Parteien - Biographie des Zentrumspolitikers und Sigmaringer Regierungspräsidenten Emil Belzer
Florian Brückner, Universität Stuttgart
Einleitung
In der parlamentarischen Interessenvertretung, dem Kommunallandtag der Hohenzollerischen Lande, setzte sich auch nach 1918 die Dominanz der Zentrumspartei fort, wenngleich sie im Übergang zur Republik schrittweise zu bröckeln begann. Konkurrenzparteien wie die DDP (Deutsche Demokratische Partei, bis 1925 9,3 %) und HZBB (Hohenzollernscher Bauernbund bzw. Bürgerpartei/Bauernbund, 16,7 %) konnten dem Zentrum (1925, 68,4 %) in den Wahlen zum Kommunallandtag sukzessive Wähler abspenstig machen. Trotz geringfügiger Erfolge von DDP und SPD, in Zentrumshochburgen einzudringen, blieb die Zentrumspartei die dominierende politische Kraft in den Landen. Im Vergleich zur Vorkriegszeit von 1912 (72,5 %) verlor das Zentrum unter Regierungspräsident Belzer bei den ersten Wahlen 1920 nur 1,3 %. Das Zentrum gehörte dabei auf Reichsebene zu den Parteien der staatstragenden, ja den deutschen demokratischen Staat überhaupt konstituierenden Weimarer Koalition aus Zentrum, Sozialdemokraten und Deutscher Demokratischer Partei (DDP). Grundlage dieser Stabilität bildete die demokratische Zentrumsarbeit in Preußen und in Hohenzollern.
Politische Biografie Emil Belzers (1860-1930)
Dennoch stellte das Zentrum als eindeutige Mehrheitsfraktion den Regierungspräsidenten. Hier gehörte Emil Belzer zu den zwei Jahrzehnte prägenden politischen Persönlichkeiten der Hohenzollerischen Lande. Belzer hatte in Freiburg im Breisgau, München und Berlin Jura studiert und 1883 promoviert. Ab 1895 agierte er in Sigmaringen als Amtsrichter und wurde 1906 zum Amtsgerichtsrat ernannt. Seit 1917 hatte er nicht nur als Kommunalpolitiker, sondern auch als Reichstagsabgeordneter des Zentrums seine Partei dazu aufgefordert, sich an der Friedensresolution des Reichstags vom 19. Juli 1917 zu beteiligen, um einen Verständigungsfrieden zur Beendigung des Ersten Weltkriegs zu erreichen.
Im Regierungsbezirk selbst gehörte Belzer seit 1899 dem Kommunallandtag an, wirkte hier von 1902 bis 1918 als stellvertretender Vorsitzender und amtierte schließlich als Regierungspräsident von 1919 bis 1926 im Übergang von der Monarchie zur Republik. Belzer zeichnete sich wesentlich für die Transformationsprozesse und interessenpolitischen Verhandlungen des Zentrums mit der Schwesterpartei in Württemberg verantwortlich. Hier verhandelte er mit württembergischen Zentrumspolitikern wie Adolf Gröber oder Matthias Erzberger insbesondere die Besetzung der Kandidatenlisten.
Zu den wichtigsten politischen Herausforderungen in der Regierungszeit Belzers zählten zum einen die Verhandlungen hinsichtlich der staatlichen (Neu-)Organisation der Hohenzollerischen Lande nach 1918 und zum anderen die politischen Auseinandersetzungen mit dem weiterhin um standesherrliche Repräsentation bemühten Fürsten Wilhelm.
Hinsichtlich der bis 1925 schwelenden Alternativen zur staatsrechtlichen Zuordnung Hohenzollerns in Preußen, also eines möglichen Zusammenschlusses mit Baden oder Württemberg oder als Teil eines Landes Großschwaben, sprach sich Belzer tendenziell für einen Verbleib bei Preußen aus. Zwar erschien der staatliche Zustand Hohenzollerns gegenüber Preußen mit dem Untergang der Monarchie 1918 zunächst prekär. Doch hatten sich bis zum April 1919 in Berlin die vom kommunistischen Spartakus-Bund entfachten revolutionären Unruhen soweit zerschlagen, dass Vertreter des Hohenzollernschen Kommunallandtags zu dem Schluss kamen, „daß keine Veranlassung besteht, sich von Preußen loszusagen“. Als Ergebnis dieses noch nicht endgültig beschlossenen Verzichts, die Loslösung vom preußischen Mutterland verfassungsrechtlich auf den Weg zu bringen, folgte am 1. Juni 1919 konsequenterweise die Wahl Emil Belzers in die verfassungsgebende preußische Landesversammlung.
Auch in Folge der staatsrechtlich wegweisenden Gründonnerstagsitzung des Landesausschusses am 17. April 1919 sprach sich Belzer für den Verbleib der Hohenzollerischen Lande bei Preußen aus. Entscheidenden Einfluss vermochte diesbezüglich vor allem die zur Klärung dieser staatsrechtlichen Angelegenheit gegründete Zentralstelle für die Neugliederung des Reiches auszuüben. Hier setzte er sich zwar durchaus auch für Autonomiebestrebungen ein, weil er einen dauernden Verbleib Hohenzollerns bei Preußen vor allem aufgrund administrativer Kostengründe als unmöglich erachtete. Als sich der Kommunallandtag 1925 schließlich für einen Verbleib der Hohenzollerischen Lande bei Preußen entschied, wurde diese Entscheidung jedoch zentral auf einen anderen Lösungsversuch der administrativen Kostenverringerung durch Belzer gestützt. Belzer hatte nämlich bereits 1919 in der „Kommission für die Reform der gesamten Verwaltung“ angeregt, eine Verwaltungsreform der Provinz durchzuführen, um den Verbleib des Regierungsbezirks bei Preußen kostengünstiger zu gestalten.
Eine weitere wichtige Auseinandersetzung trug Belzer als demokratischer Vertreter mit dem weiterhin um Besitzstandwahrung bestrebten Fürsten Wilhelm, dem Chef des Hauses Hohenzollern-Sigmaringen, aus. Gerade hinsichtlich der vom Haus Hohenzollern weiterhin an öffentlichen Festtagen betriebenen Symbolpolitik, kann kaum von einem tief greifenden Einschnitt im Übergang von der Monarchie zur Republik in Hohenzollern gesprochen werden. Eine solche Beurteilung ergibt sich aus der Sachlage, dass kommunale Vertreter regelmäßig zu den Empfängen des Hofes erschienen, wie auch Fürst Wilhelm den Regierungspräsident Belzer traditionell zum Neujahrsbeginn eine Visite in dessen privaten Räumlichkeiten abstattete. Auf diese Weise schien bis zum Inflationsjahr 1923 eine symbolpolitisch erzeugte Kontinuitätslinie im Zuge des politischen Systemwechsels zumindest fassadenhaft gewährleistet.
Doch in eben jenem Jahr, dem Krisenjahr 1923, kam es auch in den Hohenzollerischen Landen zu einem der zahlreichen Presseskandale in der Weimarer Republik. Das zentrale Presseorgan der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), die Rote Fahne, machte einen vertraulichen Brief Wilhelms publik, den der Fürst seinem Bruder, König Ferdinand von Rumänien, gesandt hatte. In diesem hatte sich Wilhelm echauffiert, die Stimmung im Regierungsbezirk sei „eine ganz zufriedenstellende, hätten wir nicht in Sigmaringen einen höchst widerwärtigen Regierungspräsidenten. Der schwarze Mann mit der roten Weste ist eine ganz vertrauenswürdige Persönlichkeit, ein Anhänger des heiligen Matthias von Biberach, Erzberger, und ganz im Fahrwasser der beiden Reichskanzler Fehrenbach und Wirth, also Erfüllungspolitiker nach innen und außen.“ Ein solcher von den Kommunisten genüsslich in der Öffentlichkeit ausgeweideter Vertrauensbruch, der sich aus den konservativ-standesherrlichen Invektiven gegen Vertreter des demokratischen Systems ergab, war kaum noch zu kitten. Insbesondere, da der ebenfalls in diesem Schreiben verfemte, von der Bevölkerung Hohenzollerns mehrheitlich jedoch stark respektierte Matthias Erzberger 1921 von rechten Nationalisten ermordet worden war. Wilhelm weigerte sich, sich bei Belzer zu entschuldigen, der daraufhin den Kontakt zum Hof abbrach. Dieser Skandal hielt die Bevölkerung jedoch keineswegs davon ab, weiterhin weißschwarze Flaggen zu entsprechenden Anlässen des Hauses Hohenzollern zu hissen, wogegen Belzer entschieden vorzugehen versuchte. Der Hof revanchierte sich 1926, indem er den Sigmaringer Bürgermeister Egon Müller im Rahmen von Belzers Pensionierung davon abhielt, ihm die Ehrenbürgerwürde zu verleihen.
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