Freizeit - Sportförderung bei der badischen Polizei
Florian Brückner, Universität Stuttgart
Kontext: Freizeit und Sport in der Weimarer Republik
Mit der Einführung des Achtstundentages bzw. der 40-Stundenwoche – eine der wesentlichen Forderungen vor allem der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften – eröffneten sich in der Weimarer Republik für Berufstätige neue Möglichkeiten der Freizeitgestaltung. Diese äußerten sich in Form einer neu entstehenden Körperkultur: Nach den Weltkriegsjahren mit ihren Entbehrungen rückte die Wiederentdeckung des Gesundheitsbewusstseins in den Fokus einer breiteren Öffentlichkeit. Bewegungen wie die Lebensreform, der Vegetarismus, die Abstinenz oder die Naturromantik fanden in den zwanziger Jahren zahlreiche Anhänger. So sollten die gesundheitlichen Folgen der Kriegsjahre aufgefangen und der zunehmenden Mobilität, dem Stress und der zur Volkskrankheit avancierenden „Nervenschwäche“ eine gesündere Lebensführung entgegengesetzt werden.
Es erscheint wenig verwunderlich, dass auch und gerade die Polizei von derartigen gesellschaftlichen Strömungen nicht unberührt blieb. Ihre Angehörigen sollten in besonderer Weise sportliche Aktivitäten entfalten, da vor allem die Sicherheitspolizei (Vorläufer der heutigen Bereitschaftspolizei) – in Ermangelung einer ernstzunehmenden Armee – als einzige verbliebene bewaffnete staatliche Ordnungsmacht Gefährdungen der Sicherheit abwenden konnte. Es überrascht ebenso wenig, dass gerade in nationalistisch-militaristischen Kreisen, die Deutschland notfalls durch einen erneuten Krieg in den Kreis der europäischen Großmächte zurückzuführen gedachten, Sport eine wichtige Rolle spielte: Körperliche Wehrhaftigkeit, zu der Jugendliche, Soldaten und Polizisten angehalten werden sollten, galt als förderlich zur Formung potentieller zukünftiger „Kämpfer“.
Oberst Erich Blankenhorn (1878-1963) – Polizeioffizier und Förderer des Sports
Wie eng Sicherheitsdenken und politische Ideologie in der Weimarer Republik mit Freizeit und Sport verbunden waren, zeigt das Beispiel der badischen Sicherheitspolizei.
Reformbestrebungen innerhalb badischer Polizeiinstitutionen zielten auf eine Förderung des Dienstsportes an den Schnittpunkten von Berufsleben und Freizeit ab. Dieses Ziel war in Baden vor allem mit dem Namen Erich Blankenhorn (1878-1963) verbunden. Der sich zu demokratischen Werten bekennende Oberst wurde am 14. März 1878 in Karlsruhe als Sohn des Weingutbesitzers und Gründers des Önologischen Instituts der Universität Karlsruhe Adolph Blankenhorn geboren. Nach seinem Abitur absolvierte er die Offizierslaufbahn beim Leibdragoner-Regiment in Karlsruhe. Während des Ersten Weltkriegs agierte er im großen Generalstab, wurde zum Major befördert und nach der Kriegsniederlage mit der Aufgabe des Aufbaus einer neuen Landespolizei betraut. Ihr fielen für die entmilitarisierte Republik Baden wichtige Ordnungs- und Sicherheitsaufgaben zu. Blankenhorn organisierte hierbei maßgeblich die Formung von Polizeikontingenten aus heimkehrenden Veteranen sowie Angehörigen von Volkswehreinheiten in Freiburg, Heidelberg, Karlsruhe, Müllheim und Pforzheim. Die Leistungsfähigkeit der Polizeibeamten wurde mithilfe eines ausgeklügelten Sportprogramms gefördert. Sport fand dank Blankenhorn seinen Weg in die Ausbildung der Sicherheitskräfte und wurde durch Fortbildungsmaßnahmen und Vergleichswettkämpfe langfristig implementiert, u.a. durch die Gründung privatrechtlicher Polizeisportvereine. Blankenhorn – selbst ein leidenschaftlicher Athlet – nahm bis 1933 auch den Vorsitz des Badischen Polizeisportverbands wahr. Entsprechend seiner demokratischen Gesinnung kam es bereits im März 1933 zur Konfrontation mit den Nationalsozialisten und seiner beruflichen Verdrängung.
Der vom Staatsarchiv Freiburg beherbergte Nachlass Blankenhorns gewährt für die Zeit der Weimarer Republik einzigartige Einblicke in die Entstehungsgeschichte der badischen Landespolizei, in die Entwicklung des Sports im Allgemeinen und des Polizeisports im Besonderen. Der Nachlass beinhaltet ferner ca. 1.900 Fotos, die sich nicht nur auf Einsätze und Funktionsweisen der badischen Polizei beschränken, sondern auch Aufschlüsse über die große Bandbreite des Sports in der Weimarer Republik geben.
GND-Verknüpfung: Freizeit [4018382-8]