Bekehrer und Bekehrte
Hohenlohische Gelegenheitsdruckschriften zu jüdischen Konvertitinnen und Konvertiten
von Jan Wiechert
Obgleich Juden und Jüdinnen in der frühneuzeitlichen Grafschaft Hohenlohe eine marginale Minderheit darstellten, die sich nur an wenigen Orten niederlassen durfte, lassen sich rund ein Dutzend Judentaufen nachweisen. Nicht selten handelte es sich um ortsfremde Personen und noch dazu fast immer um junge Männer, die ihren angestammten Glauben zugunsten einer christlichen Konfession aufgaben. Für die Konvertiten stellte der Religionswechsel einen krassen Einschnitt dar, der ihre familiären und sozialen Bande dauerhaft zerschnitt, ihnen aber andererseits die Privilegien der Mehrheitsgesellschaft eröffnete.
Aus lutherischer – und insbesondere geistlicher – Perspektive stellte die Konversion eines Juden oder einer Jüdin einen sichtbaren Triumph der einzig wahren Religion über eine defizitäre Glaubenslehre dar. Die jeweiligen Pfarrer machten oftmals keinen Hehl daraus, dass sie eine Judentaufe als persönlichen Erfolg und Ausweis ihrer missionarischen Fähigkeiten verbuchten, nicht zuletzt, wenn es sich bei ihrem Täufling um einen jüdischen Schriftgelehrten oder Rabbiner handelte.
Als besonderes Zeugnis solcher Konversionsgeschichten haben sich im Hohenlohe-Zentralarchiv in Neuenstein mehrere Gelegenheitsdruckschriften des 18. Jahrhunderts erhalten. Sie beziehen sich mehrheitlich auf die jüdische Gemeinde in Weikersheim. Manche dieser Schriften erwecken den Eindruck, sie stammten aus der Feder des Konvertiten selbst. Das gilt etwa für das Sendschreiben eines Proselyten, Johann Felix, […] welcher vormals als Lehrer bey der Juden-Gemeine in Weickersheim gestanden und vorhin den Namen, Rabbi Seelig Bunzlau geführet […] an seinen noch in der Judenschafft lebenden Vater Benjamin Schimerle zu Bunzlau in Böhmen (Öhringen, 1760).
Was könnte authentischer wirken als die Worte eines ehemaligen Rabbiners, noch dazu eines geläuterten Sohnes, der seinem alten Vater zum wahren Glauben und somit zur Seligkeit verhelfen will? Allerdings verrät schon ein kurzer Blick, dass der Urheber des Büchleins ein profunder Kenner der lutherischen Theologie gewesen sein muss. Es wird sich wohl um den Herausgeber, den Öhringer Stadtpfarrer Johann Christoph Fischer (1680–1762), gehandelt haben.
Ähnlich verhält es sich bei Offentliche Zeugnisse zween jüdischer Schriftgelehrten in der Juden-Schule zu Weickersheim: Daß JEsus der Gecreuzigte der Meßias sey! […] (Hildburghauisen, 1760). Hier gibt sich der Pfarrer Philipp Ernst Kern (1716–1776) unzweideutig als Verfasser zu erkennen. Bei einem der genannten zween Schriftgelehrten handelt es sich abermals um den oben erwähnten Johann Felix. Pfarrer Kern hat dem Büchlein die Bekehrungs-Geschichte einer Jüdin hinzugefügt. Darin schildert er ein Gespräch mit der 20-jährigen Jüdin Esther aus Angeltürn, das zu deren Bekehrung und schließlich zu ihrer feierlichen Taufe am 25. Februar 1759 in der Stadtkirche von Weikersheim führte. Wie bei solchen Gelegenheiten üblich, übernahmen Mitglieder des Hauses Hohenlohe die Taufpatenschaft: Nicht weniger als zehn Gräfinnen fanden sich dazu bereit. Sie ließen sich dann allerdings allesamt durch eine Hofdame vertreten, als Esther das Sakrament der Taufe empfing und den Namen Sophia Carolina Christin erhielt.
Dieser Artikel wurde ursprünglich in den Archivnachrichten 62 (2021), Seite 24 veröffentlicht.
Zitierhinweis: Jan Wiechert, Bekehrer und Bekehrte, in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.02.2023.