„Heute, mit der Maschine, ist die Arbeit in ein, zwei Stunden abgetan“
Tiere und Maschinen als Hilfsmittel menschlicher Arbeit
Von Katharina Löw
Seitdem Menschen Landwirtschaft betreiben, versuchen sie, sich diese zeitintensive und körperlich anstrengende Arbeit zu erleichtern. Die Hilfsmittel reichen dabei von Geräten und Werkzeugen jeglicher Art, über die Zusammenarbeit mit dem Tier, bis zur Arbeit mit der Maschine. Letztere ergänzt die Arbeitsabläufe von Mensch und Tier und ermöglicht eine um ein Vielfaches effizientere Produktion.
Ein Feld abzuernten und die Ernte zum Hof zu transportieren erforderte in den 40er-Jahren viele Arbeitstage und einiges an Kraftaufwand von den Bäuerinnen und Bauern sowie von ihren Tieren. Die Arbeit auf dem Feld begann in den frühen Morgenstunden und endete spät am Abend. Als Mitte der 50er-Jahre die ersten Traktoren Einzug in die Landwirtschaft hielten, konnte das gleiche Feld innerhalb von ein oder zwei Tagen abgeerntet werden.
Rückblicke auf frühere landwirtschaftliche Arbeit suggerieren oft, dass Maschinen die Tiere abgelöst haben. Solche Vorstellungen entsprechen jedoch nicht den Entwicklungen der letzten 150 Jahre. Das Verhältnis von Mensch, Tier und Maschine ist prozesshaft: Die Arbeit mit dem Tier bedingt die Arbeit mit der Maschine und umgekehrt.
In der heutigen Landwirtschaft sind Traktoren, Lastwagen, automatische Melkmaschinen und anderes nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken. Doch auch das Tier hat seinen Status als Arbeits- oder Nutztier behalten. Für die Zukunft zeichnen sich bereits weitere Entwicklungen durch Technisierung und Automatisierung ab. Um diese Prozesse zu verstehen, bedarf es zuerst eines Blickes zurück: Wie wurde die landwirtschaftliche Arbeit im (vor-)letzten Jahrhundert wahrgenommen? Welche Neuerungen führten dazu, dass sich Arbeitsprozesse änderten? Welche Entwicklungen gab es in der Beziehung des Menschen zu seiner Arbeit? Die Antworten auf diese Fragen lassen einen Einblick in die Arbeitsverhältnisse der vergangenen Jahrzehnte zu. Fotosammlungen und Audio-Aufnahmen von Gesprächen aus den 40er- bis 90er-Jahren geben Aufschluss über die Arbeitsweise des Menschen mit Maschine und Tier.
Erwartungen an die Maschine
Bis zu den 1850er Jahren hatte sich eine große Erwartungshaltung an die Dampfmaschine aufgebaut. Nachdem sie bereits vorher in den Fabrikhallen ihren Dienst geleistet hatte, sollte sie nun auch den Agrarsektor revolutionieren. Der Agrarwissenschaftler Rudolf Theodor Simler (1833–1873) erklärte, dass „zwischen der Verbrennung von Nahrung im Tier- und Menschenkörper und der Verbrennung von Kohle in einem Fabrikofen ein ‚vollkommener Parallelismus‘ bestehe“. Die Dampfmaschine könne der landwirtschaftlichen Arbeit das bieten, was Mensch und Tier nicht zu leisten fähig seien. Sie müsse nicht gefüttert werden, keine Pausen machen und habe auch keinen eigenen Willen, der sich gegen das Arbeiten aussprechen kann. Das tatsächliche Resultat der Anwendung von dampfbetriebenen Motoren auf den Feldern ließ allerdings zu wünschen übrig. Sie konnten nur stationär und mit Hilfe einiger Personen eingesetzt werden. Die Geräte, die von Tieren angetrieben wurden, blieben vorerst also die einzige Form der Modernisierung im Agrarsektor. Durch diese Umstände nahm im 19. Jahrhundert sogar die Bedeutung der landwirtschaftlichen Arbeitstiere zu.
Die Verbreitung der Elektrizität um 1900 weckte neue Hoffnungen auf die Modernisierung der landwirtschaftlichen Arbeit. Als die Elektrizität auch auf den Höfen angekommen war, beschleunigten sich einige Arbeitsschritte vor Ort. Kühlanlagen für Molkereien ermöglichten neue Konservierungsmethoden und die neue netzwerkbasierte Technologie des Telefons die schnelle Kommunikation innerhalb der ländlichen Gesellschaft. Jedoch konnten auch die technologischen Weiterentwicklungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts das Tier auf dem Feld nicht ersetzen.
Erfahrungsberichte über die Maschine
Der Bauer Julius Krumm aus Maulburg verrät in einer Tonbandaufnahme aus dem Jahr 1955, wie die Bauern und Bäuerinnen in dieser Zeit unter Zugzwang gerieten: „Heute hat man jetzt mehr Maschinen. Man ist ja gezwungen. Bald in jedem Haus steht ein Traktor. Wenn es einer finanziell machen kann, macht er es eben. So versucht jeder seinen Betrieb vorwärts zu treiben.“
Um mit den anderen Höfen mithalten zu können, mussten die Bäuerinnen und Bauern dafür sorgen, dass sie ihre Arbeit an die zunehmende Motorisierung anpassten. Berichte aus den 50er-Jahren bezeugen, dass vermehrt Traktoren ins Dorf kamen. Julius Krumm berichtet, dass der Traktor zum einen eine große Erleichterung der Arbeit mit sich brachte, zum anderen aber auch viel Geld kostete. Um sich den Traktor und seinen Unterhalt leisten zu können, musste man sich entweder Geld leihen, oder es mit der Arbeit auf dem Hof erwirtschaften. Der Traktor ersetzte zwar die Rösser, dafür musste man aber zwei oder drei Kühe mehr im Stall haben, deren zusätzliche Milch den Traktor finanzierte. Die zusätzliche Arbeit in der Molkerei wurde durch die Melkmaschine erleichtert. Das Gespräch mit Julius Krumm zeigt die wechselseitige Bedingung der Arbeit sowohl mit dem Tier als auch mit der Maschine auf und gibt einen Einblick in den Arbeitsalltag auf Bauernhöfen in den 50er-Jahren.
Mensch, Maschine und Tier bei der Arbeit
Auch Fotografien aus diesem Zeitraum zeigen vermehrt Maschinen im landwirtschaftlichen Kontext sowie das Nebeneinander der Arbeit mit der Maschine und dem Tier. In der Außenstelle Südbaden des Badischen Landesmuseums in Staufen befindet sich ein Bild-, Film- und Tonarchiv zur Kulturgeschichte Badens. Unter den originalen Tonaufnahmen gibt es zahlreiche Gespräche über landwirtschaftliche Arbeit. Dabei ist neben dem Wandel der Arbeitsverhältnisse von Mensch und Tier auch die Rolle der Frauen auf dem Hof und dem Feld ein wichtiges Thema. Die Sammlung von Alwin Tölles (1906–1998) Fotografien aus den 40er- bis 90er-Jahren bietet eine Einsicht in die landwirtschaftlich geprägte Haus- und Feldarbeit. Tölle war ein Bildjournalist, der versuchte, Bräuche der Arbeit und des Alltags abzubilden und zu bewahren.
Anhand der Fotografien lassen sich Themen wie Kontrolle und Abhängigkeit, aber auch Vertrauen und Emotionalität sowie die Kooperation zwischen Mensch und Tier nachvollziehen.
Pflege und Emotionalität
Das Bild „Fütterung des Arbeitstiers“ aus der Tölle-Sammlung zeigt einen Bauern bei der Pflege seines Tieres. Damit das Pferd bei der Arbeit ‚funktionieren‘ kann wie eben die Maschine, die keine Pause braucht, muss der Bauer sich zuerst um das Wohlergehen seines Arbeitshelfers sorgen. Auf den Tonaufnahmen ist zu diesem Thema zu hören, dass die Arbeit auf dem Hof oftmals mit der Fütterung des Viehs in den frühen Morgenstunden begann. Auch einige Fotografien rücken die Fütterung und Pflege der Arbeitstiere ins Zentrum der landwirtschaftlichen Arbeit. Dabei ist gleichzeitig eine enge Bindung der Bäuerin oder des Bauers an das Tier zu erkennen. Emotionalität spielte also bei der Arbeit mit dem Tier eine ebenso große Rolle wie das Thema Kontrolle – auf obigem Bild durch den Zaun und das Geschirr des Pferdes zu sehen. Ein immer wiederkehrendes Objekt auf den Fotografien ist zudem die Peitsche, die oftmals im Zentrum des Bildes steht, sowie der wachende Blick des Menschen auf das Tier.
Eine Vielzahl der Bilder aus der Sammlung Tölle wirken inszeniert: Die Abgebildeten richten ihren Blick direkt in die Kamera und tragen saubere Kleidung bei der an sich staubigen und schmutzigen Arbeit. Das lässt darauf schließen, dass der Wunsch nach Romantisierung der landwirtschaftlichen Arbeit bei den Aufnahmen eine Rolle spielte.
Erleichterung von Arbeitsschritten
Ein weiteres Thema, das auf den Fotografien zu erkennen ist, ist die Technisierung der Mobilität. Durch das Tier und die Maschine lassen sich die Arbeitswege schneller zurücklegen. Die Zeit des zweistündigen Arbeitsweges zum Feld, von dem die Bäuerinnen Luise Durand und Frieda März berichten, ließ sich nun für andere Tätigkeiten nutzen, zum Beispiel für die Hausarbeit.
In der Bilderserie „Langholztransport im Schwarzwald“ von Alwin Tölle zeigt sich auch die gegenseitige Abhängigkeit der mechanisierten und der von Tieren verrichteten Arbeiten. Zu sehen sind dort mehrere Arbeitsschritte, in denen der Mensch zum einen auf die Hilfe des wendigen Tieres und zum anderen auf die Kraft und Schnelligkeit der Maschine angewiesen ist. Die langen Baumstämme lassen sich auf dem schlammigen Waldboden zwischen den eng zusammenstehenden Bäumen nur durch das Pferdegespann herausziehen. Der Transportlaster mit dem Kran, den man im nächsten Bild sehen kann, funktioniert unter den gleichen Bedingungen nicht, da er zu sperrig ist und die Räder im Untergrund stecken bleiben würden. Den Weg von der Straße bis zu ihrer Abladestation überwinden die Holzstämme dann schnell und einfach auf dem Transporter. Der Kran ermöglicht es dem Menschen dabei, ohne großen Kraftaufwand möglichst viele Stämme präzise auf den Transporter und von ihm herunter zu heben.
Die Ähnlichkeit der Arbeit von Tier und Maschine zeigt sich auch in der Art und Weise wie die Bilder aufgenommen wurden. In zwei Fotografien steht das Transportmittel im Zentrum des Bildes. Der Arbeitsschritt des Transportes lässt sich jedoch nur erahnen, da keine Fahrtbewegung zu sehen ist, sondern nur die Beladung der Fahrzeuge.
Das Hufeisen, welches am Frontteil des Transporters angebracht ist, verweist auf die Gleichzeitigkeit der Arbeit mit dem Tier. Denn der Transporter hat das Pferd als Zugtier nicht ersetzt. Es ist weiterhin durch seine Arbeit auf unebenem Untergrund gefragt. Das Hufeisen könnte repräsentativ für den Anteil des Tieres an der Arbeit stehen oder auch als Glücksbringer fungieren. Das Bild zeigt drei Personen, die den Arbeitsprozess des Auf- oder Abladens der Holzstämme ausführen. Dabei ist eine Person für die Bedienung des Krans zuständig, während die anderen beiden diese Bewegung kontrollieren. Der Kraftaufwand liegt bei dieser Arbeit allein bei der Maschine.
Dieses Bild lässt sich mit einem anderen Bild von Tölle vergleichen. Auf der Fotografie, die einen Pferdekarren zeigt, ist ein ähnliches Arbeitsszenario zu sehen. Es zeigen sich Gemeinsamkeiten in der Konstellation der abgebildeten Personen und ihrer Hilfsmittel bei der Arbeit. Ein Vergleich der beiden Fotografien macht deutlich, dass sich das ‚Wie‘ der Arbeitsschritte ändert, sobald eine Maschine in die Arbeit integriert ist, allerdings nicht das ‚Was‘. In beiden Fällen wird ein Transportmittel mit Gut beladen. Allerdings ist es durch die Maschine möglich, schwerere Güter in größeren Mengen zu beladen und auf einmal zu transportieren.
Die Fotografie zeigt drei Personen, die einen Transport nach- und vorbereiten. Das geerntete Stroh liegt in Reihen auf dem Feld und wird durch eine Person mithilfe einer Heugabel auf einen Karren geworfen. Eine zweite Person kontrolliert auf dem Karren die Arbeitsschritte und die Befestigung des Strohs. Eine dritte Person steht mit einer Peitsche in der Hand bei den Pferden, die den Karren mithilfe des Gespanns ziehen. Diese Person scheint die Pferde am Geschirr zu halten, um sie am Losgehen zu hindern. Den Kraftaufwand betreiben bei diesem Arbeitsprozess sowohl Mensch als auch Tier.
Bei den neuesten landwirtschaftlichen Maschinen braucht es nicht einmal mehr eine Person die lenkt, sodass neben dem Tier nach und nach auch der Mensch ersetzt wird. Bereits in einer Tonaufnahme von 1955 berichtet ein Bauer von einem langen Arbeitstag auf dem Feld, der um drei Uhr morgens beginnt und nach ein paar Pausen über den Tag verteilt um neun Uhr abends endet. Dann ergänzt er: „Heute, mit der Maschine, ist die Arbeit in ein, zwei Stunden abgetan.“
Mithilfe der Ton- und Fotodokumente lassen sich diverse Schlüsse zum Arbeitsalltag der Menschen ab den 50er-Jahren bis heute ziehen. Besonders auffällig ist, wie sich Tiere und Maschinen in ihrer Arbeit gegenseitig bedingen und ergänzen. Das Ergebnis einer Diskussion der 50er-Jahre über die Potenziale unterschiedlicher Energieträger war es, dass sich jedes Zugmittel für eine gewisse Arbeit besonders gut eigne, auch wenn sie bei anderen Schwierigkeiten mache. Die Devise war nicht ‚Pferd oder Traktor‘, sondern ‚Pferd und Traktor‘. Neue Innovationen der Motorentechnologie der 50er-Jahre zeigen, dass versucht wurde, die neuen Maschinen in Anlehnung an die Kraft und Wendigkeit der Zugtiere nachzubauen. Der Agronom Emil Rauch beispielsweise beschrieb zu dieser Zeit in der Neuen Züricher Zeitung die Vielseitigkeit und Anpassungsfähigkeit des Tieres in Bezug auf die landwirtschaftliche Arbeit:
„Das zeigt sich sofort im unebenen Gelände und bei wechselnden Ansprüchen der Fahrbahn. Da wechselt das Pferd die Gänge, die Geschwindigkeit, den Kraftaufwand, es erhöht die Griffigkeit und Adhäsion und verlegt das Gewicht, so dass es sowohl auf der Strasse wie auf dem Acker, auf der Wiese, im Wald und auch zwischen den Kulturen Fahreigenschaften entwickelt, die ein einzelner Motor in dieser Mannigfaltigkeit nie leisten kann.“
Ausblick
Im Laufe der Entwicklungsphasen von landwirtschaftlichen Maschinen hat sich einiges getan. Die Idee, die Maschine nach der Anatomie von Nutztieren zu formen, hat auch heute noch Bestand und so gibt es immer neue Entwicklungen in dieser Hinsicht. Der Blick in die Zukunft lässt vermuten, dass die Entwicklung weiter in die Richtung Automatisierung durch zunehmend autonom agierende Hilfs- und Arbeitsmittel geht. Die Person, die zuvor das Gaspedal und Lenkrad betätigt hat, hat durch das autonome Fahren nun die Möglichkeit zeitgleich andere Arbeitsschritte zu übernehmen. Die technische Autonomie ist bereits in der landwirtschaftlichen Arbeit angekommen. Sie soll zukunftsorientiert zeit- und kraftaufwändige Arbeitsschritte für den Menschen einsparen und gleichzeitig die Produktivität des Betriebes steigern. Auch wenn der Wandel der Arbeitshilfsmittel vom Werkzeug und dem Arbeitstier hin zur Maschine viel Erleichterung für die Arbeitsschritte des Menschen bedeutet, wird eine Aufgabe bei seiner Arbeit mit Hilfsmitteln bestehen bleiben: ihre Kontrolle und Steuerung – ob nun über das Halfter, das Lenkrad oder per App.
Literatur
- Moser, Peter, Von „Umformungsprozessoren“ und „Überpferden“. Zur Konzeptualisierung von Arbeitstieren, Maschinen und Motoren in der agrarisch-industriellen Wissensgesellschaft 1850 – 1960, in: Lukasz Nieradzik/ Brigitta Schmidt-Lauber (Hg.), Tiere nutzen. Ökonomien tierischer Produktion in der Moderne, Innsbruck 2016, S. 116–133.
Zitierhinweis: Katharina Löw, „Heute, mit der Maschine, ist die Arbeit in ein, zwei Stunden abgetan“ Tiere und Maschinen als Hilfsmittel menschlicher Arbeit, in: Alltagskultur im Südwesten, URL: […], Stand: 08.08.2020
Hinweis: Dieser Beitrag von Katharina Löw erschien unter dem Titel „Heute, mit der Maschine, ist die Arbeit in ein, zwei Stunden abgetan. Tiere und Maschinen als Hilfsmittel menschlicher Arbeit“ in der Publikation: Karin Bürkert und Matthias Möller (Hg.): Arbeit ist Arbeit ist Arbeit ist … gesammelt, bewahrt und neu betrachtet. Tübingen: Tübinger Vereinigung für Volkskunde 2019, S. 233-242.