Eisenlohr, August Friedrich Wilhelm 

Geburtsdatum/-ort: 25.02.1833;  Mannheim
Sterbedatum/-ort: 12.03.1916;  Karlsruhe
Beruf/Funktion:
  • badischer Innenminister
Kurzbiografie: 1851 Abitur in Mannheim
1851-1855 stud. jur. Heidelberg und Berlin, 1855 I. juristische Staatsprüfung, anschließend Rechtspraktikant in Mannheim, Lahr, Freiburg
1857 II. juristische Staatsprüfung, anschließend bis 1860 als Sekretär beim Oberhofgericht Mannheim, Bezirksamt Überlingen, Regierung des Seekreises in Konstanz
1861 Sekretär beim Justizministerium in Karlsruhe
1863 Amtsrichter in Gernsbach
1864 Kreisgerichtsassessor in Baden-Baden; 1865 Kreisgerichtsrat ebda.
1866 Assessor im Innenministerium in Karlsruhe; 1867 Ministerialrat ebda.
1866-1870 Mitglied der 2. Kammer der badischen Landstände
1871 Ritterkreuz 1. Klasse des Zähringer Löwenordens, 1883 Eichenlaub zum Zähringer Löwenorden, 1884 Kommandeurkreuz des Zähringer Löwenordens, 1889 Stern zum Kommandeurkreuz
1874 Landeskommissär für die Kreise Karlsruhe und Baden-Baden
1877 Wahl in den Reichstag, nach Anfechtung für ungültig erklärt
1879 Geheimer Referendar
1883 Ministerialdirektor im Innenministerium und Stellvertreter des Präsidenten
1890 Staatsrat, Leiter des Innenministeriums
1892 Präsident des Innenministeriums; Großkreuz des Zähringer Löwenordens
1893 Verleihung des Titels „Minister“, Geheimrat I. Klasse
1896 Dr. jur. h. c. Freiburg
1900 Ruhestand; Großkreuz des Ordens Bertholds I.
1913 Goldene Kette zum Großkreuz
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1862 Anna, geb. Forch (1842-1924), Tochter des Oberkirchenrats Philipp Forch in Karlsruhe
Eltern: Vater: Jakob Friedrich Eisenlohr (1792-1847), Oberhofgerichtsrat in Mannheim
Mutter: Emma, geb. Welper
Geschwister: 1 Bruder (Prof. an der höheren Bürgerschule Durlach)
Kinder: 2 Töchter
GND-ID: GND/116427086

Biografie: Wolfgang Leiser (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 4 (1996), 72-74

Der von Reutlingen als Hofprediger nach Durlach berufene Johann Jakob Eisenlohr (16551736) wurde zum Ahnherrn einer der großen Beamtenfamilien des Landes, die untereinander vielfach versippt sind; ihr Name begegnet in der badischen Geschichte häufig. August Eisenlohr hat seinen Platz in der Verfassungsgeschichte des Landes, am Ende des Jahrhunderts wie der Monarchie.
Der tüchtige Jurist, arbeitsfreudige Beamte und menschlich geschätzte Vorgesetzte hatte nach eigenem Bekunden eine Laufbahn als Richter ins Auge gefaßt. Nach wenigen Jahren fand er sich jedoch in der Verwaltung, nicht im Justiz-, sondern im Ressort des Innern, wo er eine stetige Karriere durchlief, die ihn 1883 faktisch, 1890 auch formell an die Spitze des Ministeriums führte; mit der Titulatur der Ministerialchefs verfuhr man im Großherzogtum merkwürdig distinguierend, daß Eisenlohr erst 1893 „Minister“ wurde, ist für eine sachliche und politische Stellung wenig belangvoll. In der Leitung des Ressorts löste Eisenlohr den jahrzehntelangen Vertrauten Großherzog Friedrichs I. ab, Ludwig Turban, der altershalber aus der Schußlinie genommen wurde, als sich die innenpolitische Lage zuspitzte. Nachdem Eisenlohr verschlissen war, machte er dem glatten Karl Schenkel Platz, unter dem die Nationalliberalen dann ihre Großblockpolitik einleiteten.
Wer ein Jahrzehnt an der Spitze eines Ministeriums steht, hat viele Gesetze zu verantworten, vielleicht sogar initiiert. Der Abstand eines Jahrhunderts ist ein Sieb, das nur das über den Tag hinaus Weisende zurückhält. So sind aus der Amtszeit Eisenlohrs zunächst zwei Gesetze zu nennen, mit denen das Großherzogtum, das in Deutschland auf dem Gebiet der Verwaltungsrechtspflege vorangegangen war (1863 Gründung des Verwaltungsgerichtshofs), den Weg zum Rechtsstaat weiter ausbaute: Ein Gesetz vom 24. Februar 1880, „den Verwaltungsgerichtshof und das verwaltungsgerichtliche Verfahren betreffend“, glich die Stellung der Verwaltungsrichter jener der unabhängigen Diener der Dritten Gewalt an, und am 14. Juni 1884 erging das umfassende Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege. Damit wurden Grundsteine des modernen Rechtsstaates gelegt, die heute selbstverständlich und nicht mehr wegzudenken sind!
Den Zeitgenossen fiel an Eisenlohr ein besonderes Interesse an den wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Fragen auf. Er förderte nachdrücklich den Bau des Karlsruher Rheinhafens (1896 f.), der inzwischen zum zweitgrößten Binnenhafen geworden ist. Bemerkenswerter schien vor einhundert Jahren, daß der Minister einen Landwirtschaftsrat (1891) und einen Landesgewerberat (1893) ins Leben rief, zunächst als Beratergremien seines Hauses, zugleich aber auch als berufsständige Interessenvertretungen. In dieser Eigenschaft gewannen sie später, nach dem Rücktritt Eisenlohrs, erhebliche Bedeutung: Wir befinden uns in der „heißen“ Schlußphase des Ringens, das zu der großen Verfassungsreform von 1904 führte.
Baden hat bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus für Gemeinde- wie Landtagswahlen ein indirektes Wahlrecht mit Zensus. Seit 1867 galt auch im Großherzogtum für das Deutsche Zollparlament, seit 1871 für den Reichstag das gleiche und direkte Wahlrecht, mit der Folge, daß seit einer Motion von 1869 die Forderung nach genereller Einführung dieses Wahlrechts auf der Tagesordnung der Kammer blieb. Die großherzoglichen Regierungen sperrten sich und hatten dabei lange Zeit die Unterstützung der nationalliberalen Mehrheit. Die Situation wurde kritisch, als in Baden der Grundsatz der Einwohnergemeinde 1896, also unter Verantwortung Eisenlohrs, auch auf die kleinen Gemeinden ausgedehnt und für die mittleren die direkte Wahl zugestanden wurde; umso hartnäckiger verteidigten die Regierungen wenigstens den Zensus und die indirekte Wahl zur Kammer. Eisenlohr warnte das hohe Haus vor „übertriebener Gleichmacherei“ und „allzugroßer Demokratisierung“, so daß sich der Streit leicht personalisieren ließ und Sozialdemokraten wie Zentrum unter der Parole „Fort mit Eisenlohr!“ antraten. Die Auseinandersetzung wurde geradezu verletzend geführt, die Kammer sprach am 11. März 1898 ihr „Bedauern“ über die Haltung der Regierung aus; da im System des Konstitutionalismus ein solches Mißtrauensvotum irrelevant ist, wurde vierzehn Tage später ein Antrag nachgeschoben, dem Minister das Gehalt zu streichen! Um diese Zeit bereiteten die Nationalliberalen ihren Schwenk vor. Als Eisenlohr feststellte, daß er bei der Partei, der er selber zugehörte, keinen Rückhalt mehr besaß, trat er zum 1. Oktober 1900 zurück. Die von ihm verbreitete Erklärung, er halte sich gesundheitlich den zu erwartenden Auseinandersetzungen nicht mehr gewachsen, wird man dem alten Herrn nicht zurückweisen. Seit der Publikation der Briefe und Akten des Großherzogs durch W. P. Fuchs (Band 4, 1980) ist der Hintergrund aber voll ausgeleuchtet: Der Fürst hatte sich in der Wahlrechtsfrage bis zur Immobilität festgelegt und mußte jetzt die Person auswechseln; er schaue „nur mit Dankbarkeit an die langen Jahre seiner Tätigkeit im Staatsdienste zurück“ und „gönne ihm die Ruhe und den Frieden der freien Lebensstellung“ – die in schönem Rhythmus erfolgten Ordensverleihungen bezeugen das Wohlwollen des Landesherrn.
1904 trat die Revision der Verfassung in Kraft: Das Landtags- wurde dem Reichstagswahlrecht angeglichen, während es bei den Kommunen keine Konzessionen gab. Jetzt kamen auch Organisationen, die Eisenlohr geschaffen hatte, zu neuartigem Gewicht: Vertreter der Landwirtschaft, des Handwerks (sowie des Handels) erhielten in der Ersten Kammer Sitz und Stimme und brachten im Rahmen des alten Systems ein berufständisches Element zur Geltung, freilich noch immer nur des Mittelstandes. Über den Menschen Eisenlohr ist jenseits der Laudationen seiner Nachrufe heute nurmehr wenig zu ermitteln. Er war der erfahrene Fachminister alten Stils, sachlich und knapp, weder blendender Redner, noch Meister der Taktik aus dem Hintergrund; Versuche, das Medium der Presse einzusetzen, wurden bald wieder aufgegeben auf diesem Gebiet war selbst der alte Großherzog agiler! Den Ruhestand verbrachte Eisenlohr zunächst in Baden-Baden, dann in der Residenz. Seine Töchter waren mit hohen badischen Beamten der eigenen Couleur verheiratet, doch starb der eine lange vor ihm, und sein einziger Enkel blieb im Ersten Weltkrieg. Die Beisetzung des dem Streit des Tages längst Entrückten erfolgte schlicht, ohne tönende Worte im engsten Kreis, das Grab auf dem Karlsruher Hauptfriedhof besteht nicht mehr.
Nachweis: Bildnachweise: vgl. Lit.

Literatur: Chronik d. Haupt- u. Residenzstadt Karlsruhe 1916, 322 m. Bild; Nachruf von Karl Glockner, in: Zs. f. bad. Verwaltung u. Verwaltungsrechtspflege 48 (1916), 37-45; Dt. Geschlechterbuch 101 (1938), 95-177, hier insbes. S. 165 mit Bild; NDB 4 (1959) 416 f.
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