Dossenheimer Holzäpfeltanz
"Der Holzäpfeltanz in Dossenheim" [Copyright: Badisches Landesmuseum Karlsruhe]

Allein für den badischen Raum verzeichnete das Badische Volksliedarchiv bei seiner Gründung durch Johannes Künzig im Jahr 1923 über 600 Volkstanzformen. Auch der Germanist und Volkskundler John Meier beschäftigte sich mit verschiedenen Volkstänzen und -liedern und gründete im Jahr 1914 in Freiburg das noch heute bestehende Deutsche Volksliedarchiv. Das große Interesse an Volksliedern und -tänzen zu Beginn des 20. Jahrhunderts kann durchaus als Ausdruck einer Modernisierungskrise verstanden werden. Bürgerliche Volkskundler dokumentierten ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor allem das ländliche Leben, da dieses durch den gesellschaftlichen Wandel im Zuge der Industriemoderne bedroht schien. Das Land und die dortigen Bräuche wurden als schützenswerter Gegenpol zur hektischen Stadt imaginiert, während die Zunahme moderner Technologien und Produktionsweisen eher kritisch bewertet und vor allem unter dem Aspekt der Verdrängung althergebrachter Traditionen betrachtet wurde.

Bei den meisten der noch heute bekannten und überlieferten Tanzformen handelt es sich um Brauchtänze. Ein Beispiel eines solchen Brauchtanzes ist der Dossenheimer Holzäpfeltanz. Die erste Erwähnung des Holzäpfeltanzes stammt aus dem 18. Jahrhundert. Nach den Beschreibungen des badischen Hofhistoriographen Aloys Wilhelm Schreiber stand der Tanz ursprünglich in Verbindung mit dem Weiderecht der ortsansässigen Bauern. Unverheiratete Männer, sogenannte „Bannweidebuben“ beaufsichtigten den Weidegang auf dem Gebiet des Dorfes. Verstöße der Viehhalter wurden beim späteren „Bannweidgericht“ mit Geldstrafen belegt. Am Tag nach dem „Bannweidgericht“ folgte der Holzäpfeltanz, bei dem die „Bannweidebuben“ mit ihren Tanzpartnerinnen auf einer mit Holzäpfeln bestreuten Tanzfläche tanzen mussten, was einiges Geschick erforderte. Dabei wurde ein Zweig weitergereicht und das Paar, das am Ende des Tanzes den Zweig hielt, wurde zum Siegerpaar erklärt und erhielt einen Preis. Nach langem Streit schaffte die badische Obrigkeit 1814 den Dossenheimer Holzäpfeltanz jedoch ab, da man die finanzielle Belastung der Gemeinde durch einen zweiten Festtermin neben der Kirchweih fürchtete. Erst 1922 wurde der Holzäpfeltanz im Zusammenhang mit einem historisierenden "Heimatschauspiel" als Kirchweihprogramm folkloristisch wiederbelebt.

Hahnentanz beim Jakobifest in Bad Teinach - Lithographie um 1840
Hahnentanz beim Jakobifest in Bad Teinach - Lithographie um 1840 [Copyright: Landesmedienzentrum Baden-Württemberg]

Wesentlich älter ist die Tradition des Hahnentanzes, die schon seit dem Mittelalter belegt ist. Er ist ein typischer Erntetanz und gehört zur Gruppe der Preistänze. Dabei hebt die Tänzerin ihren Tanzpartner hoch, damit dieser mit dem Kopf ein Glas von einem Galgen stoßen kann ohne dabei nass zu werden. Beim Hahnentanz erhielt das Siegerpaar als Preis den Hahn, der in einem Käfig auf einem Galgen saß.

Ein bekanntes Volkstanzbeispiel aus dem Bodenseekreis ist der Überlinger Schwerttanz. Dabei handelt es sich um einen Zunfttanz, dessen Wurzeln im Überlinger Fastnachtsbrauchtum zu finden sind. Erstmals urkundlich erwähnt wurde der Tanz im reichsstädtischen Ratsprotokoll vom 8. Februar 1646. Heute gibt es in Europa nur noch wenige historische Schwerttänze. In Deutschland ist der alte Überlinger Zunfttanz mit seiner langen und nahezu unverfälschten Tradition einmalig.

Mehr über (Volks-)tänze erfahren Sie in einer Online-Ausstellung auf der Seite der Deutschen Digitalen Bibliothek. Anhand der verschiedenen Arten von Tanz als Brauchtum und Ritual, als Gesellschafts- und Ausdruckstanz, als Gattung der darstellenden Künste bietet die Ausstellung einen Überblick über historische und aktuelle Möglichkeiten, die tänzerische Bewegung aufzuzeichnen und zu simulieren, um sie letztlich zu archivieren und somit nachvollziehbar zu machen. (JH)

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 Posthorn
Posthorn, 19. Jahrhundert [Quelle: Heimatmuseum Ratzenried]

Die Überbringung von Nachrichten, insbesondere von Briefen, durch Boten ist in Europa bereits seit dem Frankenreich der Merowinger bezeugt. Zunächst beschränkte sich solch ein Botenverkehr vor allem auf den Austausch zwischen Klöstern. Mit dem Aufkommen der Städte, der Ausdehnung des Handels, der Zunahme der Schriftlichkeit und der Verbreitung des Papiers steigerte sich der der Bedarf an schriftlicher Nachrichtenübermittlung immer weiter. Das seit dem Spätmittelalter ausgedehnte Postwesen im Reichsgebiet hatte sich neben Brief- und Kleingepäckbeförderung bald auch dem Güter- und Personenverkehr angenommen. Etwa seit 1630 bis weit in die Mitte des 18. Jahrhunderts hinein verbanden Landkutschen, die planmäßig auf festen Routen verkehrten, die verschiedenen Regionen des Reichs. Es wurden feste Poststationen aufgebaut, im Abstand von je einer Tagesreise. Diese Poststationen bekamen im Laufe der Zeit erhebliche wirtschaftliche Bedeutung: Sie waren Treffpunkt, Tausch- und Handelsplatz, Pferdestall und nicht zuletzt Herbergen für die Reisenden. Denn die Fahrten mit den Postkutschen waren alles andere als komfortabel. Auf den Holzsitzen der offenen, ungefederten, auf Holzachsen fahrenden Leiterwagen bekamen die Reisenden nicht nur jede Straßenunebenheit unmittelbar zu spüren, sondern waren auch der Witterung direkt ausgesetzt. Wichtiges Utensil für die Fahrer der Postkutschen war das Posthorn, da die Postkutsche immer Vorrang besaß. Auch das Öffnen der Stadttore und Bedarfsankündigung auf den Relaisstationen zum Pferdewechsel wurden mit unterschiedlichen Signalmelodien bereits vor Ankunft mitgeteilt.

Ab 1742 setzte die Reichspost erstmals regelmäßig verkehrende geschwinde Postwagen auf der Strecke von Frankfurt am Main nach Basel über Mannheim, Karlsruhe, Freiburg im Breisgau ein. Sie waren dazu eine ganze Woche lang unterwegs. 1760 wurde die wichtige überregionale Verbindung von Paris über Straßburg/Strasbourg nach München und Wien eröffnet, die allerdings anfangs den Umweg über Offenburg, Heilbronn, Nürnberg nahm. Nicht nur solche Umwege, sondern auch die häufig schlechten Straßen führten zu langen Fahrzeiten. Durch den Gebrauch der üblichen Gabelfuhrwerke waren die selten gut befestigten Straßen und Wege nämlich in der Mitte meist so ausgetreten, dass dort das Wasser nicht abfließen konnte und der Morast eine Befahrung oft kaum mehr möglich machte. Daneben behinderte im Südwesten das Relief mit seinen kräftigen Steigungen über Schwarzwald und Schwäbische Alb die Durchlässigkeit vor allem im Ost-West-Verkehr. Die mit enormem Aufwand betriebene Erneuerung und Verbreiterung der Poststraßen, die Vorschrift, dort statt der Gabelfuhrwerke nur noch die moderneren Deichselwagen zu verwenden, die Neutrassierung in den Gebirgsgebieten mit festgelegten Steigungen von maximal sechs Prozent – in Baden seit 1824, in Württemberg seit 1849 – sowie eine generelle Erweiterung des Routennetzes über Abkürzungsstrecken brachten eine Reduzierung der Fahrzeiten und eine Steigerung des Fahrkomforts. Die Folge war eine Aufstockung des Reiseverkehrs. Doch kamen diese Verbesserungsmaßnahmen zu spät. Ein neues Verkehrsmittel, die Eisenbahn, stand ab 1834 in Baden und ab 1840 in Württemberg bereit. Es trat als Beförderungsmittel rasch in Konkurrenz zur Postkutsche, zumal die frühen Bahnverbindungslinien oft parallel zu den alten Hauptpostrouten verliefen. Mehr über das Postwesen und die damit einhergehende Entwicklung der neuzeitlichen Bevölkerungsmobilität finden Sie im Historischen Atlas Baden-Württemberg sowie im neuen Themenmodul zur "Alltagskultur im Südwesten". (JH)

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 Gesetz in Betreff der öffentlichen Verhältnisse der israelitischen Glaubensgenossen 1828
Gesetz in Betreff der öffentlichen Verhältnisse der israelitischen Glaubensgenossen 1828 [Quelle: Wikimedia]

Die Gleichstellung der jüdischen Bevölkerung wurde im deutschsprachigen Raum erst sehr spät Gegenstand ernsthafter Bemühungen. Entfacht wurde die Diskussion unter anderem vom preußischen Kriegsrat im Berliner Staatsarchiv Christian Wilhelm Dohm, der 1781 auf Bitten von Moses Mendelssohn eine Streitschrift mit dem Titel „Über die bürgerliche Verbesserung der Juden“ veröffentlichte. Dohm forderte darin eine Befreiung der Jüdinnen und Juden aus der Unmündigkeit und eine Gleichstellung mit ihren christlichen Mitbürgern.

Zu den weiteren wichtigen Wegbereitern zählen die Toleranzedikte Kaiser Josephs II. im gleichen Jahr, in deren Folge unter anderem die vorderösterreichische Universität Freiburg für jüdische Studierende geöffnet wurde. Allerdings darf die Wirkung dieser Toleranzedikte nicht überschätzt werden. Abgesehen von einigen Vergünstigungen wurde nicht nur der alte Schutzstatus beibehalten, sondern auch zahlreiche Restriktionen wie das Heiratsverbot und die Einschränkungen der Freizügigkeit erneut betont. Nach der napoleonischen Neuordnung Südwestdeutschlands folgten 1809 das Konstitutionsedikt im Großherzogtum Baden und am 25. April 1828 das "Gesetz in Betreff der öffentlichen Verhältnisse der israelitischen Glaubensgenossen" im Königreich Württemberg. Das Gesetz unterschied sich von anderen, etwas dem badischen Gesetz darin, dass das gesamte religiöse Leben in den bisher autonomen jüdischen Gemeinden der Staatsaufsicht eines Konsistoriums unterstellt wurde. Bei der Gleichstellungspolitik in wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht bildete jedoch wie in den meisten Edikten das „erzieherische“ Ziel das Hauptmotiv, Jüdinnen und Juden von einem Teil ihrer bisherigen Erwerbszweige abzubringen. Somit erreichte das Gesetz keineswegs eine volle Gleichstellung und klammerte weiterhin wichtige Fragen der politischen, aber auch der religiösen Emanzipation aus, zum Beispiel die Frage nach der Übernahme von Gemeindeämtern oder nach dem aktiven und passiven Wahlrecht.

Erst am 13. August 1864 erhielt die jüdische Bevölkerung mit dem „Gesetz über die bürgerliche Gleichstellung der Juden im Königreich Württemberg“ schließlich eine weitergehende bürgerliche Gleichberechtigung und 1869 außerdem die Erlaubnis, christliche Mitbürger zu ehelichen. Der jüdischen Bevölkerung in Hohenzollern war diese Aufwertung bereits 1850 nach dem Übergang der beiden Fürstentümer an Preußen vergönnt.

Nunmehr standen der jüdischen Bevölkerung auch politische Ämter offen. So bekleidete etwa 1868 mit dem badischen Finanzminister Moritz Ellstädter erstmals in Deutschland ein jüdischer Mitbürger ein Regierungsamt. Zwei Jahre später trat in Gailingen am Hochrhein der erste jüdische Bürgermeister Deutschlands sein Amt an. Die kurze jüdische Blütephase sollte jedoch schon bald vom rassischen Antisemitismus überschattet und schließlich durch die Barbarei des Nationalsozialismus jäh beendet werden. Weitere Informationen finden Sie im Artikel von Franz-Josef Ziwes zum jüdischen Leben im Südwesten zwischen Autonomie und Obrigkeit. (JH)

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Langholzfloß auf einem Einbindeplatz bei Calw, 1918. Die seitlich liegenden Gestöre werden hinten angehängt, vorn die Lenkung. Quelle Landesmedienzentrum BW
Langholzfloß auf einem Einbindeplatz bei Calw, 1918. Die seitlich liegenden Gestöre werden hinten angehängt, vorn die Lenkung. Quelle Landesmedienzentrum BW

Holz aus den Wäldern des Südwestens stellte spätestens seit dem Mittelalter eine begehrte Handelsware dar. Wichtige Voraussetzung für den Vertrieb waren Flüsse und Bäche mit genügend Wasser, meist die einzige Möglichkeit zum Transport auf längeren Strecken und im Schwarzwald reichlich verfügbar. Die Stämme wurden nach dem Schlagen zunächst einzeln auf den Weg geschickt und dann zu Flößen zusammengebunden. Die Flößerei barg Gefahren, erforderte Geschick und Teamarbeit. Je nach Zielgebiet waren die Besatzungen Tage, Wochen oder Monate unterwegs. Ausdrücke des Flößerhandwerks mit ihren regionalen Varianten geben Aufschluss über das harte aber auch gewinnbringende Gewerbe. Zu den bedeutendsten Flößern des Schwarzwalds zählten die an Kinzig, Schiltach und besonders der Murg, die im Gegensatz zu den Rhein- als Waldschiffer bezeichnet wurden. Die alte Murgschifferschaft war eine Vereinigung von Holzhändlern, Wald- und Sägewerksbesitzern an der mittleren Murg mit Sitz in Gernsbach und Geschäftsbeziehungen bis nach Holland.

Die für den Schwarzwald typischen Gestörflöße wurden aus mehreren Teilen zusammengesetzt, die jeweils aus Holz gleicher Länge und Dicke bestanden. Der süddeutsche Holzhandel verwendete als zentrale Maßeinheit den Klotz. Ein Klotz bezeichnete Stämme bis zu 13 m Länge und durchschnittlich 26 cm Durchmesser. An den Einbindestellen schlugen die Flößer Löcher in die Stammenden. Als Verbundmaterial dienten Wieden, Seile aus jungen schlanken Hölzern, die durch Erhitzen und Wässern die nötige Biegsamkeit erhielten. An den Seiten der Flöße kamen dickere Eckbäume zu liegen, am vorderen Ende eine als Vorholz bezeichnete Spitze mit der Schlenkerung zum Steuern. Beim Einbinden und auf dem Wasser arbeiteten die Flößer im Gespann, meistens paarweise zusammen. Die fertigen Gestörflöße fuhren unter Größenbezeichnungen als Dreier oder Fünfer. Neben den Schiffern als Geschäftseignern durften die Flößerknechte der Kinzig auf eigene Rechnung Katzenflöße betreiben, die aus kleineren Hölzern und Brettern zusammengesetzt waren. Durch die Handelsbeziehungen fanden auch über größere Distanzen hinweg fremdsprachliche Begriffe Eingang in die Arbeitswelt. So nutzten die Kinzigschiffer Anmährpfähle zum Festmachen, eine ans Holländische angelehnte Bezeichnung. In anderen Gegenden, so am Neckar, kam zu diesem Zweck ein Esel zum Einsatz, ein hölzernes Gestell, das auch auf dem Floß mitgeführt werden konnte und hier zum Aufhängen und Befestigen mitgeführter Gegenstände diente.

Auf dem Weg zu den Abnehmern mussten die Flöße Hindernisse wie Stromschnellen oder Wehre passieren. An Mühlen und anderen Bauwerken waren Flößgassen eingerichtet. In den Wehren befand sich ein Floßloch, das mit einer brettartigen Diele, auch Gamber, an der Schiltach als Schnapper bezeichnet, geöffnet werden konnte. Für die Passage war ein festgesetztes Lochgeld zu bezahlen. Wegen des ausgeprägten Gefälles und der starken Strömung der Schwarzwaldgewässer wurden Sperren entwickelt, Bremsvorrichtungen, die an der Kinzig ab dem 17. Jh. zum Einsatz kamen. Sie drückten auf den Boden und verhinderten, dass sich die Gestöre übereinander schoben. Auch in früheren Zeiten entstanden durch Ausbeutung gravierende Schäden, blieben Rücksicht auf Natur und Umwelt zweitrangig. So erhoben sich Proteste, weil die Sperren die Fischbestände vernichten konnten. Das Abholzen der Wälder und die Floßbarmachung von Gewässern sowie das Ablassen der aufgestauten Wassermassen, die Schwallung für die Trift des geschlagenen Holzes, führten zu Erosion und Verödung.

Auf die Fahrt über die wilden Flüsse der Schwarzwaldtäler folgte der Fernhandel auf dem Rhein. Die hier eingesetzten Holländerflöße bewegten sich in gigantischen Dimensionen, besonders in der Blütezeit des Holzhandels ab der zweiten Hälfte des 17. Jh. Das Holländerholz umfasste Stämme von 18 m Länge und einem Durchmesser von ca. 30 cm und wurden an allen großen Rheinhäfen umgeschlagen. Neben dem Schwarzwald als Hauptliefergebiet kam das Holz auch aus anderen Mittelgebirgen, die über Zuflüsse zum Rhein verfügten. Das Hauptstück eines großen Holländerfloßes bestand aus einem unbeweglichen rechteckigen Kern mit einer Länge von bis zu 250 m, auf dem Hütten errichtet wurden, in der Waren und Mannschaft Platz fanden. Die Hütte der Floßherren konnte recht komfortabel ausgestattet sein. Die Besatzung übernachtete in einfacheren Unterkünften auf Stroh. An das Kernteil oder Steifstück schlossen sich bewegliche Knieteile an. Auf großen Flößen arbeiteten 500 Menschen und mehr. Die Flöße mussten durch Muskelkraft auf Kurs gehalten und je nach Wasserstand auch vorwärtsbewegt werden. Mitunter war es nicht möglich, unterwegs zu ankern. Wurde geankert, kamen spezielle Ankerknechte zum Einsatz, die die Ankervorrichtungen auch bei Kurswechseln zu bedienen hatten. Hundanker verhinderten das Abtreiben am Ufer. Die mit dem Floß verbundenen Ankernachen gehörten zu einem Tross mehrerer Beiboote, die das Floß begleiteten. Die Besatzungen verpflegten sich selbst über eine Kochstelle oder Küche. Zum Proviant für die schwer arbeitende Besatzung zählte Bier und lebendes Vieh. Das Verteilen der Mahlzeiten auf den langgestreckten Fahrzeugen erfolgte über hölzerner Zuber, genannt Back, den die Mannschaftseinheiten gemeinsam auslöffelten.

Ab dem 19. Jh. und mit der Industrialisierung veränderte sich die das Flößereigewerbe. Die Murgschifferschaft entwickelte sich zu einem Forstbetrieb auf genossenschaftlicher Basis, der bis heute existiert. Transportschiffe lösten die Flöße auf dem Rhein ab. Die Ära der Rheingiganten endete 1968 mit dem letzten gewerblichen Einsatz eines Holzfloßes.

Zum Weiterlesen:
Hans-Walter Keweloh: Fachwörterbuch der Flößerei. Unter Mitarbeit von Hans Harter, Eberhard Seelig, Martin Spreng sowie weiteren Mitgliedern der Deutschen Flößerei-Vereinigung. Stand: April 2014.

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Herzogin Henriette von Württemberg, Quelle: Haus Württemberg
Herzogin Henriette von Württemberg, Quelle: Das Haus Württemberg. Ein biographisches Lexikon

Über 45 Jahre lebte Herzogin Henriette von Württemberg, die als Tochter des Hauses Nassau-Weilburg am 22. April 1780 in Kirchheimbolanden in der Pfalz geboren wurde, auf Schloss Kirchheim. Die Familie hatte nach schwierigen Jahren in der Stadt an der Teck Zuflucht gefunden. Als Ehemann Ludwig 1817 starb, widmete sich Henriette caritativen Aufgaben, wofür sie von den Einwohnern sehr geschätzt wurde. Hilfe war dringend nötig, fiel doch der Tod des Ehemannes in die Hungerjahre nach Ausbruch des Vulkans Tambora. Ihr Engagement verdeutlicht als eines von vielen Beispielen, mit welchen Maßnahmen den sozialen Erfordernissen in der ersten Hälfte des 19. Jh. begegnet wurde. Bereits 1817 unterstützte Henriette die neu eröffnete Industrieschule für mittellose Kinder und stand ab 1821 dem ebenfalls neu gegründeten Wohlfahrtsverein vor. Zusammen mit der Stadt, der Oberamtei und einem Stiftungsrat wurde 1826 das Waisenhaus Paulinenpflege realisiert, das sich am Vorbild des Stuttgarter Waisenhauses orientierte. Mitbegründerin des Stuttgarter Waisenhauses war Henriettes Tochter Pauline, verheiratet mit König Wilhlem I. von Württemberg. Außerdem entstanden eine Kleinkinderschule und ein nach neuesten Maßstäben konzipiertes Krankenhaus. Henriette galt als geistig rege, sehr gläubige und bescheidene Frau, die den Kontakt zur Bevölkerung nicht scheute. Mit ihrer Initiative zur Gründung einer Freiwilligen Feuerwehr zeigte sie erneut Interesse an Innovationen.

Nicht nur über Pauline war Henriette eng mit dem Stuttgart Königshaus verbunden, wo sie viele Vorbilder für die sozialen Einrichtungen gefunden haben mag. Sie genoss das Vertrauen König Friedrichs I. von Württemberg, einem Bruder ihres Ehemanns. Tiefe Freundschaft bestand auch zu Katharina, der 1819 verstorbenen zweiten Ehefrau König Wilhelms I.

Die Ehe mit Herzog Ludwig von Württemberg war 1797 in Bayreuth geschlossen worden. Der Umgang mit dem autoritären und hoch verschuldeten Ludwig scheint Fingerspitzengefühl erfordert zu haben. Nur mithilfe seines Bruders war dieser 1811 nach mehrmonatiger Inhaftierung durch seine Gläubiger in Warschau freigekommen. Daraufhin erhielt die Familie Schloss Kirchheim als Wohnsitz zugewiesen. Der Verbindung entstammten fünf Kinder, von denen die Töchter und Enkelinnen in verschiedene europäische Herrscherhäuser einheirateten. Henriette starb am 2. Januar 1857 und wurde in der Stuttgarter Stiftskirche beigesetzt. Enkel Franz Paul Ludwig (1837-1900) und seine Schwestern erhielten als erste offiziell den Titel der Fürsten von Teck. Franz war der Vater der späteren Königin Mary, der Großmutter Königin Elisabeths II.

Zum Weiterlesen: Biographisches Lexikon des Hauses Württemberg
Die Seitenlinie der Herzöge von Teck
Henriette, Herzogin von Württemberg-Teck (1780-1857)
Ludwig (Louis), Herzog von Württemberg-Teck (1756-1817)

Schlösser und Gärten: Schloss Kirchheim - Landesfestung und Witwensitz Württembergs

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