Hemsbach

Die ehemalige Synagoge in Hemsbach. Das Gebäude wurde während der Pogrome im November 1938 schwer beschädigt und danach für verschiedene Zwecke genutzt. Die restaurierte Anlage ist seit 1987 Kulturzentrum und Gedenkstätte. [Quelle: Landeszentrale für politische Bildung BW - Gedenkstätten]
Die ehemalige Synagoge in Hemsbach. Das Gebäude wurde während der Pogrome im November 1938 schwer beschädigt und danach für verschiedene Zwecke genutzt. Die restaurierte Anlage ist seit 1987 Kulturzentrum und Gedenkstätte. [Quelle: Landeszentrale für politische Bildung BW - Gedenkstätten]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

1449 verpfändete Pfalzgraf Otto I. von Mosbach Hemsbach an den Bischof von Worms. 1485 ging das Amt Hemsbach ganz in Wormser Besitz über. Nur der Zoll an der Bergstraße und die Centhoheit verblieben der Kurpfalz. 1705 kam Hemsbach im Ladenburger Ausgleich wieder an die Kurpfalz zurück und fiel mit dieser 1803 an Baden.

Zu einer dauernden Judenniederlassung in Hemsbach kam es erst im 16. Jahrhundert. Aus dieser frühen Zeit stammt der jüdische Verbandsfriedhof bei Hemsbach. Als Jahr seiner Errichtung wird 1578 angegeben. Er liegt weit außerhalb der Ortschaft in einer bewaldeten Schlucht. Auf dem ausgedehnten Vorgelände, das ein Bach durcheilt, stehen vereinzelte uralte Grabsteine. Das eigentliche Gräberfeld mit ungefähr tausend Gräbern ist am Hang gelegen. - Nur wenig ist aus dem Leben der wenigen Familien bekannt. Mit den Metzgern in Weinheim kam es häufig zu Differenzen, da die Hemsbacher Judenmetzger im Nachbarort Fleisch billiger verkauften als die einheimischen Metzger. Den Weinheimer Bürgern wurde deshalb auf Beschwerde ihrer eingesessenen Metzger 1682, 1683 und 1684 wiederholt verboten, bei den Juden von Hemsbach Fleisch zu kaufen.

Im 18. Jahrhundert lebten in Hemsbach neun bis zehn Judenfamilien. Im 19. Jahrhundert stieg die Zahl der Gemeindemitglieder zunächst an: 1825 61, 1875 111, 1900 101. Durch Geburtenrückgang und Auswanderung fiel sie nach dem Ersten Weltkrieg bis 1925 auf 86, bis 1933 auf 54. Moritz Dokow, Siegmund Oppenheimer, Siegmund Pfälzer und Julius Simon fielen im Kriege 1914-18. Ihre Namen sind auf dem Hemsbacher Kriegerdenkmal eingemeißelt.

Die Juden besaßen eine Synagoge in der Mittelgasse, ihr gegenüber ein rituelles Bad und im 19. Jahrhundert auch eine eigene Volksschule. Seit 1827 gehörte die jüdische Gemeinde zum Rabbinatsbezirk Heidelberg. Ein Frauenverein und ein Männerkrankenverein hatten sich die Wohlfahrtspflege im Dorf zur Aufgabe gemacht.

Um 1933 war das bedeutendste jüdische Unternehmen die Zigarrenfabrik Moses Pfälzer & Co. mit 100-150 Beschäftigten. Die Firma Pfälzer & Plaut betrieb einen Großhandel mit Landesprodukten. In jüdischer Hand waren ferner ein Gemischtwaren-, ein Kurzwaren- und ein Manufakturwarengeschäft. Julius Ottenheimer hatte ein Geschäft mit Schreinereibedarfsartikeln. Moses Simon, der Gastwirt „Zum Hirsch", betrieb gleichzeitig ein Porzellanwarengeschäft. Louis Oppenheimer führte eine koschere Metzgerei. Die übrigen Juden lebten vom Vieh- oder ambulanten Stoffhandel. Unter den Stoffhändlern genoss Cäsar Oppenheimer besonderes Ansehen. Um die Jahrhundertwende galt er als der reichste Mann in Hemsbach. Er half vielen Nichtjuden finanziell, ohne hypothekarische Sicherheit dafür zu verlangen. Durch den Ersten Weltkrieg und die Inflation zerrann sein Vermögen. Er ließ sich dadurch nicht beirren und arbeitete bis in sein hohes Alter als Stoffhändler. Bei der Bevölkerung war der gütige und hilfsbereite Mann sehr beliebt. Ihr heftiger Protest konnte trotzdem nicht verhindern, dass der 91jährige nach Gurs deportiert wurde, wo er schon am 3. Dezember 1940 den schweren Strapazen erlag.

Unter den Nationalsozialisten hatte Josef Oppenheimer viel zu leiden. Er wurde zwischen 1933 und 1940 mehrmals misshandelt. Nach der Deportation starb er im Lager Recebedou in Südfrankreich. Ab 1935 ging das Geschäftsleben infolge des Boykotts immer mehr zurück. 1938 wurde die Zigarrenfabrik Pfälzer & Co „arisiert". Am 10. November 1938 brachten auswärtige SA-Leute in der Synagoge eine Sprengladung zur Explosion, wodurch die Decke heruntergerissen wurde. Anschließend demolierten sie verschiedene jüdische Wohnungen. Bis 1939 hatten sich die wohlhabenderen Juden und die jugendlichen im Ausland, vorwiegend in den USA, in Sicherheit gebracht. Die zurückgebliebenen Armen und größtenteils Alten gerieten in immer größere wirtschaftliche Not. Doch fehlte es auch nicht an wohlgesinnten Bürgern, die ihnen Lebensmittel zukommen ließen. Am 22. Oktober 1940 wurden die letzten 19 Juden aus Hemsbach nach Gurs deportiert. Davon starben in südfranzösischen Lagern 3 Personen. Mindestens 5 fanden den Tod in den Gaskammern von Auschwitz. 4 Personen wurden aus dem Lager entlassen.

In Hemsbach leben heute keine Juden mehr. Die ehemalige Synagoge wird als Wohnung und Werkstatt benutzt. Eine hebräische Inschrift über ihrem Eingang und die Grabsteine auf dem eindrucksvollen Friedhof am oberen Mühlweg halten die Erinnerung an die jüdische Gemeinde wach.

In dieser Studie nachgewiesene Literatur

  • Maurer, Camill, Geschichte der Gemeinde Hemsbach an der Bergstraße, 1930. 
  • Zinkgräf, Karl, Bilder aus der Geschichte der Stadt Weinheim. 1682-1693. Nach den Weinheimer Ratsprotokollen, 1904.

Ergänzung 2023:

1981 ging das Gebäude der ehemaligen Synagoge wieder in den Besitz der Stadt über und wurde unter Beteiligung des 1984 gegründeten Förderverein Ehemalige Synagoge in Hemsbach e.V. wieder hergerichtet. Seit 1987 wird die Ehemalige Synagoge für kulturelle Veranstaltungen genutzt und dient dem Andenken der ehemaligen Gemeinde.

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Hemsbach, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • „Der Vorzeit Tage gedenke“. Geschichte der Juden in Hemsbach und an der mittleren Bergstraße, 1995.
  • Die Hemsbacher Synagoge. 1988 – 150 Jahre Synagoge – 1200 Jahre Hemsbach.
  • Die Hemsbacher Synagoge. Sonderdruck aus dem „Hemsbacher Stadt-Anzeiger“ - Heimatbeilage „Die Dorfheimat“, hg. von Edwin H. Höhn, Hemsbach 1988.
  • Die israelitische Gemeinde bis 1940, in: Hemsbach an der Bergstraße im Wandel der Zeit, hg. Julius Friedrich Kastner, Hemsbach 1980, S. 434-462.
  • Hahn, Joachim, Synagogen in Baden-Württemberg, 1987, S. 79ff.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Hößler, Harald, Juden in Hemsbach von 1660-1933, Zulassungsarbeit PH Heidelberg, 1984.
  • Huth, Hans, Die Kunstdenkmäler des Landkreises Mannheim, in: Die Kunstdenkmäler Badens X,3 (1967) S.66 und 74.
  • Kienle, Renate, Das ehemalige jüdische Gemeindezentrum in Hemsbach, Rhein-Neckar-Kreis, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg (I/1983), S. 8-12.
  • Richter, Margret und Schülergruppe der Friedrich-Schiller-Hauptschule Hemsbach, Dokumentation „Spuren - Erinnerungen – unsere Nachbarn jüdischen Glaubens“, 1984.
  • Württemberg - Hohenzollern – Baden (Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust), hg. von Joseph Walk, Yad Vashem/Jerusalem 1986, S. 323-325.
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