Alemannisch
Von Rudolf Bühler
Zum „Alemannischen“ in Baden-Württemberg zählt man die Mundarten, die im Südwesten unseres Bundeslandes gesprochen werden. Ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich westlich des Schwarzwaldkamms entlang des Oberrheingrabens, über den Südschwarzwald und den Hochrhein bis an den Bodensee. Auch für das Alemannische eignen sich lautliche Phänomene, um diesen Mundartraum zum einen als ganzen vom benachbarten Fränkischen und Schwäbischen nach außen abzugrenzen, zum anderen, um ihn innerhalb seines Geltungsbereichs in weitere Gebiete zu unterteilen.
Wörter wie Eis, Haus, Maus, Mäuse und Feuer, die im Mittelalter mit einem langen ii, uu bzw. üü gesprochen (und geschrieben) wurden, haben ihre Lautung kaum verändert und werden daher im Alemannischen heute noch meist als IIs, Huus/Hüüs, Muus/Müüs, Miis und Fiir/Füür ausgesprochen. Eine Gemeinsamkeit, welche die meisten Sprecher alemannischer Mundarten kennzeichnet, ist die Aussprache des Abschiedsgrußes Adieu, der heute noch in weiten Teilen Baden-Württembergs verbreitet ist. An Oberrhein, Hochrhein, im Südschwarzwald und am Bodensee wird dieses Wort meist auf der ersten Silbe betont: Ádee, Ádje und Ádjö sind dabei die häufigsten Aussprachevarianten.
Betrachtet man die einzelnen Teilgebiete des Alemannischen, so lassen sich drei Sprachräume durch vorwiegend lautliche, aber auch grammatische und lexikalische Kriterien voneinander trennen. Das Oberrheinalemannische wird westlich durch den Oberrhein von den alemannischen Mundarten im Elsass und östlich durch den Schwarzwaldkamm vom Schwäbischen abgegrenzt. Bei Schramberg trifft es auf das Bodenseealemannische, das sich entlang der schwäbisch-alemannischen Grenze bis zum östlichen Bodensee erstreckt. Südlich dieser beiden Teilgebiete des Alemannischen befindet sich das Hochalemannische, das mit seiner Begrenzung im Süden durch den Hochrhein an die alemannischen Mundarten in der Schweiz anschließt. Typisch für die Lautungen am Hochrhein sind Rundungen der Vokale in Wörtern wie Apfel oder Feuer, die hier als Öpfel oder Füür ausgesprochen werden. Die Verschiebung des K- am Wortanfang wie in Kind oder Kühe zum ach-Laut (Typ Chind, Chüe) ist ebenfalls ein prägendes Merkmal des Hochalemannischen und reicht am Oberrhein bis an Freiburg heran.
Das Bodenseealemannische hat die Lautung des mittelalterlichen ou in Wörtern wie glauben bewahrt, das hier als gloube ausgesprochen wird. Die Würste, die in den Dialekten im Süden Baden-Württembergs meist lang als Wiirscht, Wüürscht oder Wiischt gesprochen werden, haben im Bodenseealemannischen eine kurze Lautung: Wirscht, Werscht. Die kurze Aussprache findet sich auch in Verbformen wieder, wie der Grundform von haben und dem Partizip Perfekt von sein: gewesen. Während hierfür im Hoch- und Oberrheinalemannischen lange Formen wie haa, håå, hoo und gsii, im Schwäbischen Formen mit Doppellaut hao, håo, hão und gsai verbreitet sind, gelten am Bodensee kurze ha, hå und gsi. Als Abgrenzung zum Oberrheinalemannischen eignet sich die Lautung von Wörtern wie breit oder heiß, die auch schon im Mittelalter mit ei ausgesprochen wurden. Während westlich des Schwarzwaldes die Aussprache ai gilt, heißt es östlich dieser Grenze broat und hoaß.
Das Oberrheinalemannische lässt sich nach Norden hin zu seinen (süd)fränkischen Nachbarn durch die Aussprache des alten Lautes uo wie in Stuhl abtrennen. In den Mundarten in Nordbaden wird dafür ein langes uu wie im Schriftdeutschen gesprochen. Südlich von Baden-Baden gilt ein Doppellaut und es heißt Stuahl. Diese Lautung gilt entlang des Oberrheins jedoch nicht überall. Sie wird von jenseits des Rhein aus dem Elsässischen unterbrochen und durch eine gerundete Aussprachevariante ersetzt: Stüahl. Auch Wörter wie Haus und glauben, deren Lautungen sich aus mittelalterlichem uu bzw. ou entwickelt haben, werden hier als Hüüs und gloibe ausgesprochen. Auch die besonders offene Realisierung von alten e-Lauten in Brett, Feder, Fenster oder Rechen als Bratt, Faader, Fanschter oder Rache ist in den Orten am Oberrhein zwischen Baden-Baden und Lörrach immer wieder zu hören.
Zitierhinweis: Rudolf Bühler, Alemannisch, in: Alltagskultur im Südwesten, URL: […], Stand: 08.08.2020