Kleinkinderheim St. Josef Baindt

von Ewald Graf

 

Kinderheim Baindt Kindergruppe 1952: Säuglinge und Vorschulkinder betreute das Kloster Heiligenbronn in seinem Kleinkinderheim St. Josef in Baindt mit Säuglingsstation, Wohngruppen und Kindergarten. [Quelle: Archiv Stiftung St. Franziskus]. Aus rechtlichen Gründen wurden die Gesichtszüge der abgebildeten Personen anonymisiert. Zum Vergrößern bitte klicken.
Kinderheim Baindt Kindergruppe 1952: Säuglinge und Vorschulkinder betreute das Kloster Heiligenbronn in seinem Kleinkinderheim St. Josef in Baindt mit Säuglingsstation, Wohngruppen und Kindergarten. [Quelle: Archiv Stiftung St. Franziskus]. Aus rechtlichen Gründen wurden die Gesichtszüge der abgebildeten Personen anonymisiert. Zum Vergrößern bitte klicken.

Von der Zweigstelle in Waldachtal-Heiligenbronn zog das „Kleinkinderasyl“ des Klosters Heiligenbronn 1903 in einen Teil des früheren Zisterzienserinnenklosters Baindt bei Weingarten. Dort wurden mit der Zeit die übernommenen Gebäude saniert und durch Neubauten ergänzt. Eine Landwirtschaft mit Ländereien gehörte mit zur Einrichtung. Die Zahl der Plätze für die vorschulpflichtigen Kinder betrug bis zu 160 Betten, die Zahl der Schwestern lag stets bei 40 bis 45. Aufgenommen wurden bereits Säuglinge, die nicht bei der Mutter bleiben konnten oder von ihr abgegeben wurden, oder andere Kinder im Vorschulalter, die in ihrer Familie nicht versorgt werden konnten, diese verloren hatten oder auch für einen Krankenhaus- oder Kuraufenthalt keine anderen Betreuungsmöglichkeiten hatten.

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bestand im Kinderheim St. Josef nach Fremd-Einquartierungen von Zwangsarbeitern und evakuierten Kindern aus bombengefährdeten Gebieten zunächst ein großer Nachholbedarf an baulichen Sanierungen und Erweiterungen. Für den Betrieb des Kindergartens und der Säuglingsstation wurden Räume im Haus „Piuspflege“ umgebaut. In den 1960er Jahren, als die Aufnahme von Säuglingen zurückging, wurden erste Familienwohngruppen eingerichtet. Kamen die Kinder ins Schulalter und waren noch im Heim, wechselten sie meist in die Heimschulen des Klosters oder andere Heimschulen. Vorübergehend kamen sie in Einzelfällen zunächst auch in die Baindter Schule oder in Sonderschulen in der Umgebung.

Nach 1945 wurden die Kleinkinder verstärkt zur Adoption freigegeben oder in Pflegefamilien vermittelt. Die Aufenthaltsdauer im Kleinkinderheim war von daher oft sehr kurz. In St. Josef Baindt blieb über die Hälfte der Kinder in diesen Jahren weniger als ein Jahr im Heim, oft nur wenige Tage oder Wochen. Zu spüren bekam das Kleinkinderheim auch den sogenannten „Pillenknick“ und andere gesellschaftliche Veränderungen. So nahm ab den 1960er Jahren die Zahl der Kinder aus Gastarbeiterfamilien stark zu.

Veränderungen erfolgten auch beim Betreuungspersonal. Ebenfalls seit den 1960er Jahren ging die Zahl der Ordensschwestern, die in der Regel auch die Gruppenleitung hatten, zurück. Bis 1970 wuchs die weltliche Mitarbeiterschaft bereits auf 50 Personen an. Auch die Kontakte nach außen vermehrten sich in dieser Zeit. Das Kinderheim St. Josef wurde durch ehrenamtliche Initiativen unterstützt und unternahm Ausflüge in die Umgebung und zu Festen.

Aufgrund zurückgehender Kinderzahlen ließ das Kloster Heiligenbronn sein Kleinkinderheim in Baindt bis 1982 auslaufen und etablierte in denselben Räumen eine Heimsonderschule für blinde und sehbehinderte Kinder. Seit der Eröffnung 1903 waren insgesamt über 6.000 Kinder dort betreut worden. Kinderakten waren erst ab 1965 angelegt worden und werden im Archiv der Stiftung St. Franziskus in Heiligenbronn aufbewahrt.

Ehemaligen Zöglingen des Kleinkinderheims fehlen oft gänzlich Erinnerungen an ihre ersten Lebensjahre, vielleicht bis auf einige nachdrückliche Erfahrungen oder Situationen. Das Archiv der Stiftung St. Franziskus ist offen für Anfragen und versucht auch in Fragen zur Familiengeschichte weiterzuhelfen. Persönliche Akten der betreuten Kinder sind erst ab 1965 angelegt worden, aber über die Zeiten davor finden sich in den Aufnahmebüchern zuweilen Notizen und Hinweise. Auch hier können Gespräche dabei helfen, sich das Leben und den Alltag im Kleinkinderheim besser vorzustellen.

 

Zum Autor: Ewald Graf leitet seit 2018 das Archiv der Stiftung St. Franziskus. Zuvor war er Leiter des Referats Kommunikation und Mitbegleiter einiger geschichtlicher Projekte und Publikationen der Stiftung.

 

ZitierhinweisEwald Graf, Kleinkinderheim St. Josef Baindt, in: Heimkindheiten, URL: […], Stand: 09.02.2022.

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