Von Senta Herkle
Warenbegleitbriefe werden im Kontext von Warensendungen durch den Händler/Spediteur angefertigt und der Fracht beigelegt. Sie dienen dem Ausweis und der Kontrolle der versandten Ware.
Warenbegleitbriefe können beispielsweise in Form von Frachtbriefen oder Sanitätspässen auftreten. Die Briefe enthalten detaillierte Informationen zu Sender und Empfänger der Ware sowie Stückzahl, Maß und Gewicht der Fracht und können jederzeit geöffnet werden. Immer wieder wird innerhalb der Briefe Bezug zur aktuellen politischen oder wirtschaftlichen Situation genommen, die für den Warentransfer ausschlaggebend war. Aus den Briefen wird zudem die Route der Ware ersichtlich. Sanitätspässe wurden im Rahmen der Gesundheitsgesetzgebung besonders für die über die Alpen Richtung Süden gehandelten Waren angefertigt, die zunächst unter Quarantäne gestellt wurden. Sie geben neben den Inhalten, die auch etwa in den Frachtbriefen angegeben sind, zusätzlich Auskunft darüber, ob der Ort, an dem sie ausgestellt wurden, seuchenfrei war. Warenbegleitbriefe wurden mit Handels- oder Kaufmannsmarken sowie mit symbolischen Kennzeichnungen der Waren versehen, über deren Gebrauch allerdings wenig bekannt ist.[1] Die seriellen Massenakten liegen in ungedruckter Form oder (verstärkt ab dem 18. Jahrhundert) als von Hand ergänztes Formular vor und stellen so eine Mischform aus Brief und Formular dar.
Warenbegleitbriefe sind sporadisch in kommunalen und staatlichen Archiven sowie in Wirtschaftsarchiven vor allem in Nachlässen von Privatpersonen oder Wirtschaftsunternehmen überliefert. Das Archiv der vormaligen Reichsstadt Ulm verwahrt beispielsweise im Bestand G (Chroniken, Personendokumentationen) Warenbegleitbriefe Ulmer Händler besonders mit dem Speditionshaus Massner in Chur.[2] Im Wirtschaftsarchiv Salis-Massner, das im Staatsarchiv Graubünden unter der Überlieferung der Nichtstaatlichen Archive eingereiht ist, liegen ebenfalls Warenbegleitbriefe/Frachtbriefe südwestdeutscher Provenienz.[3] Sanitätspässe süddeutscher Herkunft sind vor allem im Archivio di Stato in Verona überliefert.[4]
Anhand der Warenbegleitbriefe können in erster Linie Rückschlüsse auf Handelsrouten, den transalpinen Verkehr, Warenströme und Handelsnetzwerke in Europa und darüber hinaus gezogen werden. Sie sind daher eine gute Grundlage für die Erforschung von Warenkontingenten, des Warentransfers und des Transport- und Speditionswesens und somit auch für die Analyse der (Handels-)beziehungen zwischen einzelnen europäischen Ländern. Auch für die Postgeschichte (etwa auch zum Lindauer Boten) wie für kommunikations- und medienhistorische Zugänge liefern Warenbegleitbriefe Anhaltspunkte. Die Zollvermerke auf den Briefen sind nicht nur für Philatelisten, die sich mit Postgeschichte auseinandersetzen, sondern auch für die Erforschung des Zoll- und Warenverkehrs eine aufschlussreiche Quelle.
Für den deutschen Südwesten liegen keine umfassenden Studien zu Warenbegleitbriefen vor. Im philatelistischen Zusammenhang wird insbesondere auf die Warenkennzeichnung und die Handels- respektive Kaufmannsmarken verwiesen.[5] Susanna Gramulla wertete die Sanitätspässe im Bestand des Archivio di Stato di Verona aus, darunter auch etliche süddeutscher Provenienz.[6] Vor allem hinsichtlich der Handelswege von Textilien zog Senta Herkle Warenbegleitbriefe Ulmer Händler als Quellen heran. Neuere Forschungen betonen die Relevanz der Spediteure für die Kulturgeschichte des Wirtschaftens, denn ihre Überlieferung gibt Hinweise auf „soziale und mediale Verbindungen in modernen Gesellschaften“[7] und die Etablierung von Routen, die über einen bloßen Waren- und Informationstransfer hinausgehen.
Zitierhinweis: Senta Herkle, Warenbegleitbriefe, URL: [...], Stand: 11.10.2017.