Der Erste Mai in Heilbronn
Von Felix Teuchert
Der 1. Mai, der bis heute als „Tag der Arbeit“ gefeiert wird, hat eine wechselvolle Geschichte. Am 1. Mai 1886 hatte die nordamerikanische Arbeiterbewegung zu Streiks und Demonstrationen aufgerufen, um den 8-Stunden-Tag durchzusetzen. Auf dem Haymarket in Chicago eskalierten die Auseinandersetzungen, die Polizei löste die Streiks gewaltsam auf und es gab Verletzte und Tote. Im Gedenken an die Opfer des „Haymarket“ rief die „Zweite Internationale“, die auf dem Internationalen Sozialistenkongress 1889 in Paris gegründet worden war, den 1. Mai zum „Kampftag der Arbeit“ aus. Seitdem war der 1. Mai der Feier- und Gedenktag der sozialistischen Arbeiterbewegung. An den Demonstrationen am 1. Mai 1890 nahmen allein im Deutschen Reich 100 000 Arbeiter teil, obwohl die Demonstrationen vielerorts verboten wurden. Dass der 1. Mai in Deutschland ein gesetzlicher Feiertag wurde und blieb, war jedoch paradoxerweise das Ergebnis der nationalsozialistischen Politik, die den Feiertag im April 1933 einführte. Die SPD hatte sich 1919 mit der Forderung eines gesetzlichen Feiertags am 1. Mai gegen die konservative und kommunistische Opposition nicht durchsetzen können. Dabei widersprachen sich die Intentionen der NSDAP, die sich als „Arbeiterpartei“ und „national-sozialistisch“ inszenierte und die um die Arbeiterschaft buhlte, und die der linken Arbeiterbewegung fundamental. Statt eines internationalen Gedenk- und Protesttags sollte mit dem nationalsozialistischen 1.-Mai-Gesetz ein „Tag der nationalen Arbeit“ zelebriert werden. In diesem Filmausschnitt ist die nationalsozialistische Vereinnahmung des 1. Mai deutlich zu erkennen: Eine überdimensionierte Hakenkreuzbeflaggung bildet die Kulisse für den Umzug durch die Heilbronner Altstadt. Nur einen Tag nach dieser Machtdemonstration am 1. Mai 1933 – Propagandaminister Joseph Goebbels sprach von einer „grandiosen Demonstration deutschen Volkswillens“ – gingen die Nationalsozialisten zum Angriff über. SA und SS stürmten die Gewerkschaftshäuser, die Interessenvertretungen der Arbeiter wurden gleichgeschaltet und die Gewerkschaftssekretäre in „Schutzhaft“ genommen, d.h. in Konzentrationslagern inhaftiert. Dies war ein lang vorbereiteter, koordinierter Schlag, der in ganz Deutschland gleichzeitig stattfand – so auch in Heilbronn. Die nationalsozialistische Vereinnahmung des Feiertags hielt allerdings weder die DDR noch die BRD davon ab, am 1. Mai als Feiertag festzuhalten – in der BRD als „Tag der Arbeit“, in der DDR als „Internationaler Kampf- und Feiertag der Werktätigen für Frieden und Sozialismus“. Bis heute halten die Gewerkschaften und linken Parteien traditionell Kundgebungen und Demonstrationen an diesem Tag ab. Viele Menschen genießen heute einfach einen zusätzlichen freien Tag, ohne damit etwas Spezifisches zu verbinden.
Literatur
- Schrenk, Christhard, Heilbronn um 1933. Eine Stadt kommt unter das Hakenkreuz, in: Schrenk, Christhard/Wanner, Peter (Hg.), Heilbronnica 5. Beiträge zur Stadt- und Regionalgeschichte, Heilbronn 2013 (Im Internet auf der Seite des Stadtarchivs Heilbronn verfügbar: https://stadtarchiv.heilbronn.de/publikationen/online-publikationen/heilbronnica-5.html (aufgerufen am 09.11.2020).
- Schuster, Dieter, Zur Geschichte des 1. Mai in Deutschland, Düsseldorf 1991.
Zitierhinweis: Felix Teuchert, Erster Mai in Heilbronn, in: Alltagskultur im Südwesten, URL: [...], Stand: 09.11.2020