Staatsorganisation - Diskussionen um das Verhältnis Hohenzollerns zu Preußen
Florian Brückner, Universität Stuttgart
Kontext
Mit dem Übergang des Reiches zur Republik blieben die Hohenzollerischen Lande 1918 Teil des neu entstehenden Freistaats Preußen. Doch wurden in Hohenzollern Forderungen nach staatlicher Selbstständigkeit laut; der Wunsch nach einem Verbleib bei Preußen fand sich öffentlich nur selten artikuliert und wo er ausgesprochen wurde, stellten sich ihm lokalpatriotische Forderungen nach einer regionaleren Bindung in den deutschen Südwesten entgegen, wie sie vor allem im Zuge der Rätebewegung im November 1918 in Hechingen aufkamen.
Die Anbindung Hohenzollerns an Preußen erschien derart prekär, dass hohenzollerische Mandatsträger sogar der Wahl zur konstituierenden preußischen Landesversammlung am 26. Januar 1919 fern blieben. Die offenen Fragen hinsichtlich eines Anschlusses Hohenzollerns an Baden oder Württemberg, der Konstituierung eines Landes Großschwaben oder eines möglichen Verbleibs bei Preußen, versuchte ein Gutachten des Regierungspräsidenten Franz Graf von Brühl zu klären, das sich im Wesentlichen für einen Verbleib bei Preußen aussprach.
Inhalt der Quelle
Franz Graf von Brühl (1852-1928) zählte zu den prägenden Persönlichkeiten Hohenzollerns. Der Verwaltungsjurist war 1896-1899 stellvertretender Regierungspräsident und anschließend bis 1919 Regierungspräsident der Hohenzollernschen Lande. Sein für den Kommunallandtag verfasstes Gutachten beschäftigte sich mit der in statu nascendi befindlichen neuen Reichsverfassung, in der ebenfalls eine Neuordnung der Länder angestrebt wurde. Graf von Brühl bezog sich auf die Reichsverfassung betreffende Überlegungen, Exklaven eines Gliedstaates mit dem räumlich nächst gelegenen bzw. wirtschaftlich zugkräftigeren Staat – in diesen Planspielen Baden und Württemberg – zu vereinigen. Brühl sah hier schwierige Verhandlungen auf Hohenzollern zukommen, die kaum erfolgreich abzuschließen sein würden. Die Komplexität des staatsrechtlichen Status Hohenzollerns erörterte er dabei in vier Abschnitten: 1. Die staatsrechtliche Entwicklung des Regierungsbezirks seit seinem Anschluss an Preußen 1850, 2. Abtrennungsbestrebungen 3. weitere staatsrechtliche Möglichkeiten Hohenzollern bzw. Preußens sowie 4. die Reform der preußischen Verwaltung in Hohenzollern als ökonomisch sinnvollere Möglichkeit, um Hohenzollern im Einzugsgebiet Preußens zu halten.
Zu 1.: Zunächst beschäftigte sich Graf von Brühl mit der im Anschlussdokument von 1850 für die staatsrechtliche Legitimation der Hohenzollerischen Lande so wichtigen Legende, Hohenzollern sei das Stammland der preußischen Könige. Die Auseinandersetzung mit diesem Anschlussdokument bzw. der Legende zeigt, wie stark Graf von Brühl die Zukunft der Hohenzollerischen Lande von ihrem Beginn her dachte. Er wollte darlegen, im Zuge welcher Argumentation Hohenzollern überhaupt Teil Preußens geworden war. Graf von Brühl war daran gelegen darzustellen, dass 1850 wie 1918/19 unterschiedliche Möglichkeiten der staatsrechtlichen Zuordnung Hohenzollerns denkbar waren und diese für die Zukunft auch weiterhin offen seien. So verwies von Brühl darauf, dass Preußen Hohenzollern weniger aufgrund erbrechtlicher, sondern vielmehr aufgrund herrschaftsorganisatorischer Erwägungen der preußischen Rheinprovinz zugeschlagen hatte, da dies den strategischen Vorteil der Stationierung hohenzollerischer Truppen gegen Frankreich geboten hatte.
Zu 2.: Hinsichtlich der Abtrennungsbestrebungen kam von Brühl auf Hoffnungen zu sprechen, im Verbund mit Baden und Württemberg ein Land „Großschwaben“ zu konstituieren. Hinsichtlich dieser Autonomiepläne verwies Graf von Brühl auf die Presse, die solche regionalpatriotischen Bestrebungen anfeuerte und hierzu Animositäten gegenüber preußischen Beamten im Regierungsbezirk schürte. Gleichzeitig schien sich die einheimische Bevölkerung im Zuge der Novemberrevolution sowie der als hart empfundenen Waffenstillstandsbedingungen für einen Verbleib bei Preußen auszusprechen, das im Zuge des Umwälzungsprozesses immer mehr als staatsrechtlicher Rückhalt angesehen wurde. In einer Zeit wirtschaftlicher Krise war nicht zuletzt von Vorteil, dass Preußen Hohenzollern alljährlich mit 1,5 Millionen Reichsmark bezuschusste, sodass Graf von Brühl auch in diesem Punkt finanziell für einen Verbleib bei Preußen argumentierte.
Zu 3.: Bezüglich weiterer staatsrechtlicher Möglichkeiten warf Graf von Brühl die Frage auf, ob Preußen zum eigenen Vorteil auf die Abtretung der Hohenzollerischen Lande hinwirken sollte. Von Brühl stellte diese Frage, weil es im wirtschaftlichen Bereich bereits zu einer starken Vernetzung mit Württemberg gekommen war, was Preußen im Zuge der Versorgungsprobleme 1918/19 entlastete. Ferner bildete die Bekämpfung des Schleichhandels ein besonderes Problem, das von Seiten Preußens aufgrund der Distanz zwischen Mutterland und Regierungsbezirk nur im Verbund mit den Nachbarstaaten Baden und Württemberg zu lösen war. Trotz dieser Vorteile verwies von Brühl auf die Stimmung der einheimischen Bevölkerung, die sich gegen einen Anschluss an Baden und Württemberg aussprach. Vielmehr plädierte er für einen Plan, der 1925 tatsächlich umgesetzt werden sollte, nämlich dem Fortbestand der preußischer Staatszugehörigkeit bei gleichzeitiger Durchführung einer von ihm schon 1909 anvisierten Verwaltungsreform. Diese beinhaltete dezidierte Einsparungen im administrativen Bereich sowie einen Verbleib bei Preußen.
Zu 4.: Hinsichtlich der Reform der preußischen Verwaltung in Hohenzollern empfahl Graf von Brühl, dass man, wenn sich eine solche Reform als zu schwierig erweisen würde, am Status quo festhalten sollte. Er plädierte für eine Aufhebung des Oberamtes Haigerloch und dessen Vereinigung mit dem Oberamt Hechingen. Die Landeskommunalverwaltung sollte in eine engere Verbindung mit der Verwaltung des Kernlandes treten, ähnlich der Verbindung zwischen Landrat und Kreisvermögensverwaltung, um den Kontakt zwischen Regierungsbezirk und Preußen zu stärken.
GND-Verknüpfung: Staatsorganisation [4382696-9]