Die Schlacht am Weißen Berg
von Amelie Bieg
Die Schlacht am Weißen Berg war Teil des böhmisch-pfälzischen Krieges (1618-1623). Nach dem Eindringen der kaiserlich-ligistischen Armee nach Böhmen im Frühjahr und Frühsommer 1620 strebten Herzog Maximilian von Bayern und Johann T´Serclaes Graf Tilly Ende Oktober eine Entscheidungsschlacht gegen die böhmischen Truppen an, worauf Tilly als Anführer der ligistischen Truppen und Graf Karl von Bucquoy als Führer der kaiserlichen Truppen nach Prag marschierten. Die zahlenmäßig unterlegenen böhmischen Truppen hatten sich unter der Führung Fürst Christians von Anhalt-Bernburg nicht nach Prag selber, sondern auf den nahegelegenen Weißen Berg zurückgezogen und waren so in einer strategisch besseren Position. Allerdings mangelte es dem protestantischen Heer an Gefechtserfahrung und ausbleibender Sold führte zu schlechter Stimmung unter dem Kriegsvolk.
Tilly und Bucquoy waren sich uneins darüber, ob ein Angriff stattfinden sollte. In dieser Situation erschien der Karmelitermönch Dominicus a Jesu Maria, der im Heerestross mitgezogen war, vor dem Kriegsrat der kaiserlich-ligistischen Truppen und präsentierte ein mutmaßlich von Calvinisten geschändetes Bild der Anbetung des Jesuskindes durch die Hirten. Allen auf dem Bild dargestellten Personen mit Ausnahme Jesu waren die Augen ausgestochen worden. Der Mönch nutzte diesen Bilderfrevel als entscheidendes Argument für eine sofortige Schlacht, indem er die Bestrafung der Ketzer forderte und prophezeite, dass „die Engel an der Seite der Soldaten kämpfen würden“.[1] Damit fiel die Entscheidung zur Schlacht.
Am Morgen des 8. November erhielten die Soldaten nach der Beichte den Marschbefehl. Maximilian von Bayern erhob „Maria!“ zum Schlachtruf und verwies damit auf die Seeschlacht von Lepanto 1571, in der die sogenannte Heilige Liga die Flotte des Osmanischen Reiches geschlagen hatte. Innerhalb von zwei Stunden besiegte die kaiserlich-ligistische Armee die böhmischen Truppen vernichtend, die teilweise bei ihrer Flucht vor dem Feind in der Moldau ertranken.
Die Forschung weist darauf hin, dass es sich bei der Schlacht am Weißen Berg um keine gewöhnliche Schlacht handelte, da in ihr die Konfession eine verhältnismäßig große Rolle spielte. Denn auch während des Gefechts erschien der Karmelitermönch mit dem geschändeten Bild und „brüllte dem Feind die Verse aus dem nächsten Sonntagsevangelium entgegen: ‚Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist [gemeint war Böhmen] und Gott, was Gottes ist.‘“[2] Viele Soldaten berichteten später, dass sie gesehen hätten, wie das Gemälde und das Kruzifix, welches der Mönch schwang, den Gegnern Feuer entgegen spien. Die Vorstellung, dass die Heiligen und vor allem die Gottesmutter Maria auf ihrer Seite standen, hat der katholischen Seite sowohl in der Schlacht am Weißen Berg als auch in der Folgezeit unter Umständen einen mentalen Vorteil verschafft, dem die Protestanten nichts entgegenzusetzen hatten.
In den darauf folgenden beiden Tagen zog ein Großteil der kaiserlich-ligistischen Truppen in Prag ein, der von den böhmischen Ständen kurze Zeit zuvor zum König gewählte Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz floh ins Exil. Am 13. November unterwarfen sich die böhmischen Stände Herzog Maximilian von Bayern, der als Stellvertreter des Kaisers fungierte. Unmittelbar darauf begann das Haus Habsburg mit der Rekatholisierung Böhmens, indem es die calvinistischen Prediger vertrieb. Über die revoltierenden böhmischen Stände wurde ein Strafgericht verhängt, in dessen Folge 27 Personen wegen Hochverrats angeklagt und hingerichtet wurden. „Die Mehrzahl von ihnen wurde enthauptet, einige wurden gehenkt. Die Köpfe von zwölf Prager Rebellen wurden zehn Jahre lang öffentlich auf Piken ausgestellt.“[3]
Das Vermögen der Verurteilten und ihrer Unterstützer wurde eingezogen. Die Enteignungen griffen tief in die soziopolitische Ordnung Böhmens ein, fast die Hälfte des Bodens wechselte den Besitzer. Durch die Hinrichtung, Enteignung oder Vertreibung der etablierten böhmischen Führungsschicht erfolgte ein radikaler Elitenwechsel, denn der Kaiser ersetzte diese durch ihm loyale Personen aus dem Reich, aus Italien, Spanien und Frankreich. Mithilfe der 1627 eingeführten „Verneuerten Landesordnung“ schaffte der Kaiser den bisherigen Dualismus zwischen den böhmischen Ständen und ihm als Landesherrn ab, indem er das Gesetzgebungsrecht für sich beanspruchte und den Ständen lediglich ein eingeschränktes Steuerbewilligungsrecht zusprach, sodass die Stände nicht mehr in die königlichen Hoheitsrechte eingreifen konnten. Der König von Böhmen wurde fortan nicht mehr gewählt, sondern die Königswürde fiel automatisch erblich dem Haus Habsburg zu. Die Böhmische Hofkanzlei wurde von Prag nach Wien verlegt.
Anmerkungen
[1] Chaline, Schlacht, S. 97[2] Chaline, Schlacht, S. 98
[3] Arndt, Krieg, S. 71
Literatur in Auswahl
- Arndt, Johannes, Der Dreißigjährige Krieg 1618-1648 (Reclams Universal-Bibliothek, Bd. 18642), Ditzingen 2018.
- Chaline, Oliver, Die Schlacht am Weißen Berg (8. November 1620), in: 1648. Krieg und Frieden in Europa, Textbd. 1, hg. von Klaus Bußmann/Heinz Schilling (Europaratsausstellungen, Bd. 26), München 1998, S. 35-101.
- Chaline, Oliver, Religions- und Kriegserfahrung. Die Schlacht am Weißen Berge 1620, in: Religionskriege im Alten Reich und in Alteuropa, hg. von Franz Brendle/Anton Schindling, Münster 2006, S. 511-518.
- Rebitsch, Robert, Der militärische Beginn des Dreißigjährigen Krieges, in: 1618. Der Beginn des Dreißigjährigen Krieges, hg. von Robert Rebitsch, Wien/Köln/Weimar 2007, S. 169-199.
- Klaus Schreiner, Maria Victrix. Siegbringende Hilfen marianischer Zeichen in der Schlacht auf dem Weißen Berg (1620), in: Kloster – Stadt – Region. Festschrift für Heinrich Rüthing, hg. von Johannes Altenberend (Sonderveröffentlichung des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg, Bd. 10), Bielefeld 2002, S. 87-144.
Zitierhinweis: Amelie Bieg, Die Schlacht am Weißen Berg, in: Der Dreißigjährige Krieg, URL: […], Stand: 15.08.2022