©Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs
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Anerkennung von Leid und Unrecht

von Corinna Keunecke und Nora Wohlfarth
 

Ein Aspekt von Aufarbeitung ist die Anerkennung des erfahrenen Leids. Anerkennung kann verschiedene Formen annehmen. Eine gesellschaftliche und damit auch politische Anerkennung sind öffentliche Entschuldigungen. Bei der Abschlussveranstaltung der baden-württembergischen Anlauf- und Beratungsstelle des Fonds Heimerziehung im Herbst 2018 entschuldigte sich beispielsweise Sozialminister Manfred Lucha bei den ehemaligen Heimkindern im Namen der baden-württembergischen Landesregierung: „Ich weiß, dass keine Entschuldigung, keine noch so gut gemeinten Worte und keine finanziellen und sonstigen Hilfestellungen das Vergangene, Ihre ganz persönlichen Lebensgeschichten ungeschehen machen können.

Auch finanzielle Anerkennungsleistungen sind eine wichtige Form der Anerkennung. Diese Leistungen sind von Entschädigungen insofern zu unterscheiden, dass es auf sie keinen Rechtsanspruch gibt, sie also nicht einklagbar sind. Durch die Arbeit des Fonds Heimerziehung (eingerichtet 2012, inzwischen geschlossen) und der Stiftung Anerkennung und Hilfe (eingerichtet 2017) fand eine Form der gesellschaftlichen Anerkennung für ehemalige Heimkinder aus verschiedenen Arten von Einrichtungen statt, indem Betroffene, finanziert durch Bund, Länder und Kirchen, materielle Leistungen erhielten.

Die Einrichtung des Fonds Heimerziehung war eine der Empfehlungen des Runden Tischs Heimerziehung, ebenso wie der 2013 eingerichtete Fonds Sexueller Missbrauch, der Betroffenen sexualisierter Gewalt, nicht zuletzt ehemaligen Heimkindern, finanzielle Unterstützung ermöglicht. Diese finanziellen Leistungen wurden bzw. werden im Fall des Fonds Heimerziehung und der Stiftung Anerkennung und Hilfe durch Beratungsgespräche begleitet. In diesen Gesprächen sowie in therapeutischen Prozessen findet eine individuelle Aufarbeitung statt, ebenso wie eine individuelle Anerkennung. Denn auch die Anerkennung durch Einzelpersonen wie Beraterinnen und Beratern kann eine wichtige Rolle für Betroffene spielen. Zu hören „Ich glaube Dir“ bedeutet oft eine große Entlastung und Unterstützung für sie.

Eine institutionelle Aufarbeitung findet auf der Ebene von Einrichtungen und Trägern statt. Wenn diese eigene Aufarbeitungsstudien anstoßen, bedeutet das auch eine Form der Anerkennung des Leids der Betroffenen, insbesondere wenn sie dies mit Betroffenen gemeinsam tun. Inzwischen gibt es auch einige Einrichtungen in Baden-Württemberg, die Gedenkorte geschaffen haben. In jedem Fall ist Aufarbeitung kein Endpunkt oder Ziel. Der Fonds Heimerziehung und die Stiftung Anerkennung und Hilfe mögen ihre Arbeit zu einem festgelegten Zeitpunkt beenden, für die Betroffenen, aber auch für die Gesellschaft dauert die Auseinandersetzung mit den Missständen an.

Literatur

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