Noppel, Constantin 

Geburtsdatum/-ort: 02.08.1883;  Radolfzell
Sterbedatum/-ort: 02.07.1945;  Stuttgart
Beruf/Funktion:
  • Sozialpädagoge, Schriftsteller
Kurzbiografie: 1902 Abitur in Konstanz
1902-1909 Studium der Theologie in Rom
1908 Priesterweihe in Rom
1909 Eintritt in die Gesellschaft Jesu (in Tisis bei Feldkirch/Vorarlberg); Noviziat
1912-1913 Studium sozialer Fragen in Valkenburg/Holland
1913-1919 Arbeit mit gefährdeter Großstadtjugend in Berlin
1919-1932 Erster Landescaritasdirektor in München. Führende Tätigkeit in der Jugendfürsorge und freien Wohlfahrtspflege in Bayern
1932-1935 Rektor des Collegium Germanicum in Rom
1936-1944 Hausgeistlicher im Kneipp-Sanatorium St. Urban in Freiburg i. Br., Schriftsteller (Pastoraltheologie)
1944-1945 Superior des Bischöflichen Studienheims „Stella Maris“ in Stuttgart
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Eltern: Vater: Konstantin Noppel, Kaufmann, Bürgermeister und nationalliberaler Reichstagsabgeordneter
Mutter: Anna Maria, geb. Kürzel
Geschwister: 2
GND-ID: GND/117054909

Biografie: Hans-Josef Wollasch (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 2 (1987), 211-213

Theologie zu studieren, zur Verblüffung der bürgerlich-liberalen Verwandtschaft, war der eigene Entschluß des ausgezeichneten, stets scheu und zurückhaltend wirkenden Schülers. Die Wahl der Studienstätte in Rom – und damit möglicherweise die Weichenstellung für den Eintritt in den Jesuitenorden – ging auf das Anraten Conrad Gröbers zurück, Rektor des Internats „Conradihaus“ in Konstanz, zu dem der Abiturient eine lebenslange freundschaftliche Beziehung aufbaute. Nach Studium, Doktorat, Priesterweihe und kurzer Seelsorgevertretung (in Hindelwangen bei Stockach) entschied sich Noppel 1909 für das Noviziat und weitere Studienausbildung in der Gesellschaft Jesu. Sein Angerührtsein von sozialen Problemen führte ihn zu eigenem Einsatz vor allem auf zwei Tätigkeitsfeldern: bei der organisierten Caritas und in der Jugendfürsorge.
Schon 1915 veröffentlichte er eine Denkschrift, die dem von Lorenz Werthmann gegründeten Caritasverband den Weg aus der strukturellen und finanziellen Krise wies und ihm die entscheidende Förderung durch die deutschen Bischöfe sicherte. In dieser Zeit, in den Jahren des Ersten Weltkriegs, lebte Noppel in Berlin, wo er sich ohne jede eigene Schonung der katholischen Jugendlichen annahm, die weder Arbeit noch ein Zuhause hatten. Durch Sachunterstützung, Jugendgerichtshilfe, Stellenvermittlung, mit einem Zufluchtsheim, das er mit drei Betten begann und selbst führte, mühte er sich um die Eingliederung hunderter von gefährdeten oder schon straffällig gewordenen Jugendlichen. Auch in der bündischen Jugendarbeit der Nachkriegsjahre wurde Noppel aktiv. Vor allem innerhalb der 1929 gegründeten „Sturmschar des Katholischen Jungmännerverbandes“ zählte er zu den prägenden Kräften und arbeitete über ein Jahrzehnt lang mit einer eigenen Gruppe in der Pfarrei St. Johann Baptist in München-Haidhausen. Neben dieser sozialpädagogischen Tätigkeit, stark seelsorglich-liturgisch ausgerichtet, eignete sich Noppel ein solides Fachwissen an, das er in der gesetzlichen Entwicklung der Jugendfürsorge der Weimarer Zeit fruchtbar einzusetzen vermochte. Als eindrucksvoller Beleg hierfür sei sein Mitwirken bei den Beratungen zum Reichsjugendwohlfahrtsgesetz von 1922 genannt, wo er als beauftragter Sachverständiger die Interessen des Deutschen Caritasverbandes und des Katholischen Jungmännerverbandes vertrat.
Für die deutsche Caritas wurde Noppel, seit er 1919 nach München übergesiedelt war, sehr bald ein wertvoller Vorkämpfer auf dem gesamten Gebiet der Jugendhilfe. Ein weiteres, unschätzbares Verdienst hatte sie ihm zu danken: In klarer Erkenntnis organisatorischer Notwendigkeiten und Möglichkeiten fand er die Lösung vernünftiger Zusammenarbeit zwischen den acht bayerischen Diözesancaritasverbänden und dem reichsweiten Zentralverband. 1922 wurde er der erste Leiter des neugeschaffenen Landescaritasverbandes für Bayern und blieb es ein Jahrzehnt hindurch. Es wurde seine große Bewährung als caritasinterner Verbindungsmann, als Koordinator und Motor der von ihm herbeigeführten Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege in Bayern sowie als fachkundiger Partner der Landesbehörden im Bereich der Fürsorge und Sozialpolitik.
1932 berief ihn das Generalat der Jesuiten in Rom als Rektor an das dortige Collegium Germanicum. Mit hohen Anforderungen hat Noppel, ein Musterbeispiel der Selbstdisziplin, die ihm anvertrauten Theologen zu vorbildhaften Priestern zu formen versucht. Vom Kolleg aus pflegte er die Verbindung zu den Altgermanikern in den mitteleuropäischen Ländern. Er übernahm vielfältige Mittlerdienste zwischen der Katholischen Aktion in Deutschland und dem Vatikan, was von 1933 an zunehmend gefährlich wurde. Daß er die Bestrebungen des deutschen Vatikanbotschafters abwehrte, Lehrkräfte und Schulung an dieser berühmten, elitären Priesterausbildungsstätte in den Dienst der nationalsozialistischen Weltanschauung zu stellen, hat ihm dieser mit der beim Ordensgeneral erwirkten Absetzung vergolten (1935).
Noppel kehrte nicht nach München zurück, wo er so lange und erfolgreich als anerkannter Fachmann der Wohlfahrtspflege gearbeitet hatte, wo sich sein Provinzhaus befand und auch die Schriftleitung der ordenseigenen „Stimmen der Zeit“, der er seit 1920 angehört hatte, von 1936 an jedoch nicht mehr. Er ging nach Freiburg, in die unscheinbare Stelle eines Hausgeistlichen im Kneipp-Sanatorium St. Urban, welches die Barmherzigen Brüder vom Provinzialat Trier führten. 1940 übernahm er zusätzlich die Seelsorge für das im Haus eingerichtete Reservelazarett, eine Pflicht, die ihm schon aus seiner Berliner Zeit gewohnt war. Die räumliche Nähe zur Caritaszentrale im Werthmannhaus ermöglichte ihm eine Verdichtung der bisherigen Zusammenarbeit mit dem Caritasverband. Für Erzbischof Gröber, mit ihm per „Du“ und seit über drei Jahrzehnten befreundet, wurde er ein vertrauter Berater.
Das besondere Erträgnis der Freiburger Jahre aber ist Noppels schriftstellerisches Werk. Aus seiner vielseitigen und reichen praktischen Erfahrung heraus veröffentlichte er mehrere grundlegende Bücher über Seelsorge und christliche Gemeinde, die als Lehr- und Handbücher, als direkte Arbeitshilfen für Geistliche gedacht waren und gewertet wurden. Die Erneuerung der Gemeinde der Gläubigen, im Rahmen einer zu erneuernden Pfarrei, unter stärkerer Anteilnahme der Laien am Apostolat, war die Mitte seiner Gedanken.
„Mangels der erforderlichen politischen Zuverlässigkeit“, weil er früher als „geistiger Führer des Friedensbundes deutscher Katholiken ... pazifistische Ziele in extremer Form“ verfolgt und damit landesverräterische Bestrebungen an den Tag gelegt habe, wurde Noppel von der Reichsschrifttumskammer 1941 jede schriftstellerische Tätigkeit untersagt.
Im Herbst 1944 wurde ihm das seit drei Jahren verwaiste Amt des Superiors am Bischöflichen Studienheim „Stella Maris“ in Stuttgart übertragen. Hier hat Noppel ein letztes Mal ein Grundsatzdokument für den Deutschen Caritasverband verfaßt, das allerdings nicht zum Tragen kam. Er entwarf eine „Caritas-Enzyklika“, mit welcher der Verband die Leitung der Amtskirche zu gesteigerter, nachdrücklicher Unterstützung der organisierten Caritasarbeit in der ungeheuren Not der Nachkriegszeit zu bewegen plante.
Eine urplötzlich notwendige Operation (Darmverschluß), einen Monat vor Vollendung seines 62. Lebensjahres, überstand Noppel nur wenige Stunden. Am 6. Juli 1945 wurde er auf dem Stuttgarter Waldfriedhof beigesetzt; 1961 wurde er nach Neuhausen/Fildern, zehn Jahre später auf den Ordensfriedhof von München-Pullach umgebettet.
Wo immer Noppel beruflich oder aus Eigeninitiative tätig war, in der Straffälligenhilfe und in der Jugendfürsorge, in Wohlfahrtspflege und Sozialpolitik, in Caritasarbeit und Seelsorge, stets zielte sein Denken und Tun auf das Wohl der Jugend. Ein Mann von nahezu asketischer Selbstzucht, anderen gegenüber zwar geradlinig und bestimmt, getrieben jedoch von einer nie ermüdenden Nächstenliebe, hat er junge Menschen, denen er begegnete, zu begeistern gewußt. Die vielen, die ihm bis zu seinem Tode aus allen Lebenslagen Briefe schrieben, waren Echo auf diesen Dienst am andern, der gespeist wurde aus Noppels grenzenloser Bezogenheit auf Christus hin.
Werke: (Auswahl) Zahlreiche Beiträge in den „Stimmen der Zeit“; Denkschrift über den Ausbau der katholischen Caritasorganisation, hg. DCV, Freiburg 1915; Soll die Staatsaufsicht über die freie Wohlfahrtspflege in die Friedenszeit hinübergenommen werden?, [Denkschrift], hg. DCV, Freiburg 1917; Die Not unserer katholischen männlichen Jugend, insbesondere der ortsfremden, und die Aufgabe der Caritas. Das caritative Jugendheim, Freiburg 1918; Jugendzeit. Ein Beitrag zum Wiederaufbau Deutschlands (= Ergänzungshefte zu den „Stimmen der Zeit“, Erste Reihe: Kulturfragen, H. 3), Freiburg 1921; Die katholische Jungmännerbewegung als Träger jungkatholischer Begegnung, in: Jugendführung, Zs. f. Pädagogik der reifenden männlichen Jugend 17 (1930), 33-52; Aedificatio Corporis Christi. Aufriß der Pastoral, Freiburg 1937, 1949 2. Aufl.; Einführung in die Caritas, Freiburg 1938; Das Sakrament der Priesterweihe, Dülmen/W. 1939; Die neue Pfarrei. Eine Grundlegung, Freiburg 1939.
Nachweis: Bildnachweise: Fotos: A Oberdeutsche Provinz SJ, München; A des DCV.

Literatur: Gustav von Mann, in: Jugendwohl 29 (1948), 34; Korrespondenzblatt für die Alumnen des Collegium Germanicum-Hungaricum, [Rom] 1945, 35-38; H.-J. Wollasch, Ein Kaufmannssohn aus Radolfzell als Pionier für Jugendpflege und Seelsorge. Zum 100. Geburtstag von P. C. Noppel SJ (1883-1945), in: Hegau 40 (1983), 7-58; ders., Eine „Caritas-Enzyklika“ aus dem Jahre 1945, in: Caritas '86, Jb. des DCV 1985, 329-340.
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