Grünsfeld

Bereich der frühneuzeitlichen Judengasse, heute Treppengasse, auf der Badischen Gemarkungskarte (1930). Links am Eingang zur Rieneckstraße befand sich das 1931 abgebrannte Haus mit dem Betsaal. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK H-1 Nr. 609]
Bereich der frühneuzeitlichen Judengasse, heute Treppengasse, auf der Badischen Gemarkungskarte (1930). Links am Eingang zur Rieneckstraße befand sich das 1931 abgebrannte Haus mit dem Betsaal. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK H-1 Nr. 609]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Die Grafen von Rieneck erbten 1213 die Herrschaft Grünsfeld von den Edelherren von Zimmern. Die Tochter des letzten Rieneckers heiratete den Landgrafen von Leuchtenberg und trug ihr Erbe dem Bischof von Würzburg 1502 als Lehen auf. Nach dem Aussterben der Leuchtenberger zog der Bischof die Herrschaft mit dem um 1320 zur Stadt erhobenen Hauptort als erledigtes Lehen ein. Das bischöfliche Amt Grünsfeld fiel 1803 an Leiningen, 1804 an den Fürsten von Salm-Krautheim und wurde 1838 von Baden käuflich erworben, unter dessen Landeshoheit es 1806 gekommen war.

Schon 1218 schloss der Jude Süßkind einen Kaufvertrag mit den Prokuratoren des St.-Egidius- und Dietrichhospitals in Würzburg, bei dem der Jude Liebermann von Grünsfeld als Zeuge unterzeichnete. 1298 fiel die jüdische Gemeinde den Verfolgungen des Ritters Rindfleisch zum Opfer. Dann schweigen die Quellen für mehrere hundert Jahre. Im 16. Jahrhundert hatten sich wieder Juden in der Stadt niedergelassen. Sie besaßen eine eigene Synagoge. 1576 bat die Bürgerschaft ihren Herrn, den Landgrafen von Leuchtenberg, den Juden das Wohnrecht in Grünsfeld aufzukündigen und keinen mehr in den Schutz aufzunehmen. Sie verpflichtete sich, den Ausfall des Judenschutzgeldes durch eine Zahlung von 20 Gulden jährlich zu ersetzen. Die Juden wurden daraufhin ausgewiesen und fanden in den zahlreichen ritterschaftlichen Orten im Bistum Würzburg eine neue Heimat.

Pläne mit Außenansicht zum Umbau der Synagoge in Grünsfeld, 1893. Das Gebäude brannte 1931 ab. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK 380 Bezirksamt Tauberbischofsheim 4079]
Pläne mit Außenansicht zum Umbau der Synagoge in Grünsfeld, 1893. Das Gebäude brannte 1931 ab. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK 380 Bezirksamt Tauberbischofsheim 4079]

Die Vertreibung war aber nicht endgültig. 1775 finden wir wieder 7 jüdische Haushaltungen in der Stadt, 1825 37 Juden. 1875 war mit 59 Seelen der Höhepunkt der Entwicklung der Gemeinde, die seit 1827 zum Rabbinatsbezirk Wertheim gehörte, überschritten. 1900 zählte sie noch 55, 1925 nur noch 28 Mitglieder. Die Synagoge in der Leopoldstraße fiel 1931 einem Brand zum Opfer. Der beabsichtigte Neubau kam bis zur Auflösung der jüdischen Gemeinde am 7. März 1938 nicht mehr zur Ausführung. Einen jüdischen Friedhof gab es in Grünsfeld nicht. Die Toten wurden jenseits der Landesgrenze auf dem Gottesacker in Allersheim im bayerischen Kreis Ochsenfurth beigesetzt.

Zur Zeit der Machtergreifung Hitlers lebten 33 Juden in Grünsfeld. Sie ernährten sich zum größten Teil vom Viehhandel. Außerdem gab es ein Manufakturwarengeschäft.

Pläne mit Längsschnitt zum Umbau der Synagoge in Grünsfeld, 1893. Das Gebäude brannte 1931 ab. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK 380 Bezirksamt Tauberbischofsheim 4079]
Pläne mit Längsschnitt zum Umbau der Synagoge in Grünsfeld, 1893. Das Gebäude brannte 1931 ab. [Quelle: Landesarchiv BW, GLAK 380 Bezirksamt Tauberbischofsheim 4079]

Bis zum Beginn der Deportation zogen noch zwei Juden zu. Von diesen 35 Personen starben 5 zum Teil in hohem Alter in der Heimat. 15 wanderten nach Frankreich, Paraguay, Palästina und den USA aus. 7 Grünsfelder Juden wurden nach Gurs deportiert. Von ihnen konnte nur ein Schüler sein Leben retten. Die restlichen 8 Juden ereilte das Schicksal nicht in ihrem Heimatort. Nur einem von ihnen gelang die Auswanderung nach den USA. „Letztes Lebenszeichen Mai 1942 Bahnhof Stuttgart. Für tot erklärt auf 31. Mai 1942. Ort: KZ im Osten" - so schließt der Fragebogen der in Izbica umgekommenen Rosa Schwab. Babette Rosenbaum wurde 1942 aus Mannheim nach Theresienstadt, von dort nach Maly Trostinec verschleppt und ermordet.

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Grünsfeld, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

 

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Weiß, Elmar, Geschichte der Stadt Grünsfeld, 1981, S. 553-581.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986.
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