Krautheim

Die ehemalige Synagoge in Krautheim, um 1962. Während der Pogrome im November 1938 blieb das Gebäude unversehrt und wurde wenig später an die Stadt verkauft. In den 1970er Jahren wurde das Haus abgebrochen. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 965]
Die ehemalige Synagoge in Krautheim, um 1962. Während der Pogrome im November 1938 blieb das Gebäude unversehrt und wurde wenig später an die Stadt verkauft. In den 1970er Jahren wurde das Haus abgebrochen. [Quelle: Landesarchiv BW, HStAS EA 99/001 Bü 305 Nr. 965]

Dieser Beitrag stammt aus der Studie von Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, hg. von der Archivdirektion Stuttgart (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 19), Stuttgart 1968.

Die Studie wird hier in der Originalfassung als Volltext zugänglich gemacht und separat bebildert. Inhalte und Sprachgebrauch entsprechen dem Stand von 1968. Weitere Informationen zur Entstehung und Einordnung der Studie finden Sie hier.

Um 1200 erbauten die Edelherren von Krautheim auf der rechten Jagstseite - der ältere namengebende Ort lag auf dem linken Jagstufer - eine Burg, um welche im Laufe der Zeit das wohl 1306 zur Stadt erhobene Krautheim erwuchs. 1250 kam Krautheim an Graf Otto I. von Eberstein. 1346 gelangte die eine Hälfte der Herrschaft an das Hochstift Würzburg, die andere erwarb 1365 das Erzstift Mainz, das 1389 für seine Hilfe im Zehn-Städte-Krieg auch die Würzburger Hälfte erhielt. 1802 fiel das kurmainzische Oberamt Krautheim an den Grafen Salm-Reifferscheid, welcher sich, zum Fürsten erhoben, Fürst Salm-Krautheim nannte. Nach dessen Mediatisierung im Jahr 1806 wurde sein Gebiet zwischen Baden und Württemberg aufgeteilt, Krautheim fiel an Baden, Altkrautheim an Württemberg.

Die Geschichte der jüdischen Gemeinde Krautheim ist so alt wie die der Stadt. Unter den Hintersassen, die sich im laufe des 13. Jahrhunderts im Schutz der neuen Burg ansiedelten, befanden sich auch Schutzjuden. Ihre Zahl ist nicht bekannt. Als 1298 auf die Gerüchte von Hostienschändungen durch Juden der fränkische Ritter Rindfleisch seine Verfolgungen begann, vernichtete er auch die jüdische Gemeinde Krautheim. Diejenigen, die ihr Leben retten konnten, wurden 1336 von den Armledern erschlagen. Die Judenverfolgung von 1348/49 fand in Krautheim keine Opfer mehr. Am Ende des 14. Jahrhunderts werden wieder Juden in Krautheim erwähnt. Genaue Zahlen der jüdischen Einwohner liegen erst aus dem 19. Jahrhundert vor. 1825 zählte man 57 Juden, 1875 85 (11,1 Prozent von 764 Einwohnern), 1900 46, 1925 16 und 1933 28.

Seit etwa 1770 besaßen die Krautheimer Juden eine eigene „Judenschule" in der Brunnengasse, neben der 1860 eine neue Synagoge errichtet wurde. In der Kristallnacht im November 1938 blieben beide Gebäude unversehrt; sie dienen heute der politischen Gemeinde als Schul- und Wohnräume. Das rituelle Frauenbad wurde bereits 1910 abgebrochen. Der jüdische Friedhof auf einer Anhöhe außerhalb der Stadt im Gewann „Im Zücker", der bis ins 18. Jahrhundert zurückgehen dürfte, wurde bis 1940 belegt. 1944 sollte das vom Reich beschlagnahmte Grundstück an die politische Gemeinde, die acht wertvolleren Grabsteine aus Granit an einen Steinmetzen verkauft werden, aber sowohl die Gemeinde als auch die Steinmetzen der Umgebung hatten nach einem Bericht des Finanzamts Buchen eine Abneigung gegen die Erwerbung der Grabsteine von Judenfriedhöfen. Der Friedhof blieb daher bis zum Zusammenbruch des Dritten Reiches in seinem alten Zustand.

Seit 1827 gehörte die israelitische Gemeinde Krautheim zum Rabbinatsbezirk Merchingen. Religiös und politisch waren die Krautheimer Juden sehr konservativ eingestellt. Als 1846 im Oberrat zwei Sitze neu zu besetzen waren, verdächtigten die israelitischen Gemeinden Merchingen, Krautheim und Ballenberg die religiös Neuerungssüchtigen als eine auch in politischer Hinsicht gefährliche Partei, während der echte Jude sich stets dem Vaterlande und dem Landesfürsten treu ergeben zeige. Zwei Jahre später wurden in den Märzunruhen in Krautheim in einigen Judenhäusern die Fenster eingeschlagen und Plünderungen verübt. Im übrigen aber bestand selbst noch unter nationalsozialistischer Herrschaft ein gutes Einvernehmen zwischen den Juden und der christlichen Bevölkerung. Auch nach 1933 kam es hier zu keinen Ausschreitungen.

Bis 1933 spielten die Juden im Handel des Städtchens eine nicht geringe Rolle. Es gab ein jüdisches Textil-, Hausrat- und Eisenwarengeschäft, ein Textil- und Manufakturwarengeschäft, ein Gemischtwarengeschäft, eine Holz- und Baumaterialhandlung sowie zwei Metzgereien mit Viehhandlungen. Mit Ausnahme des Adolf Metzger, der 1937 als erster Jude aus Krautheim mit seiner Familie nach den USA auswanderte, konnten alle ihre Geschäfte bis Dezember 1938 halten. 1938 wanderten Alfred Müller und Rena Munk nach den USA aus. Die übrigen Angehörigen der Familie Munk und die Eheleute Uffenheim folgten im Januar, die Familie Seldner erst im April 1940.

Rosa Müller blieb als einzige Jüdin zurück. Da sie sich am 22. Oktober 1940 gerade außerhalb Badens aufhielt, wurde sie nicht nach Gurs deportiert. 1941 konnte sie zu ihrem Sohn nach den USA auswandern. Insgesamt sind aus Krautheim 19 Juden nach den USA ausgewandert. 5 Juden sind zwischen 1933 und 1939 weggezogen. Ihr weiteres Schicksal ist unbekannt. 4 einheimische Juden starben nach 1933 in der Heimat.

Heute erinnert nur noch der Friedhof mit seinen etwa 100 Grabstellen an die jüdische Gemeinde Krautheim.

 

Zitierhinweis: Hundsnurscher, Franz/Taddey, Gerhard: Die jüdischen Gemeinden in Baden, Stuttgart 1968, Beitrag zu Krautheim, veröffentlicht in: Jüdisches Leben im Südwesten, URL: […], Stand: 20.12.2022

Lektüretipps für die weitere Recherche

  • Bamberger, Naftali Bar-Giora, Die jüdischen Friedhöfe im Hohenlohekreis, Künzelsau 2002.
  • Germania Judaica, Bd.3, 1. Teilband, hg. von Arye Maimon/Mordechai Breuer/Yacov Guggenheim, Tübingen 1987, S. 676.
  • Hahn, Joachim/Krüger, Jürgen, „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...“. Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen, hg. von Rüdiger Schmidt (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe) und Meier Schwarz (Synagogue Memorial, Jerusalem), Stuttgart 2007.
  • Rauser, Jürgen Hermann, Krautheimer Heimatbuch, 1986, S. 86-87.
  • Rosenthal, L., Zur Geschichte der Juden im Gebiet der ehem. Grafschaft Hanau, 1963, S.170-171.
  • Sternad, E., Ein Beitrag zur Geschichte der Juden in Krautheim, Typoskript, 1995 (Typoskriptensammlung des Kreisarchivs des Hohenlohekreises).
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