Künzelsau-Nagelsberg
Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Paul Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 18), Stuttgart 1966.
Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1966. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.
Das im Anschluss an eine Burgsiedlung entstandene Dorf Nagelsberg, das seit 1937 in die Stadt Künzelsau eingemeindet ist, war seit 1492 ganz im Besitz des Erzstifts Mainz, das hier einen Amtmann hatte. Mainz hat möglicherweise schon vor dem Dreißigjährigen Krieg Juden in dem Ort aufgenommen, der durch seine Lage mitten im hohenlohischen Gebiet für den von ihnen betriebenen Handel sehr günstig war. Nach dem 1932 veröffentlichten Werk „Jüdische Gotteshäuser und Friedhöfe in Württemberg" bestand seit 1656 eine jüdische Gemeinde, die 1781 eine Synagoge, das spätere „Gasthaus zum Adler", erbaute. Ihre Toten begruben die Nagelsberger Juden stets in Berlichingen. Als Nagelsberg 1803 durch den Regensburger Reichsdeputationshauptschluss an die Hohenlohe kam und sich Fürst Friedrich Ludwig von Hohenlohe-Ingelfingen huldigen ließ, hob er den bisherigen hohenlohischen Judenzoll auf und verkaufte das mainzische, aus der Renaissance stammende Schloss an einige Judenfamilien, die wohl schon vorher dort gewohnt hatten. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bildeten die jüdischen Einwohner einen beträchtlichen Prozentsatz der Ortsbevölkerung. Nach 1850 aber nahm die Seelenzahl der israelitischen Gemeinde vornehmlich durch Abwanderungen nach Künzelsau rasch ab. 1907 wurde die Synagoge geschlossen, die Gemeinde aufgelöst. Die Juden lebten bis herein ins 19. Jahrhundert als Händler in wenig günstigen Vermögensverhältnissen.
1824 waren in Nagelsberg 112 Juden ansässig, 1831 142, 1843 158, 1854 167, 1869 122, 1886 55, 1900 15, 1910 5 und 1924 4. Während des Zweiten Weltkriegs wurden die beiden letzten jüdischen Bürger, Frieda und Meta Schlachter, deportiert und ermordet.
In dieser Studie nachgewiesene Literatur
- Beschreibung des Oberamts Künzelsau (1883).
- Bild von der Synagoge, in: Jüdische Gotteshäuser und Friedhöfe (1932), S. 107.
- Dürr, Günther, Das Schicksal der Juden in Stadt und Kreis Künzelsau, in: Hohenloher Chronik 11. Jg. Nr. 1, 11. Januar 1964.
Zitierhinweis: Sauer, Paul, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern, Stuttgart 1966, Beitrag zu Künzelsau-Nagelsberg, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.11.2022
Lektüretipps für die weitere Recherche
- Bamberger, Naftali Bar-Giora, Die jüdischen Friedhöfe im Hohenlohekreis, Künzelsau 2002.
- Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
- Lung, Hubert, Der Brand des Nagelsberger Schlosses 1843.
- Lung, Hubert, Die Juden in Nagelsberg, in: Künzelsauer Heimatbuch, Bd. 2, hg. von Jürgen Hermann Rauser, 1983, S. 512-518.