Jungenheim St. Antonius Waldachtal-Heiligenbronn

von Ewald Graf

 

Eine Ordensschwester mit Oberschülern des Jungenheims St. Antonius Waldachtal 1951 [Quelle: Archiv Stiftung St. Franziskus]. Aus rechtlichen Gründen wurden die Gesichtszüge der abgebildeten Personen anonymisiert. Zum Vergrößern bitte klicken.
Eine Ordensschwester mit Oberschülern des Jungenheims St. Antonius Waldachtal 1951 [Quelle: Archiv Stiftung St. Franziskus]. Aus rechtlichen Gründen wurden die Gesichtszüge der abgebildeten Personen anonymisiert. Zum Vergrößern bitte klicken.

Das Kloster Heiligenbronn betrieb in seiner Zweigstelle St. Antonius Heiligenbronn bei Salzstetten, heute Gemeinde Waldachtal (Kreis Freudenstadt), ab 1891 zunächst ein Kleinkinderheim, das 1903 nach Baindt umzog, und ab 1897 mit dem Ausbau des Standortes auch eine Knabenschule mit Heim. Die Jungen aus diesem „Kleinkinderasyl“ konnten so mit Beginn der Schulpflicht in der Einrichtung verbleiben bzw. kamen ab 1903 aus Baindt nach St. Antonius, während die gleichaltrigen Mädchen ins Mutterhaus Heiligenbronn gingen. In St. Antonius, das nach dem Auszug des Kleinkinderheims ganz von Schule und Jungenheim und dem zugehörigen Schwesternkonvent mit Landwirtschaft genutzt wurde, wurden darüber hinaus von Behörden auch Jungen als Fürsorgezöglinge direkt eingewiesen oder als Privatschüler aufgenommen.

Die Schule führte die Jungen, wenn möglich, zum Hauptschulabschluss, bot aber selbst keine anschließenden beruflichen Ausbildungsmöglichkeiten. Neben der Rückkehr zu den Eltern, der Vermittlung zu Pflegeeltern oder in eine Lehrstelle kam es auch zu etlichen Verlegungen in andere Erziehungsheime, wenn ersteres nicht in Frage kam oder eine geschlossene Einrichtung nötig schien.

Baulich änderte sich an der Situation in der Nachkriegszeit wenig bis auf den Bau eines kleinen Schwimmbads. Erst in den 1970er Jahren wurde der Plan eines Kinderdorfes mit kleineren Internatsgruppen realisiert. Allerdings war die Zahl der aufgenommenen Jungen bereits rückläufig, die in Spitzenzeiten auf bis zu 150 Jungen und 50 Schwestern angewachsen war – neben weltlichen Angestellten. 1982 wurden auch Mädchen aus dem geschlossenen Heim im Mutterhaus aufgenommen und das Heim St. Antonius als geschlechtsgemischtes Kinder- und Jugendheim fortgeführt. 1988 schloss das Kloster Heiligenbronn jedoch das Heim St. Antonius wegen mangelnder Nachfrage.

Manche Jungen erlebten in St. Antonius zum Teil bedrückende Gewalt- und Leiderfahrungen – neben vielen positiven Erfahrungen und Erlebnissen. Wie spätere Berichte aufgezeigt haben, gingen Gewalt und auch Missbrauch sowohl von anderen Jungen wie von Schwestern und angestellten Frauen und Männern aus. Die Pädagogik der Nachkriegszeit entfaltete insbesondere bei Jungengruppen oft ihre ganze Härte.

Solchen Leiderfahrungen haben sich das Kloster Heiligenbronn und die Stiftung St. Franziskus gestellt und sich zur Verantwortung für Gewalt- und Missbrauchserfahrungen bekannt. Sie bieten Hilfe an bei der Aktenrecherche und Aufarbeitung dieser Zeit sowie durch offene Gespräche.

Was die Akten der Schüler aus dem Kinderheim St. Antonius Waldachtal angeht, sind hier leider die Überlieferungsverluste bei den Unterlagen unter den pädagogischen Einrichtungen des Klosters am größten. Erhalten sind vorwiegend nur noch Aufnahmebücher, Schülerlisten und Stammblätter neben Chronik und Fotosammlungen. Eine Anfrage kann sich aber trotzdem lohnen.

 

Zum Autor: Ewald Graf leitet seit 2018 das Archiv der Stiftung St. Franziskus. Zuvor war er Leiter des Referats Kommunikation und Mitbegleiter einiger geschichtlicher Projekte und Publikationen der Stiftung.

 

ZitierhinweisEwald Graf, Jungenheim St. Antonius Waldachtal-Heiligenbronn, in: Heimkindheiten, URL: […], Stand: 09.02.2022.

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