den Erreger, was zu zahlreichen regionalen Pestwellen führte. Vor allem die zahlreichen Truppenbewegungen im zeitlichen Umfeld der Schlacht bei Nördlingen und die Fluchtbewegungen der Bevölkerung führten im deutschen Südwesten zu einer weiten Verbreitung der tödlichen Krankheit. Hungersnöte infolge von Nahrungsmangel, Ernteausfällen, Truppendurchzügen und Armut sowie schlechtes Wetter verstärkten zusätzlich die Anfälligkeit der Menschen für eine Infektion mit der Pest, aber auch mit der Roten Ruhr oder Typhus.
In der Reichsstadt Ulm, die mit aus dem Ulmer Umland geflüchteten Bewohnern überfüllt war, brach die Pest, vom Chronisten Hans Heberle als „beße kranckheit“ bezeichnet, im November 1634 aus.[1] Auch Hohenlohe wurde 1634 nach einer bereits überstandenen ersten Pestwelle von 1626 erneut von der Seuche heimgesucht. Nach der Schlacht von Nördlingen erreichte die Pest im von kaiserlichen Truppen besetzten Herzogtum Württemberg im Sommer 1635 ihren Höhepunkt.
Die Seuche hatte verheerende Folgen für das gesellschaftliche Miteinander und zerstörte zwischenmenschliche Beziehungen. „Generell sind bei Ausbrüchen von Seuchen zwei widersprüchliche Phänomene zu beobachten. Der Furcht, mit Infizierten in Kontakt zu treten, und der Unwille, dem Totengräber zu helfen, auf der einen standen die massive Nichtbeachtung herrschaftlicher Quarantänevorschriften und der Wunsch nach einem aufwendigen Begräbnis auf der anderen Seite gegenüber. Diese Quarantänevorschriften bedeuteten allerdings einen erheblichen Einschnitt in das alltägliche Leben sowohl in den Häusern der Untertanen als auch in ganzen Dörfern, der letztlich auch die tägliche Arbeit behinderten mußte.“[2] So wurde in Tübingen, wo die Pest seit 1634 um sich griff, Infizierten befohlen, sich in ihren Häusern einzuschließen oder die Stadt sofort zu verlassen.
In Ulm verbot der Rat 1634 das Ablegen von Leichen auf der Straße, vor anderer Leute Häuser oder vor den Stadttoren, was darauf hinweist, dass viele Angehörige aus Furcht vor Stigmatisierung ihre Toten heimlich aus dem Haus schafften. Leichenpredigten und öffentliche Begräbnisse waren aufgrund der großen Zahl an Toten und der Angst vor Ansteckung nicht mehr möglich. So notierte Hans Heberle 1635 in seiner Chronik: „Nachmals ist auch von einem erbarn rath der stat Ulm auch außgangen, das welcher an der pestelentz gestorben, dem selbigen soll auch kein leichtpredig gehalten werden, es sey in der stat oder uff dem landt, er sey reich oder arm, dan die pest in disem jar hefftig graßiert.“ [3] Mit dem Nachlassen großer Truppendurchzüge nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges konnte die weitläufige Verbreitung der Pest mittelfristig gestoppt werden.
Anmerkungen
[1] Heberle: Zeytregister, Bl. 57 / S. 152.
[2] Kleinehagenbrock: Hohenlohe, S. 99f.
[3] Heberle: Zeytregister, Bl. 59 / S. 154.
Quellen in Auswahl
- Der Dreißigjährige Krieg in zeitgenössischer Darstellung. Hans Heberles ,Zeytregister' (1618-1672). Aufzeichnungen aus dem Ulmer Territorium. Ein Beitrag zu Geschichtsschreibung und Geschichtsverständnis der Unterschichten, hg. von Gerd Zillhardt (Forschungen zur Geschichte der Stadt Ulm, Bd. 13), Stuttgart 1975.
Literatur in Auswahl
- Kleinehagenbrock, Frank, Die Grafschaft Hohenlohe im Dreißigjährigen Krieg. Eine erfahrungsgeschichtliche Untersuchung zu Herrschaft und Untertanen, in: Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B: Forschungen, Bd. 153, Stuttgart 2003, S. 92-101.
- Lammert, Gottfried, Geschichte der Seuchen, Hungers- und Kriegsnoth zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges, Wiesbaden 1890.
- Medick, Hans, Der Dreißigjährige Krieg. Zeugnisse vom Leben mit Gewalt, Göttingen 2018.
- Pils, Susanne Claudine, Stadt, Pest und Obrigkeit, in: Wien im Dreißigjährigen Krieg. Bevölkerung – Gesellschaft – Kultur – Konfession, hg. von Andreas Weigl (Kulturstudien 32), Wien, Köln, Weimar 2001, S. 353-378.
- Rotzoll, Maike, Art. Pest, in: Enzyklopädie der Neuzeit Online, URL: http://dx.doi.org/10.1163/2352-0248_edn_COM_326145 (aufgerufen am 10.12.2019).
- Schreiner, Klaus, Die Katastrophe von Nördlingen. Politische, wirtschaftliche und kulturelle Folgen einer Schlacht für Land und Leute des Herzogtums Württemberg, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für Nördlingen und das Ries , Bd. 27 (1985), S. 39-90.