Revolution - Titelstreit zwischen Regierung und Haus Hohenzollern
Florian Brückner, Universität Stuttgart
Kontext
Die Novemberrevolution von 1918/19 führte in der Endphase des Ersten Weltkriegs nicht nur zur Demokratisierung Deutschlands, sondern insbesondere zum Untergang der Monarchien in den deutschen Ländern. Die Anfangsphase, wie überhaupt die Geschichte der Republik, prägten zahlreiche Konflikte der neu eingesetzten, demokratisch gewählten Mandatsträger sowie den weiterhin in ihren ehemaligen Herrschaftsgebieten Machtpolitik betreibenden Fürsten. Dabei war bereits zu Beginn der Republik versucht worden, die Abwicklung des monarchischen Systems konstitutionell zu regeln. Artikel 109 der 1919 in Kraft getretenen Weimarer Reichsverfassung hatte hinsichtlich fürstlicher Privilegien verfügt, dass die Vorrechte der Geburt und des Standes fortan aufzuheben seien. Auch Adelsbezeichnungen galten nur noch als Bestandteil des eigenen Namens und konnten nicht mehr als übertragbare Adelsprädikate an Dritte verliehen werden. Diese Regelungen erfuhren mit dem „Gesetz über die Aufhebung der Standesvorrechte des Adels und die Auflösung der Hausvermögen“ am 23. Juni 1920 für Preußen eine weitere Spezifizierung auf Landesebene.
Was jedoch auf Reichs- wie Landesebene de jure verfügt worden war, nahmen die ehemaligen Standesherren keineswegs widerstandslos hin, sodass sich bis auf die kommunalen Ebenen hinunter zahlreiche Konflikte mit Vertretern der Republik entwickelten. Gerade in den Hohenzollerischen Landen hatten die bruchlos fortgesetzte standesherrliche Symbolpolitik sowie der damit einhergehende Herrschaftsanspruch Fürst Wilhelms zu zahlreichen Streitigkeiten mit Regierungspräsident Emil Belzer geführt. Diese setzten sich auch nach dem Abtreten Belzers 1926 sowie dem Tod Wilhelms 1927 zwischen ihren Nachfolgern fort. So entstand ab 1928 zwischen dem seit 1926 in Sigmaringen amtierenden Regierungspräsidenten, dem Verwaltungsjuristen und Schriftsteller Alfons Scherer (1885-1964), und Fürst Friedrich von Hohenzollern (1891-1965) ein Konflikt bezüglich der adeligen Namensführung. Scherer versuchte, die verfassungsrechtlichen Regelungen gegenüber dem neuen Fürsten geltend zu machen. Dieser fühlte sich jedoch dem autokratischen Herrschaftsstil der Hohenzollernmonarchie, nicht aber der Demokratie verpflichtet. So hatte Friedrich 1927 nach dem Ableben seines Vaters entgegen der bestehenden Gesetzgebung auf Landes- und Reichsebene großen Wert auf die Übernahme des Adelsprädikats „Hoheit“ sowie des Erstgeburtstitels „Fürst“ und die damit verbundenen Anreden gelegt. Scherer empfand dies als Anmaßung und wandte sich in einer Eingabe am 9. Juli 1928 an das hierfür zuständige Landgericht und die Oberstaatsanwaltschaft in Hechingen. In diesem protestierte er gegen die gesetzeswidrige Vereinnahmung der Anrede „Hoheit“ sowie des Titels „Fürst von Hohenzollern“. Scherer insistierte, Friedrich habe als Namensbestandteil allein ein Anrecht auf den Titel „Prinz von Hohenzollern“ und argumentierte verfassungskonform, die Bezeichnung „Fürst“ könne mit dem Dahinscheiden Wilhelms nicht weiter als Adelsprädikat an Dritte übergehen.
Bestandsinhalt
Die vorliegende Akte enthält unter anderem das Antwortschreiben des Landgerichtspräsidenten sowie der Oberstaatsanwaltschaft auf Scherers Eingabe vom 28. Juli 1928. In diesem Schreiben erörterten die Justizbehörden nochmals die juristischen Feinheiten zur Unterscheidung eines übertragbaren Adelsprädikats sowie eines Titels, der fester Bestandteil eines Personennamens war. Dieses Schreiben zeigt auch acht Jahre nach dem Versuch einer gesetzlichen Abschaffung adeliger Prärogativen sowohl den ungebrochenen Herrschaftsanspruch der Fürsten als auch die uneinheitliche, ja geradezu lasche Handhabung, wenn es darum ging, juristische Sachlagen faktisch gegen machtbewusste Fürsten durchzusetzen. Ferner enthält die Akte einen Erlass des Regierungspräsidenten vom 8. November 1928, in dem er sich an die Beamten wandte und sie darüber informierte, wie sie sich im Privatverkehr gegenüber unerlaubter Titelführung durch Angehörige für Adelsfamilien zu verhalten hätten.
Scherer stellte fest: „Durch den Erlaß ist festgestellt, daß die Angehörigen der Familie Prinz von Hohenzollern einschließlich dem ältesten Sohn Friedrich des verstorbenen Wilhelm Fürst von Hohenzollern den bürgerlichen Namen "Prinz von Hohenzollern" zu führen haben, und daß kein Angehöriger der Familien mehr berechtigt ist, das Prädikat ‚Durchlaucht‘ oder gar ‚Hoheit‘ zu führen.“
Infolge dessen wurde Friedrich zu offiziellen Anlässen nur als Herr Friedrich Prinz von Hohenzollern angesprochen, eine Verbürgerlichung, mit der sich der Hohenzoller jedoch nicht zufrieden gab. Dessen ultima ratio stellte schließlich die Drohung dar, seine Residenz samt Verwaltung nach München zu verlegen, woraufhin Angehörige des Kommunallandtags den preußischen Innenminister Carl Severing (SPD) in Berlin kontaktierten und darauf drängten, Scherer müsse abgesetzt werden. So verlor Scherer nach dreijährigem Bemühen den Streit am 31. August 1931. Severing drängte als einer der profiliertesten demokratischen Exponenten der Republik Scherer in den frühzeitigen Ruhestand. Friedrich hatte gewonnen. Der ihm nachfolgende Regierungspräsident Heinrich Brand setzte seinen Titulaturwünschen nichts mehr entgegen und benutzte den Namen „Fürst von Hohenzollern“.
GND-Verknüpfung: Revolution [4049680-6]
Die vorgestellten Dokumente im Online-Findmittelsystem des Landesarchivs BW:
Schreiben von Landgerichtspräsident und Oberstaatsanwalt, 3.8.1928
Erlass des Regierungspräsidenten, 8.11.1928
Einzelstudie zum Thema:
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