Wittmer, Heinrich 

Geburtsdatum/-ort: 21.07.1895;  Herbolzheim i. Br.
Sterbedatum/-ort: 30.10.1954;  Freiburg i. Br.
Beruf/Funktion:
  • Maler
Kurzbiografie: 1907-1913 Gymnasium in Ettenheim
1913-1914 Beginn einer Lehre bei Malermeister Vetter, Herbolzheim
1914-1918 Soldat im 1. Weltkrieg, Leutnant bei der Fliegerabwehr
1919 Abschluß der Malerlehre mit Gesellenbrief
1919-1921 Besuch der Landeskunstschule (Kunstakademie) Karlsruhe; Lehrer sind die Professoren Babberger, Gehri
1922 Freier Künstler in Berlin
1923 Übersiedlung nach Freiburg i. Br.
1923-1940 Beteiligung an Ausstellungen des Kunstvereins Freiburg, der Badischen Sezession, der Kunsthallen Baden-Baden, Mannheim, Berlin u. a. Orte
1930/31 Dürerpreis der Stadt Nürnberg. Studienaufenthalte in Paris, Basel und Zürich. Ab 1932 große dekorative Wandbilder in Freiburg, Baden-Baden, Bad Dürrheim, Fürth, Berlin, St. Moritz u. a. Orten
1940-1946 Reserveoffizier im 2. Weltkrieg, zuletzt Hauptmann der Flakartillerie; englische Kriegsgefangenschaft
1946-1947 Reisen als Varieté-Künstler; anschließend wieder freier Künstler in Freiburg i. Br.
1949 Lehrauftrag an der neugegründeten Staatlichen Kunstakademie in Freiburg i. Br.
1951 Studienreise nach Paris; Begegnungen mit Brancusi, Léger und Lhote; Große Ausstellung der Werke nach 1945 im Kunstverein Freiburg i. Br., zusammen mit Gerhard Marcks
1953 Große Ausstellung in Witten a. d. Ruhr; Studienreise nach Frankreich zu den Höhlenmalereien im Vezère-Tal
1954 30.10. Tod in Freiburg i. Br., Ernennung zum Professor der Staatlichen Akademie Freiburg kommt um Stunden zu spät
Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Verheiratet: 1922 Irma, geb. Simon (1898-1965)
Eltern: Vater: Wilhelm Wittmer (1864-1941), Prokurist in Herbolzheim i. Br.
Mutter: Luise Christine, geb. Stolz (1870-1945)
Geschwister: Wilhelm (1894-1895)
Frieda Baschang (1898-1938)
Kinder: Juliane Yvonne Bültermann (geb. 1930)
GND-ID: GND/1012412334

Biografie: Heinrich Bücheler (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 1 (1994), 382-373

Wittmers Zeichentalent zeigte sich schon in frühester Jugend und trug dazu bei, daß er das Gymnasium Ettenheim vor der Reifeprüfung verließ, um in einer renommierten Malerwerkstatt die handwerklichen Grundlagen seiner Kunst zu erlernen. Der 1. Weltkrieg führte Wittmer als Soldat nach Frankreich, das er dann später als Künstler immer wieder besuchte. An der Kunstakademie Karlsruhe fand seine frühe Liebe zur Tier-Darstellung ihre künstlerische Ausbildung. Professor Gehri leitete ihn an, das Wesen des Tieres zu erfassen und bildhaft zu gestalten. Von Professor Babberger lernte Wittmer den architektonischen Bildbau in großen Formaten. In seiner Entwicklung zum „Tiermaler“ spielten die Bilder Heinrich von Zügels, später diejenigen des von ihm hochverehrten, frühvollendeten Franz Marc und des Blauen Reiter eine gewisse Rolle, ohne daß von einer direkten Beeinflussung durch irgendwelche „Kunstrichtungen“ gesprochen werden kann. Dennoch: Die für die ganze Kunstepoche wegweisende Funktion des mit Wittmer fast gleichaltrigen Jugendstils ist nicht nur in der Ornamentik seiner frühen Fresken in Herbolzheim, sondern auch noch in späteren Wandgemälden spürbar. Und die in Paris 1912 von Robert Delaunay an August Macke und Franz Marc weitergegebene kubistische Sonderform mit ihren gebauten Bildräumen blieb auf Wittmer ebenfalls nicht ohne Wirkung. An Delaunays „Fensterbilder“, welche der Dichter Apollinaire „lichterzeugte Architektur“ nannte, erinnern Wittmers Gemälde mit Blick aus seinem Dachatelier im Freiburger Stadtteil Stühlinger.
Wittmers Schaffen kam stets „aus einer ursprünglichen Nähe zum unbewußten Leben“ (R. Giesler). Mit einem aquarellierten Giraffenkopf – nach anderer Quelle mit einem „springenden Clown“ – errang er 1930 seinen ersten großen Erfolg als Tier- und Zirkusmaler: den Dürerpreis der Stadt Nürnberg. Der unbewußten, nicht der intellektuellen Lebensform entsprang auch der zweite große Themenkreis Wittmers: die Zirkuswelt. Mit spürbarer innerer Sympathie für alles Artistische – Charly Rivels zählte zu seinen Freunden – schuf Wittmer immer neue „Clowns“ in großen und kleinen Formaten. Ein Clown, mitten in den Wagenpark seiner Wandertruppe gesetzt, erregte in der „Allgemeinen Unabhängigen Ausstellung“ in Berlin 1929 großes Aufsehen. Gleichzeitig schrieb der Freiburger Schriftsteller Franz Schneller anerkennend über eine Ausstellung von Werken Wittmers in Müllheim/Baden. Nur kurze Zeit arbeitete Wittmer in Berlin, dann wurde Freiburg i. Br., wo er zuletzt in der Egonstraße das Atelier hatte, seine künstlerische Heimat. Auch als Flakartillerist im 2. Weltkrieg fand er Gelegenheit zum Aquarellieren und Zeichnen, so 1940 im kriegszerstörten Neuenburg am Rhein. Der Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg gab erneut Gelegenheit zu großen Wandgemälden, wie Wittmer sie schon in den zwanziger Jahren in seiner Geburtsstadt Herbolzheim ausgeführt hatte. Neben der Lehrtätigkeit in Freiburg, der er sich hingebend und erfolgreich annahm, vertiefte Wittmer sich ab 1952 noch in Adolf Hölzels Theorien von der Harmonie der Farben und verfolgte aufmerksam dessen Ringen um eine „absolute Malerei“. In dieser Zeit war Wittmer Lehrender und Lernender zugleich. Zur Entgegennahme der Ernennung zum Akademie-Professor, zur Ausführung neuer Aufträge für Wandbilder und zu einem künstlerischen Altersstil kam Wittmer durch den plötzlichen Tod nicht mehr.
Werke: Ölbilder im Augustinermuseum/Museum für Neue Kunst Freiburg i. Br. Aquarelle im Stadtmuseum Neuenburg am Rhein sowie in Herbolzheim i. Br.; Zeichnungen in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, der Städtischen Kunsthalle Mannheim und in Witten a. d. Ruhr; Wandbilder in Baden-Baden, Berlin, Freiburg i. Br., Herbolzheim i. Br., Fürth und St. Moritz; Aquarelle, Ölbilder und Zeichnungen außerdem in Familien- und Privatbesitz sowie in der Galerie Emil Geppert, Herbolzheim i. Br.
Nachweis: Bildnachweise: Fotos in Familienbesitz, Freiburg i. Br. und Herbolzheim i. Br.

Literatur: ThB, Heinrich Wittmer, Bd. 36 (1947) 144; Rupert Gießler, Mensch und Tier in Plastik und Bild. Zur Ausstellung Gerhard Marcks und Heinrich Wittmers, in: Freiburger Kunstverein, in: BZ Nr. 163, S. 4. vom 20./21.10.1951; Ausstellungskatalog des Kunstvereins Freiburg Oktober 1951 (Gerhard Marcks und Heinrich Wittmer); ders., Ausstellungskatalog William Sträube und Heinrich Wittmer, Freiburg November 1955; Walter Schelenz, Heinrich Wittmer, Prospekt 1955; Ausstellungskatalog (Hg. Lokalverein Freiburg-Stühlinger e. V.), 100 Jahre Stühlinger-Ausstellung 1985, Freiburg (1985), 121 f.; Ausstellungskatalog Die Kunst der frühen Jahre (Hg. Museum für Neue Kunst, Freiburg i. Br.). Freiburg i. Br. 1992, 68/69
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