Friedensschluss - Abgabe von Holz als Reparation

Florian Brückner, Universität Stuttgart

Holzabgaben an die Entente nach dem Krieg 1914–1918, (Quelle: Landesarchiv BW, StAS Ho FAS DS 92 T 9 NVA 20989, Bild 1)
Holzabgaben an die Entente nach dem Krieg 1914–1918, (Quelle: Landesarchiv BW, StAS Ho FAS DS 92 T 9 NVA 20989, Bild 1)

Kontext

Der von den Ententemächten 1919 ausgehandelte und von Deutschland unter Protesten unterzeichnete Friedensvertrag von Versailles zwang das Reich zu Gebietsabtretungen sowie zur Zahlung von Reparationen als Wiedergutmachung für den Ersten Weltkrieg. Als juristische Grundlage für die Einforderung von Reparationen diente der sogenannte ‚Kriegsschuldparagraf‘ 231, der dem Deutschen Reich die alleinige Schuld am Ausbruch des Ersten Weltkriegs zuschrieb. Deutschland, das sich nach wie vor im Glauben wähnte, einen gerechten Verteidigungskrieg gegen angreifende Feindmächte geschlagen zu haben, empfand gerade diese Alleinschuld als tiefe Schmach. Obgleich, wie die neuere Forschung festgestellt hat, die Reparationsleistungen Deutschland wirtschaftlich keineswegs so stark belasteten, dass es allein durch diese in eine Wirtschaftskrise geraten wäre, waren sie in der Weimarer Republik doch ein stetes Politikum, das republikfeindliche Kräfte nutzten, um all jene Politiker, die diesen Forderungen nachkamen, als ‚Erfüllungspolitiker‘ zu geißeln. Waren die Reparationszahlungen für sich genommen für eine Wirtschaftsmacht wie Deutschland also durchaus zu bewerkstelligen, fielen die Gebietsverluste viel gravierender ins Gewicht. Daraus resultierte ein beträchtlicher Verlust an Rohstoffquellen, insbesondere an Holz, Erz und Kohle, die zudem als naturale Reparationen in festgelegten Kontingenten aus den verbleibenden Reichsteilen an die Siegermächte abzuführen waren.

Quelle

Das vorliegende Dokument gibt mit reichsweiten Regelungen zur Holzabgabe Einblick in die Vereinbarungen und Auswirkungen zum spezifischen Verlauf einer solchen Reparationsforderung bezüglich der Holz- und Forstwirtschaft Hohenzollerns. Da beträchtliche Waldgebiete in den verlorenen Reichsteilen abgetreten werden mussten, informierte das Reichsministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten die Fürstlich Hohenzollerische Hofkammer, dass aufgrund der Notlage staatliche Eingriffe in die Forstwirtschaft notwendig seien, nicht zuletzt, um die Bevölkerung mit Brennholz zu versorgen. Hohenzollerns Forst- und Holzindustrie habe sich der Versorgung des Volkes mit Brennholz zu verschreiben, insbesondere weil es aufgrund der Gebietsabtretungen im Kohlerevier Ostschlesiens zu einer empfindlichen Kohleknappheit gekommen war. Der zukünftige Bedarf an Bau-, Nutz- und Brennholz wurde auf etwa 59 Millionen Festmeter geschätzt. Bezogen auf das Jahr 1912 hatte das Reich 48 Millionen Festmeter Holz erwirtschaftet, sodass 1920 zur Deckung des Bedarfs ein um 13 Millionen Festmeter höherer Einschlag erforderlich war. Zur Mehrproduktion erachtete es das Reichsministerium für unabdingbar, auch die Privatwaldbesitzer entsprechend zu verpflichten. Auf diese Weise wirkten die Reparationen bis in den privatwirtschaftlichen Bereich. Die in der Weimarer Republik beständig beschriebene Empörung über die Reparationen ist daher nicht nur als medial und politisch inszenierter Skandal zu verstehen, sondern wirkte real bis in die Privatbetriebe hinein.

Das Ministerium wies zudem auf Protesteingaben hin, die die Behörde in vergleichbaren Fällen bereits erhalten hatte, die jedoch „kaum einen Erfolg gehabt“ hätten. Daher werde das Reich für 1920 Zwangsmaßregeln erlassen, um die entsprechenden Holzmengen einzuholen. Dabei war den zuständigen Regierungsbehörden durchaus bewusst, dass „die Bewältigung des rechtzeitigen Einschlagens eine außerordentlich schwierige Obliegenheit der Forstwirtschaft“ darstelle; gerade aufgrund dieser Tatsache sei es notwendig „daß auch die nichtstaatlichen Waldungen ihren gegen 1912 um 1/3 zu verstärkenden Einschlag unter allen Umständen aufbringen“. Dieser wurde für Hohenzollern mit folgenden Margen taxiert: Gemeindeforsten 122.067 Festmeter; Stiftungsforsten 3.165 Festmeter, Genossenschaftsforsten 171 Festmeter, Privatforsten 89.483 Festmeter, was mit insgesamt 214.886 Festmetern einen beträchtlichen Anteil am Gesamtwaldgebiet darstellte. Den Waldbesitzern sei klarzumachen, dass es „ihre vaterländische Pflicht ist, den Einschlag mit aller Energie zu erfüllen und dass nur so die Wirtschaft sowie die Ruhe und Ordnung im Hohenzollerische Lande einigermaßen“ aufrechterhalten werden könnten.

Die fürstliche Hofkammer reagierte auf dieses Schreiben am 14. Oktober 1919. Sie wies auf den Gesamtbestand von knapp 38.000 Hektar Wald hin, die sich über verschiedene in Preußen gelegene Exklaven erstreckten und sich insbesondere in den Regierungsbezirken Köslin, Frankfurt an der Oder, Liegnitz und Sigmaringen befanden. Die von der Reichsregierung verlangte Holzmenge sollte insbesondere aus den pommerschen Revieren, hier vor allem aus der Oberförsterei Manow im Kreis Köslin eingeholt werden, was aufgrund der vier dort vorhandenen Eisenbahnverladestellen besonders günstig sei. Das Antwortschreiben vom 18. Oktober billigte diesen Vorschlag, da die Verteilung Angelegenheit der jeweiligen Verwaltungen auf Lokalebene sei.

GND-Verknüpfung: Versailler Vertrag [4063141-2]

 

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Das vorgestellte Dokument im Online-Findmittelsystem des Landesarchivs BW: 

Akte der hohenzollerischen Hofkammer zu Holzabgaben an die Entente