Steinerne Zeugen

Kleindenkmale und Spolien erinnern an die jüdische Bevölkerung an Main und Tauber

von Claudia Wieland

Grabmal des Arnold von Uissigheim in der katholischen Pfarrkirche. Vorlage: LABW, StAWt S-V 10 Fotosammlung, 0013-04-346. Zum Vergrößern bitte klicken.
Grabmal des Arnold von Uissigheim in der katholischen Pfarrkirche. [Quelle: Landesarchiv BW, StAWt S-V 10 Fotosammlung, 0013-04-346]

In den beiden fränkischen Metropolen Würzburg und Rothenburg ob der Tauber gab es bereits im Hochmittelalter bedeutende jüdische Gemeinden, deren Mitglieder wie zum Beispiel Rabbi Meir ben Baruch in der ganzen Aschkenas bekannt waren. Doch auch in den kleinen Landgemeinden an Main und Tauber lebten Juden, wie der älteste Hinweis auf Lieberman de Grunsvelt von 1218 belegt. Phasen friedlicher Koexistenz zwischen Juden und Christen wechselten mit Zeiten intensiver Verfolgung und Ausgrenzung. Nachfolgende Wiederansiedlungen waren meist vom wirtschaftspolitischen Interesse der Territorialherren geleitet. Zeugnisse dieses (Zusammen-)Lebens, das mit dem Holocaust ein grausames Ende fand, gibt es vor allem in archivischen Quellen. Der Kundige trifft jedoch auch vor Ort, in den Städten und Gemeinden, auf Spuren jüdischen Lebens und Leidens, auf steinerne Zeugen einer vergangenen Zeit.

Ein Steindokument, das erst auf den zweiten Blick seine Bedeutung preisgibt, findet sich in der Pfarrkirche in Uissigheim bei Külsheim. In der Innenwand ist ein Epitaph eingemauert, welches einen gefesselten Ritter mit einer kleinen Figur zeigt, die diesem ein Schwert an den Hals hält. Was hat es damit auf sich? Es handelt sich um das Grabmal des Ritters Arnold von Uissigheim, der als König Armleder im Jahr 1336 ein Pogrom an Main und Tauber anführte. Ausgehend von Röttingen überzog er viele fränkische Judengemeinden mit Tod und Verfolgung. Im Gegensatz zu früheren Initiatoren solcher Verfolgungen endete er jedoch vor dem Würzburger Zentgericht in Kitzingen und wurde mit dem Schwert hingerichtet.

Hoffaktor Lammle Seligmann in der Zwergengalerie von Schloss Weikersheim. Vorlage: LABW, StAWt A-60 Nr. 600, Bild 7. Zum Vergrößern bitte klicken.
Hoffaktor Lammle Seligmann in der Zwergengalerie von Schloss Weikersheim. [Quelle: Landesarchiv BW, StAWt A-60 Nr. 600, Bild 7]

Die wirtschaftliche Bedeutung jüdischer Händler und Kaufleute für die Landbevölkerung lässt sich an Architekturzeugnissen in der Regel nicht ablesen. Ein Vertreter, der als Hoffaktor für die Grafen von Hohenlohe-Weikersheim tätig war, ist jedoch als steinernes Abbild verewigt. Lämmle Seligmann wird zusammen mit weiteren Bediensteten des Grafenhauses in der karikaturenhaften Zwergengalerie der Gartenanlage von Schloss Weikersheim dargestellt.

Trotz der teils abseitigen Lage ist ein Friedhof der offensichtlichste Beleg für eine ehemalige jüdische Gemeinde. In Wertheim am Main liegt dieser, wie üblich mit einer Mauer geschützt und abgegrenzt, am Ortsausgang Richtung Würzburg. Über seine Entstehung sind wir gut unterrichtet, existiert doch noch die Urkunde aus dem Jahr 1406 über den Kauf des Areals durch die jüdische Gemeinde. Die Dokumentation der Grabsteine dieses und weiterer jüdischer Friedhöfe sowie die dazugehörigen Fotos finden sich im Staatsarchiv Ludwigsburg.

Türsturz der letzten Wertheimer Synagoge mit hebräischer Stiftungsinschrift. Aufnahme: LABW, Claudia Wieland. Zum Vergrößern bitte klicken.
Türsturz der letzten Wertheimer Synagoge mit hebräischer Stiftungsinschrift. [Quelle: Landesarchiv BW, Claudia Wieland]

Zentrum der jüdischen Gemeinde Wertheim war die damalige Synagoge in unmittelbarer Nähe zum Marktplatz. An ihrer Stelle erhebt sich jedoch seit 1447 eine Marienkapelle, über deren Seiteneingang eine Inschrift vom Schicksal des Gebäudes berichtet. Von der letzten in Wertheim errichteten Synagoge, 1798/99 gebaut und erst 1961 abgerissen, zeugt nur noch ein beschrifteter Türsturz. Dieser ist heute Bestandteil des Gedenkorts für die verfolgten und ermordeten Wertheimer Juden.

Die in Werbach-Wenkheim nach den Zerstörungen im Nationalsozialismus als Gedenk- und Veranstaltungsort durch einen Verein wiederhergerichtete Synagoge bewahrt dagegen die Erinnerung an das jüdische Leben und fordert zur Auseinandersetzung mit Geschichte und Gegenwart christlich-jüdischer Beziehungen auf.

Dieser Artikel wurde ursprünglich in den Archivnachrichten 62 (2021), Seite 14–15 veröffentlicht.

Zitierhinweis: Claudia Wieland, Steinerne Zeugen, in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.02.2023.

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