Meyer, Franz Sales Bernhard 

Geburtsdatum/-ort: 09.12.1849;  Kenzingen i. Br.
Sterbedatum/-ort: 06.11.1927;  Karlsruhe
Beruf/Funktion:
  • Ornamentiker, Aquarellist
Kurzbiografie: 1866 Lehrerseminar Meersburg/Bodensee
1868 Architekturstudium an der Großherzoglichen Badischen Polytechnischen Schule Karlsruhe
1871-1873 Lehrer an der Landesgewerbehalle Karlsruhe
1873 Hauptlehrer an der neugegründeten Großherzoglichen Kunstgewerbeschule Karlsruhe und Lehrauftrag an der Baugewerbeschule Karlsruhe
1879 Ernennung zum Professor für Ornamentik
1885 Ehrenbürger der Stadt Kenzingen
1902 Ritterkreuz des Bertholds-Ordens
1915 Ehrenbürger der Stadt Meersburg
1919 Ruhestand
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: 1876 Karlsruhe, Maria Christina Karolina, geb. Weissert aus Kenzingen (gest. 1915)
Eltern: Vater: Georg Meyer (1822-1859), Hauptlehrer, Messner und Organist
Mutter: Anna Maria, geb. Weber (1827-1881)
Geschwister: 5, im Kindesalter 4 verstorben
Kinder: 3, ein Sohn im Kindesalter verstorben
GND-ID: GND/1012288684

Biografie: Helmut Reiner (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 4 (1996), 210-212

Ein Buchtitel der 80er Jahre lautet: „Ornament ist kein Verbrechen“. Wir leben im Zeitalter der sogenannten Postmoderne, wo Architekten und Designer ohne schlechtes Gewissen sich des Dekors wieder bedienen. Dies lenkt die Aufmerksamkeit auch auf die Persönlichkeit und das Wirken von Meyer, dessen die Stadt Kenzingen in Zusammenarbeit mit der AG für Geschichte und Landeskunde zum 140. Geburtstag mit einer Ausstellung gedachte. Daß man darüber hinaus wieder beginnt seine Fachbücher nachzudrucken, hat mit den eingangs erwähnten veränderten ästhetischen Bewertungen zu tun. Die qualitative Verarmung, die kärglichen funktionalen Massenprodukte der Nachkriegszeit lösten auch eine Rückbesinnung auf die hochentwickelte Ornamentkunst vergangener Epochen aus.
Als Pädagoge war es sein Anliegen, den reichen Schatz an Zierformen verschiedener Kulturen für die praktischen dekorativen Aufgaben seiner Zeit zu vermitteln: für Handwerk und Gewerbe, Innenarchitektur. Die schönen Ausdrucksformen für Hausrat, Schmuck und andere Gebrauchsgegenstände des Alltag waren gefragt.
Aus einer Lehrerfamilie stammend, hat sich bei Meyer die zeichnerische Begabung schon früh bemerkbar gemacht. Noch im Alter erinnert er sich an die Lektüre des „Lahrer hinkenden Boten“ und an ein uraltes Kräuterbuch, das mit den originellen Illustrationen seine jugendliche Fantasie erregte. Seine Meersburger Lehrer rieten ihm zum Studium mit dem Berufsziel eines Gewerbelehrers. Im Jahr der Reichsgründung beendete er seine Ausbildung und trat in der badischen Landeshauptstadt in den Schuldienst ein. Sein lebhaftes Naturell und die persönliche geistige Regsamkeit blieben seiner Umwelt nicht lange verborgen. Ein Stipendium erlaubte ihm einen Italienaufenthalt. In den 70er Jahren entsandte ihn das Unterrichtsministerium zu den großen Weltausstellungen nach Wien, Paris und Brüssel und zu andern in- und ausländischen Gewerbeausstellungen, um Erfahrungen zu sammeln für den eigenen Wirkungsbereich. Selbst über den deutschen Sprachraum hinaus galt der wissensdurstige junge Lehrer auf vielen Gebieten des Kunstgewerbes und der Pädagogik als Experte und Anreger. Auch stand seine fachliche Kompetenz als Juror und Berater in gutem Ansehen. Der vielseitig Interessierte arbeitete schon vor der Jahrhundertwende im Breisgau Geschichtsverein mit Kreisschulrat Hermann Sussann zusammen. In der Zeitschrift „Schau-ins-Land“ illustrierte er zahlreiche Beiträge über die Kenzinger Stadtgeschichte. Es waren jene Jahre, als man allerorten Kunstgewerbeschulen gründete. Zugrunde lag die Einsicht, daß das Gewerbe den zeitgemäßen Anforderungen nicht mehr entsprach. So hatte auch der bildungsfreudige Landesherr Großherzog Friedrich I. sich zur Einrichtung der Karlsruher Kunstlehranstalten entschlossen. Schon bald machte sich bei der Avantgarde die Abkehr vom ekletizistischen Historismus bemerkbar. Für die dekorative angewandte Kunst und das Kunstgewerbe setzte der neue Jugendstil enorme kreative Innovationen frei.
Meyers erste Veröffentlichung, das „Handbuch der Ornamentik“, ist eine Zusammenfassung der als Vorlageblätter für Unterrichtszwecke entwickelten ornamentalen Formenlehre. Kurz vor dem Tod des Verfassers erlebte dies die 12. Auflage. Das Werk ist in mehrere Fremdsprachen übersetzt. Dieses Konzept wurde 1883 durch ministeriellen Erlaß als Grundlage für den Zeichenunterricht in den Badischen Gewerbeschulen obligatorisch eingeführt.
Meyer war ein Kind seiner Zeit. Er spürte zwar die Vorboten der heraufkommenden-industriellen Ära mit all ihrer Dynamik und Intensität. In seiner konservativen Grundhaltung fühlte er sich als treuer Untertan der feudalen Obrigkeit. Seine Vorstellungen entsprachen vielleicht nicht dem, was sich in der Gesellschafts- und Kunstentwicklung ankündigte. An den fortschrittlichen Ideen der Jahrhundertwende nahm er nur bedingten Anteil. Wilhelm Liebknechts Bemühungen um die Arbeiter-Handwerker-Bildungsschule oder das spätere gesamtheitliche Konzept der Reimann-Schule in Berlin waren nicht sein Thema. Jedenfalls ist in den schriftlichen Hinterlassenschaften kein Gedankenaustausch über politische oder ästhetisch-pädagogische Probleme mit Kollegen oder Fachleuten überliefert.
Unbestritten bleibt, daß er ein überdurchschnittlich fähiger Erzieher war. Seine Freundschaft mit dem Karlsruher Gartendirektor Friedrich Ries vermittelte ihm wertvolle Anregungen für seine Beschäftigung mit der Landschafts- und Gartengestaltung.
Daß ihm die Stadt Meersburg als erstem die Ehrenbürgerschaft verlieh, dürfte darauf beruhen, daß Meyer als erster Feriengast dort jahrzehntelang seinen Urlaub verbrachte und darüber hinaus vor allem durch persönliche Initiative dazu beitrug, das Stadtbild positiv zu gestalten und die lokale Geschichtsforschung anzuregen. Bei einem so vielseitig veranlagten Menschen entsprang das Bücherschreiben sowohl dem Wunsch um Weitergabe eigenen Wissens und Könnens, wie auch dem Bedürfnis sprachlicher Mitteilsamkeit. Daher mögen die Neigungen zur poetischen und feuilletonistischen Bestätigung herrühren. Seine veröffentlichten Beiträge sind teils auch heute noch originell und lesenswert. Zahlreiche Aquarelle und farbige Skizzen bestätigen zudem seine künstlerischen Ausdrucksfähigkeiten.
Werke: Zahlreiche Skizzen, Zeichnungen u. Aquarelle; Über 100 Texte u. Plaudereien für Tageszeitungen, Kunstgewerblerlieder und diverse Gedichte. 1888-1922 14 Fachbücher (z. T. unter Mitarbeit von Kollegen); 1888 Handbuch d. Ornamentik, 12. Aufl. 1927, Handbuch d. Schmiedekunst; 1890 Handbuch d. Liebhaberkünste, Neuaufl. 1986, Das Schreinerbuch – Die Bau- u. Möbelschreinerei; 1891 Das Schlosserbuch; 1892 Das Zimmermannsbuch; 1894 Das Malerbuch; 1896 Das Steinhauerbuch; 1897 Die Feuerwerkerei; 1900 Das Einfamilienhaus u. seine Bauformen; 1904 Die Gartenkunst in Wort u. Bild; 1920 Handbuch d. Aquarellmalerei; 1921 Farben u. Farbenharmonie; 1922 Handbuch d. Perspektive: im Verlag E. A. Seemann, Leipzig, die drei letztaufgeführten im Paul Neff Verlag, Esslingen. Das Schreinerbuch, das Schlosserbuch, das Steinhauerbuch 1980-1982 im Nachdruck durch C. R. Vincentz-Verlag Hannover.
Nachweis: Bildnachweise: Foto, StAF, Bildnissammlung.

Literatur: ThB 24, 1930, 472; Xaver Schilling, F. S. Meyer – Versuch e. Lebensbildes, in: Ekkhart 1960, 53-59; Helmut Reiner, Vermittlung des Schönen galt seine Leidenschaft, in: BZ v. 4.11.1988; Helmut Reiner/Klaus Weber, Das Interesse d. Handwerker u. Künstler an F. S. Meyer, in: BZ v. 22.4.1989; Ilona Hüge, Ausstellung f. e. Kenzinger Ehrenbürger eröffnet, in: BZ v. 24.4.1989; Persönlichkeit + Wirken: F. S. Meyer 1849-1927, Sonderausgabe DIE PFORTE, 9. Jg. 17/1989. Hg. AG f. Gesch. u. Landeskunde, Kenzingen.
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