Tauberbischofsheim mit Dittigheim, Hochhausen an der Tauber, Impfingen und Königshofen

Die ehemalige Synagoge in Tauberbischofsheim, 2017. Während der Pogrome im November 1938 wurde die Inneneinrichtung demoliert und zusammen mit Kultgegenständen auf dem Marktplatz verbrannt. Das Gebäude wurde wenige Jahre später an die Gemeinde verkauft und diente als Kriegsgefangenenlager, dann für gewerbliche Zwecke. In den 1950er Jahren kam es über die Jüdische Vermögensverwaltung in private Hände und dient seitdem als Wohnhaus. [Quelle: Wikipedia CC 0]
Die ehemalige Synagoge in Tauberbischofsheim, 2017. Während der Pogrome im November 1938 wurde die Inneneinrichtung demoliert und zusammen mit Kultgegenständen auf dem Marktplatz verbrannt. Das Gebäude wurde wenige Jahre später an die Gemeinde verkauft und diente als Kriegsgefangenenlager, dann für gewerbliche Zwecke. In den 1950er Jahren kam es über die Jüdische Vermögensverwaltung in private Hände und dient seitdem als Wohnhaus. [Quelle: Wikipedia CC 0]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Tauberbischofsheim erhielt zwischen 1265 und 1285 Stadtrecht. Vom 14. Jahrhundert bis 1803 war es kurmainzische Amtsstadt, wurde 1803 bis 1806 fürstlich­-leiningisch und fiel 1806 an Baden.

Juden werden in Tauberbischofsheim urkundlich erstmals 1235 genannt. Zusammen mit den Juden von Lauda sollten sie einen Christen ermordet haben. Acht Opfer der durch diese Blutbeschuldigung ausgelösten Verfolgung sind namentlich bekannt. Sieben von ihnen wurden gefoltert und gerädert, der achte enthauptet. Am dritten Tage nach dem Martyrium wurden ihre Leiber verbrannt. Drei weitere Verfolgungen suchten die Judengemeinde innerhalb eines halben Jahrhunderts schwer heim: 1298 wütete der Ritter Rindfleisch unter den Juden wegen angeblicher Hostienschändung, 1336-38 die Armleder. Die Verfolgung zur Zeit des Schwarzen Todes 1348/49 löschte die Gemeinde vollständig aus. Doch bald entstand unter dem Schutz der judenfreundlich gesinnten Mainzer Erzbischöfe eine neue Judengemeinde, die ununterbrochen bis zur wohl größten Judenverfolgung in unseren Tagen bestand. Doch wenig ist über ihre Geschichte in Erfahrung zu bringen.

Im 17. Jahrhundert nahm die Zahl der Schutzjuden stark zu. 1825 zählte die Stadt 109 Juden, 1834 103, 1865 147, 1875 177, 1884 200, 1900 181, 1925 111und 1933 106. Im Ersten Weltkrieg zählte die jüdische Gemeinde fünf Gefallene: Karl Bloch, Sally Brückheimer, Max Mayer, Ludwig Reiß und Ludwig Scharff. Eine Synagoge wird schon im 18. Jahrhundert erwähnt.

Als Begräbnisplatz diente bis 1875 der Verbandsfriedhof in Külsheim. Danach wurde in Tauberbischofsheim neben dem christlichen ein eigener Judenfriedhof angelegt, da der Külsheimer um diese Zeit für die auswärtigen Gemeinden geschlossen wurde. 1827 wurde die jüdische Gemeinde Tauberbischofsheim dem Rabbinatsbezirk Wertheim zugeteilt. An religiösen und karitativen Vereinen und Stiftungen bestanden eine Chewra Kaddischa, ein Frauenverein, eine Durchwanderer-Unterstützungskasse, die Samuel-Strauß-Stiftung und der Israelitische Kultusfonds.

Am Wirtschaftsleben der Stadt hatten die jüdischen Mitbürger nicht geringen Anteil. 1933 zählte man neben, einem Dutzend Vieh- und Pferdehändler 19 jüdische Geschäfte, darunter 5 Manufakturwarengeschäfte, 2 Schuhgeschäfte, 1 Lederhandlung, 1 Häute-, Fell- und Metzgereibedarfsartikelhandlung, 1 Modewarengeschäft, 1 Porzellangeschäft, 1 Landesprodukten-, Lebensmittel- und Tabakwarengeschäft, 2 Weinhandlungen, 2 Getreidehandlungen, 1 Metzgerei, 1 Zigarrengeschäft, 1 Altwarenhandlung und 1 Bank.

Der 1. April 1933 leitete auch hier den wirtschaftlichen Boykott der jüdischen Geschäfte ein.

1934 erhielten die Juden Marktverbot. Schilder an den Stadteingängen erinnerten die Juden daran, dass sie hier unerwünscht waren. Der jüdische Friedhof war bereits 1931 von unbekannten Tätern geschändet worden. 1935 wurden ein Niederlassungsverbot für Juden und weitere Beschränkungen angeordnet. In der Kristallnacht im November 1938 wurde die Synagoge nicht angezündet, da nichtjüdische Wohnhäuser direkt an sie angebaut waren. Die Thorarollen brachten die Geistlichen des katholischen Schülerkonvikts in Sicherheit. Die Inneneinrichtung wurde zerschlagen und auf dem Marktplatz verbrannt. Am ersten Sonntag nach Kriegsausbruch, dem 3. September 1939, wurden die noch in Tauberbischofsheim wohnenden Juden von SA- und NSKK-Leuten in die Wirtschaft „Zum Badischen Hof" gebracht. Von dort aus wurden die Männer über den Marktplatz in die Bachgasse geführt, wo sie vor der Synagoge auf die Straße knien und den Boden küssen mussten. Anschließend trieb man sie in den in der Nähe vorbeifließenden Bach und befahl ihnen, sich in das Wasser zu legen. Die Männer trugen bei ihrem Marsch ein Plakat mit der Aufschrift: „Wir sind die Kriegshetzer". Bis zum 25. Oktober 1939 wurden die etwa 15 noch vorhandenen jüdischen Familien im jüdischen Gemeindehaus eingesperrt, das sie nicht verlassen durften. Nicht einmal die Fenster durften geöffnet werden. Einer der betroffenen Juden wurde zum „Judenbürgermeister" ernannt und für die Aufrechterhaltung der Ordnung verantwortlich gemacht. Nicht einmal Betten in genügender Zahl gab es in diesem Ghetto. Die freigewordenen Wohnungen belegte man mit Flüchtlingen.

Von den Tauberbischofsheimer Juden fanden 48 vornehmlich in den USA eine sichere Zuflucht.

Eine noch größere Anzahl zog nach Mannheim, Frankfurt am Main und andere Städte um. 9 Juden starben noch zu Hause eines natürlichen Todes. Raphael Bauer wurde am 31. Juli 1938 im KZ Dachau erschossen. Am 22. Oktober 1940 wurden die letzten 22 jüdischen Einwohner nach Gurs deportiert. Nur 4 von ihnen sahen die Freiheit wieder, 6 starben im Lager Gurs, 2 im Lager Noe, und 10 wurden in Auschwitz ermordet. Julius Rothschild, der nach Frankreich ausgewandert war, wurde während der deutschen Besetzung dort verhaftet und starb 1944 im KZ Buchenwald.

Die unzerstörte ehemalige Synagoge der jahrhundertalten Judengemeinde in der Bachstraße dient heute als Wohnhaus.

Der jüdischen Gemeinde Tauberbischofsheim waren im Laufe der Zeit verschiedene kleine jüdische Gemeinschaften als Filialen angegliedert worden.

Dittigheim gehörte vor seinem Anfall an Baden 1803 zum Hochstift Würzburg. Nach dem Dreißigjährigen Krieg siedelten sich dort Juden in wachsender Anzahl an. Die Größe der Gemeinde lässt sich an einem Vorfall von 1745 in etwa abschätzen. Damals wurde sie zu einer Strafe von 12 Reichstalern verurteilt, weil sie durch die Entfaltung eines zu großen Gepränges bei der Einweihung einer neuen Thorarolle öffentliches Ärgernis erregt hatte. 1825 waren mit 87 etwa 8,4 Prozent der 1.034 Einwohner jüdischer Konfession. 1875 waren noch 68 Juden in Dittigheim, das seit 1827 zum Rabbinatsbezirk Wertheim gehörte, ansässig. Mit der Zahl der Einwohner ging auch die Zahl der Juden zurück. 1895 wurden die verbliebenen 3 Juden als Filiale der Gemeinde Tauberbischofsheim zugewiesen. Kurz nach der Jahrhundertwende verschwanden die letzten Juden aus Dittigheim. Ohne formelle Auflösung erstarb das Leben der einstmals blühenden Gemeinde.

Das Dorf Hochhausen an der Tauber war bis 1803 kurmainzisch. 1803-06 gehörte es zum Fürstentum Leiningen und fiel 1806 an Baden. Die ehemalige jüdische Gemeinde Hochhausen dürfte nach dem Dreißigjährigen Krieg entstanden sein. In der Mitte des 19. Jahrhunderts erlebte sie ihre Blütezeit. Sie besaß bereits 1770 eine eigene Synagoge. Als auf dem Verbandsfriedhof in Külsheim keine auswärtigen Juden mehr beerdigt werden durften, legte sie 1875 einen eigenen Friedhof an. 1827 wurde die Gemeinde dem Rabbinatsbezirk Wertheim zugeteilt. 1825 zählte sie 53 Mitglieder. Bis 1875 hatte sich ihre Zahl mit 103 nahezu verdoppelt. Doch schon bis zum Jahre 1900 schmolz sie auf 33 zusammen. Im Juni 1913 wurde die israelitische Kultgemeinde Hochhausen aufgelöst, da nur noch zwei Familienoberhäupter vorhanden waren. Die Synagoge wurde 1914 auf Abbruch verkauft. Die wenigen Juden besuchten fortan den Gottesdienst in Tauberbischofsheim. 1925 lebten drei und 1933 nur noch zwei Juden in Hochhausen. Die damals 87jährige Viehhändlerswitwe Frieda Rosenstock betrieb mit ihrer Tochter Sophie einen kleinen Kolonialwarenladen. Nach dem Tod ihrer Mutter, die unter Anteilnahme der ganzen Einwohnerschaft als letzte Jüdin auf dem israelitischen Friedhof beerdigt wurde, zog die Tochter 1934 nach Frankfurt am Main. Die dreißig Gräber auf dem jüdischen Friedhof sind die einzigen Überreste der Judengemeinde Hochhausen.

In dem wie Dittigheim ehemals bischöflich-würzburgischen lmpfingen ließen sich im 18. Jahrhundert Juden nieder. Die kleine Gemeinde, die seit 1827 zum Rabbinatsbezirk Wertheim gehörte, erreichte 1875 mit 41 Seelen ihre größte Mitgliederzahl. 1900 waren es noch 18, 1910 noch 14 Juden. Als die Zahl weiter durch die Abwanderung der jungen Generation abnahm, wurde die Gemeinde am 19. Juni 1913 aufgelöst, die verbliebenen Mitglieder zusammen mit denen der ebenfalls aufgelösten Gemeinde Hochhausen dem benachbarten Tauberbischofsheim als Filiale zugewiesen. Die Synagoge in Impfingen wurde 1919 verkauft und später zu einem Wohnhaus umgebaut, das heute noch bewohnt wird. 1933 lebten nur noch drei hochbetagte Jüdinnen in Impfingen. Ida Ehrlich, die als angesehene Geschäftsfrau ein Kolonialwarengeschäft betrieb, starb 1936. Sophie Heumann starb im Altersheim in Gailingen. Henriette Heimann wurde nach Gurs deportiert. Ihr weiteres Schicksal ist unbekannt.

Königshofen wurde 1418 von Mainz gekauft, später mehrfach verpfändet und von 1730 bis zum Anfall an das neue Fürstentum Leiningen 1803 direkt durch die Regierung von Kurmainz verwaltet. 1806 fiel es an Baden.

Juden ließen sich hier nach dem Dreißigjährigen Krieg nieder. Der Königshofener Septembermarkt war der blühendste Markt im Taubergrund. Das mag bei der Niederlassung eine Rolle gespielt haben. 1770 hatte die kleine Gemeinde bereits eine Synagoge. 1827 wurde sie dem Rabbinatsbezirk Wertheim zugeteilt.

Sie hatte 1825 61, 1875 30 und 1900 15 Seelen. Da die jüdische Gemeinde sich als nicht lebensfähig erwies, wurde sie am 31. März 1906 aufgelöst, die wenigen verbliebenen Juden der Gemeinde Tauberbischofsheim als Filiale zugewiesen. Die letzte jüdische Einwohnerin zog 1938 nach Gailingen und wurde von dort aus nach Gurs deportiert. Sie konnte 1941 in die Dominikanische Republik auswandern.

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Tauberbischofsheim, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

Tauberbischofsheim

  • Braun, Joachim, Nationalsozialistische Machtübernahme und Herrschaft im badischen Amtsbezirk/Landkreis Tauberbischofsheim, (Veröffentlichungen des Historischen Vereins Wertheim), hg. vom Historischen Verein Wertheim in Verbindung mit dem Staatsarchiv Wertheim, Bd. 8, Wertheim 2014, S. 146-166.
  • Germania Judaica Bd.3, 2. Teilband, hg. von Arye Maimon/Mordechai Breuer/Yacov Guggenheim, Tübingen 1995, S. 1450-1453.
  • Gehrig, Franz/Müller, Hermann, Die Juden von Tauberbischofsheim, in: Tauberbischofsheim. Beiträge zur Stadtchronik, S. 285-297.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Müller, Bernhard, Juden und Judenpolitik in Tauberbischofsheim von 1933 bis 1945. Wissenschaftliche Arbeit zur Prüfung für das Lehramt an Gymnasien, Univ. Heidelberg 1980.
  • Von Tauberbischofsheim nach Jerusalem. Das Schicksal einer Jüdin aus Tauberbischofsheim. Die Biografie von Chana Sass, Tauberbischofsheim 2013.
  • Wegverbracht. Das Schicksal der Tauberbischofsheimer Juden 1933-1945. Eine Dokumentation, hg. von Projektgruppe Mahnmal, Tauberbischofsheim 2009.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986.

Dittigheim

  • Die Juden in Dittigheim, in: Elmar Weiß: Dittigheim. Geschichte einer alten Siedlung im Taubertal. Hg. von der Interessengemeinschaft Heimatbuch Dittigheim. Tauberbischofsheim 1987. S. 326-346.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.

Hochhausen

  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Schramm, Werner, Der jüdische Friedhof in Hochhausen, o.O. 2008.

Impfingen

  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 354.

Königshofen

  • Braun, Joachim, Geschichte der jüdischen Gemeinde Königshofen, in: Hugo Ott: Geschichte von Königshofen an der Tauber, hg. von der Stadt Lauda-Königshofen, 1992, S. 248-268.
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