Carl Laemmle
von Johanna Hähner und Carmen Anton
Am 17. Januar 1867 wurde Carl Laemmle im oberschwäbischen Laupheim als Sohn eines jüdischen Viehhändlers geboren. Nach Besuch der Lateinschule und einer Lehre als Kaufmann wandert Laemmle am 28. Januar 1884 zusammen mit einem Schulfreund im Alter von 17 Jahren in die USA aus und 16 Tage später erreicht er mit dem Auswandererdampfer „Neckar“ aus Bremerhaven den Hafen von New York. Die Auswanderung vom eher armen, ländlich geprägten Württemberg gen der USA war damals gerade unter jüdischen Bürgern ein Massenphänomen. Viele von Ihnen zog es in „die neue Welt" um dort nach Glück und Wohlstand zu suchen. Das bedeutete allerdings nicht, dass die Auswanderer ihre schwäbisch geprägte Identität damit auch zurückließen. So blieb Carl Laemmle zeitlebens mit seiner Heimat in engem Kontat. Dort trat er auch regelmäßig als Mäzen der jüdischen Gemeinde, aber auch der Ortschaft als solcher auf. Als erfolgreicher Unternehmer subventionierte er öffentliche Einrichtungen wie eine Schule, ein Waisenhaus und ein Schwimmbad. Er besuchte Deutschland und vor allem Württemberg immer wieder für längere Zeitfenster und soll sich noch bis ins hohe Alter in seinem Englisch einen schwäbischen Akzent bewahrt haben. Dass er sich selbst nicht bloß als Jude sondern auch Schwabe verstand trat mehrfach zutage, wenn er in Amerika den Unterschied zwischen seiner eigenen Herkunft und deren Prägung im Kontrast zum preußischen Militarismus erörterte.
Laemmles Leben klingt in jeder Hinsicht filmreif, denn in nur kurzer Zeit gelang ihm der Aufstieg vom Laufburschen für einen Drugstore zum Geschäftsführer einer Textilfirma in Oshkosh (Wisconsin), einer Stadt mit einer großen deutschsprachigen Minderheit. Hier konnte er bis 1906 die nötige Erfahrung in Buchhaltung und Werbetechnik gleichermaßen sammeln, welche ihm später als Prodzuent maßgeblich zum Erfolg verhelfen würden. Mit 39 Jahren machte sich Laemmle schließlich selbstständig. In Chicago gründete er sein erstes eigenes Kino, ein sogenanntes Nickelodeon zu gründen. Das Startkapital für dieses Vorhaben in Höhe von 3.000 Dollar hatte er zuvor angespart. Bald folgte bereits ein zweites Filmhaus. Durch ein schnell wechselndes Programm und vergleichsweise niedrige Preise - der Name „Nickelodeon" leitet sich von den Eintrittspreisen ab, die zumeist einen Nickle pro Person betrugen - versuchte Laemmle mit Erfolg die Massen in seine Säle zu ziehen. Dass seine Häuser sich von der Jahrmarktsästhetik vergleichbarer Angebote bewusst abgrenzten entpuppte sich ebenfalls als erfolgreiche Inszenierungsstrategie. Noch Ende 1906 gründete Lämmle darüber hinaus einen Filmverleih, der bis 1910 zum größten seiner Art in den vereinigten Staaten anwuchs.
Das Geschäft boomte und innerhalb kürzester Zeit gehören ihm 50 Kinos. Später baute er ein eigenes Theater nur für Frauen, damit diese „schicklich“ ins Kino gehen konnten. Bereits zwei Jahre später war Laemmles Firma die größte Film-Verleihfirma der USA.
1910 gründete Laemmle seine erste Filmproduktion, die Independent Motion Picture Company, ehe er 1912 in einem Zusammenschluss mit anderen, vormals selbstständigen Produzenten die noch heute existente Universal nahe Los Angeles ins Leben rief. Ein Jahr später wurde er zum Präsidenten der Produktionsfirma. Diese beschäftigte bereits zu diesem Zeitpunkt etwa 2.000 Mitarbeiter und wuchs rasch in Größe und Bedeutung. 1914 kaufte Lammele in Hollywood die Taylor Ranch im San Fernando Valley und gründete Universal City, ein gigantisches Studio mit Zoo, eigener Polizei und Bürgermeisterin. Durch die Jahrzehnte bis heute wurden Kinohits in dem riesigen Studio mit Vergnügungspark gedreht, etwa „King Kong“, „Psycho“, „Jurassic Parc“ und „Spider Man“.
Zwar handelte es sich bei Universal Studios nicht um das erste Unternehmen seiner Art, jedoch um das am schnellsten expandierende. Deswegen und aufgrund seiner herausragenden persönlichen Stellung im Verlauf dieser Entwicklungen gilt Laemmle auch als Urvater und Schöpfer des fabrikmäßigen Studiobetriebs. Mehr als 10.000 Filme und Serienepsioden entstanden unter seiner Leitung, darunter Meilensteinen der Filmgeschichte. So erhielt beispielsweise der vom ihm produzierte Film „Im Westen nichts Neues“ 1930 einen Oscar. Ganze Genres wie der frühe Western und die Horrorfilme des Klassischen Hollywoods erhielten ihr unverwechselbares und bis heute in Popkultur verankertes Erscheinungsbild in den Schaffensstättens Universals. Verantwortlich für das Monsterdesign dieser Epoche im Speziellen zeichnete der aus Stuttgart stammende Regisseur Paul Leni, wodurch der Einfluss aus Württemberg stammender Filmschaffender auf den frühen amerikanischen Film noch augenfälliger wird.
Als während des Ersten Weltrkiegs der Film zusehends zum Propagandinstrument aller Kriegsparteien wurde, offenbarte Laemmle seine Identifikation mit der neuen Heimat, indem er auch die Produktion amerikanischer Propagandafilme vorantrieb. Dies setzte ihn heftiger Kritik aus dem Deutschen Reich, aber auch aus Württemberg im Speziellen aus.
Als die Importsperren 1921 fielen, wurde Universal auch in Deutschland tätig und zum größten Anbieter US-amerikanischer Filme in der Weimarer Republik.
Dies änderte sich mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten allerdings schlagartig. Ab 1933 wurden Laemmles Produktionen von den Nationalsozialisten als „antideutsch" bezeichnet und verboten, der aus Laupheim stammende Produzent erhielt ein Einreiseverbot nach Deutschland.
Während des Zweiten Weltkriegs unternahm Laemmle viel, um jüdischen Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland zu helfen. Er übernahm von 1936 bis 1939 über 300 Bürgschaften für jüdische Familien aus Laupheim, Nürnberg, Berlin und anderen Städten. Ferner wandte sich Laemmle mit Bittbriefen an andere jüdische Prominenz, um diese dazu zu animieren ebenfalls Bürgschaften aufzunehmen. Als Laemmle 1939 starb, kamen zahlreiche Trauergäste, darunter etliche Filmstars, zu seinem Begräbnis nach Los Angeles.
Literatur
- Bayer, Udo, Carl Laemmle und die Universal. Eine transatlantische Biografie, Würzburg 2013.
Zitierhinweis: Carmen Anton/Johanna Hähner, Carl Laemmle, in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 03.09.2021.