Kontrollierte Durchreise

Josel von Rosheim und der Durchzug von Juden durch das Herzogtum Württemberg 1551

von Erwin Frauenknecht

Siegel Josels von Rosheim [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS, A 56 U 15]
Siegel Josels von Rosheim, 1551 [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS, A 56 U 15]

Der aus dem Elsass stammende Josel von Rosheim (um 1478–1554) gilt als der bedeutendste Fürsprecher der Juden im Heiligen Römischen Reich. Als unermüdlicher und geschätzter Unterhändler vermittelte er in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zwischen Juden und Christen. Er intervenierte bei drohenden Vertreibungen seiner jüdischen Glaubensgenossen durch Fürsten oder Städte beim Kaiser oder beim Reichskammergericht, setzte sich für gefangene Juden ein oder organisierte als Anwalt praktische Hilfe, etwa in Form von Geleitbriefen. In den Quellen tritt er häufig als Schtadlan (Fürsprecher) oder als gemeiner Jüdischheit Regierer im deutschen Land hervor. Seine Integrität genoss hohes Ansehen, nicht zuletzt am kaiserlichen Hof.

Mehrere kaiserliche Privilegien gehen auf Josels direkte Intervention zurück: 1544 etwa gelang es ihm, von Kaiser Karl V. ein umfassendes Privileg für einen weitreichenden Bestandsund Geleitschutz der Juden zu erreichen.

1551 fungierte Josel von Rosheim als Vermittler im Herzogtum Württemberg. Konkreter Anlass war das erschwerte Geleit der Juden durch das Herzogtum: Aufgrund von Restriktionen und Verboten war ein Durchzug jüdischer Händler durch Württemberg praktisch seit Jahrzehnten unmöglich gewesen. Darauf machte Josel mit einer Supplik auf dem Augsburger Reichstag 1550/51 aufmerksam. Im Frühjahr 1551 entwickelten sich daraus intensive Verhandlungen mit dem württembergischen Hof. Und im August 1551 wurde zwischen Herzog Christoph (1550–1568) und Josel von Rosheim in namen und von wegen gemainer jüdischhait als ir vollmechtiger anwaldt ein grundsätzliches Abkommen erzielt, das den Juden unter genau bestimmten Bedingungen den Durchzug durch das Herzogtum gestatten sollte. Verknüpft war das herzogliche Zugeständnis mit der Bedingung, dass alle laufenden Verfahren, die Juden mit württembergischen Untertanen vor dem Rottweiler Hofgericht oder dem Reichskammergericht führten, sofort eingestellt werden sollten. Bis ins Detail genau geregelt sind die Konditionen und Tarife für das Geleit.

Besiegelt wurde die Urkunde sowohl von Herzog Christoph als auch von Josel von Rosheim. Dessen Siegel zeigt einen Stierkopf im Schild, darüber die Umschrift Josef in hebräischen Schriftzeichen. Auf der Plica der Urkunde hat Josel zudem einen eigenhändigen Bestätigungsvermerk, ebenfalls in hebräischer Schrift, angebracht: So spricht Josef, Sohn des Herrn Gerschon, Andenken zum Segen, den man nennt […] Josenin (!) Rosheim, gemeiner Juden Regierer, der Ritter […] wie oben geschrieben steht. Die Urkunde sollte nach der Ausstellung am 11. August sofort den württembergischen Amtleuten im Herzogtum publik gemacht werden. Als Druckkostenzuschuss hatte Josel der württembergischen Kanzlei 80 Gulden überlassen, aber die Publikation verzögerte sich, und im September mahnte Josel die Bekanntmachung der Beschlüsse noch einmal an. Trotz dieser anfänglichen Verbreitungsprobleme war die Wirkung des Vertrags enorm. Der Text wurde in Christophs Landesverordnung von 1551 aufgenommen, und die Bestimmungen blieben in der Folge steter Bestandteil der württembergischen Rechtsverordnungen.

Die konsensuale Mitwirkung Josels von Rosheim an der Urkunde wird freilich in den gedruckten Formen nicht mehr sichtbar, hier erscheint die Urkunde stets als alleinige Verfügung des württembergischen Herzogs.

Dieser Artikel wurde ursprünglich in den Archivnachrichten 62 (2021), Seite 16–17 veröffentlicht.

Zitierhinweis: Erwin Frauenknecht, Kontrollierte Durchreise, in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.02.2023.

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