Durm, Josef Wilhelm 

Geburtsdatum/-ort: 14.02.1837;  Karlsruhe
Sterbedatum/-ort: 03.04.1919;  Karlsruhe
Beruf/Funktion:
  • Architekt und Architekturhistoriker
Kurzbiografie: 1843-1854 großherzogliches Lyzeum in Karlsruhe, Schlußprüfung am Gymnasium Bruchsal
1854-1858 Polytechnische Schule in Karlsruhe. Lehrer: Friedrich Theodor Fischer, Heinrich Lang, Jakob Hochstetter
1858-1860 „Baukandidat“ bei der Baudirektion Karlsruhe
1860 Fachprüfung bei Baudirektor Heinrich Hübsch
1860-1862 „Baupraktikant“ bei der Baudirektion in Karlsruhe
1863 Beurlaubung aus dem Staatsdienst, Tätigkeit bei Baumeister Konrad Kraus in Mainz
1864 Erneute Tätigkeit bei der Baudirektion in Karlsruhe
1865-1867 Stipendium der badischen Regierung für Studienaufenthalt in Italien
1868-1919 Prof. der Architektur am Polytechnikum in Karlsruhe
1869 Ruf an das Polytechnikum Darmstadt abgelehnt
1877 Ruf an das Polytechnikum München abgelehnt
1882-1887 außerordentliches Mitglied der Baudirektion des Großherzogtums Baden
1886 Nachfolger Rudolf Redtenbachers bei der Inventarisation und Publikation der weltlichen Kunstdenkmäler
Ehrenbürger der Stadt Heidelberg und Dr. h. c. der Universität Heidelberg anläßlich der 500-Jahrfeier
1887 Baudirektor des Großherzogtums Baden
1890 Wissenschaftliche Expertise Durms in Troja über die Ausgrabungen Schliemanns auf dessen und des Architekten Wilhelm Dörpfelds Bitte
1892 Ernennung zum außerordentlichen Mitglied der Akademie des Bauwesens in Berlin
1894 Oberbaudirektor
1895 Einladung der griechischen Regierung, nach Athen zu reisen als Mitglied eines dreiköpfigen Gremiums, das nach dem Erdbeben das Parthenon konsolidieren und restaurieren sollte (mit L. Magne, Paris, und F. Penrose, England)
1902 Im Dezember Aufhebung der Baudirektion, Pensionierung Durms unter Belassung der Lehrtätigkeit am Polytechnikum in Karlsruhe
1903 Ernennung zum Dr. Ing. h. c. der Technischen Hochschule Charlottenburg
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk., später altkath.
Verheiratet: 1877 Marie, geb. Saal, Tochter des großherzoglich-badischen Hofmalers Georg Saal aus Baden-Baden
Eltern: Vater: Philipp Durm, Schneidermeister in Karlsruhe
Mutter: Katharina, geb. Singer aus Karlsruhe
Geschwister: Schwester Karoline und Josefine
Kinder: Söhne Leopold (1878-1918), Dr. med. und Maler, und Rudolf (1881-1939), Dr. Ing.
GND-ID: GND/118681311

Biografie: Ulrike Grammbitter (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 2 (1987), 70-72

Durm wächst in Karlsruhe auf und besucht dort die Bauschule der Polytechnischen Schule. Diese war geprägt von zwei namhaften Architekten und Architekturtheoretikern: Friedrich Weinbrenner und Heinrich Hübsch.
Das Jahr 1854, in dem Durm seine Studien dort aufnimmt, bringt für die Bauschule tiefgreifende personelle Veränderungen. Friedrich Eisenlohr und Heinrich Hübsch legen ihre Lehrämter nieder. Hübsch wird als Vorstand der Bauschule von Friedrich Theodor Fischer abgelöst. Fischer ist kein Vertreter des von Hübsch geprägten Rundbogenstils, sondern ein Weinbrennerschüler. Zum Lehrerkollegium zählen außerdem Hochstetter, ein Hübsch-Epigone und Lang, der von Hübsch und Eisenlohr beeinflußt ist, aber auch Anregungen Fischers verarbeitet. Der Schüler Durm hat also die Möglichkeit, sich mit verschiedenen historisierenden Architekturströmungen auseinanderzusetzen. Fischer, der den jungen Durm unter seine Fittiche nimmt, vermittelt ihm, da die wirtschaftliche Lage im Großherzogtum Baden Mitte der 60er Jahre für einen Architekten nicht sehr günstig ist, ein Stipendium für Italien.
Nach seiner Rückkehr macht Durm durch seine engagierte Stellungnahme in der „Deutschen Bauzeitung“ zu einer Kritik des Kunsthistorikers Wilhelm Lübke auf sich aufmerksam. Lübke hatte kritisiert, daß die Karlsruher Bauschule den Stil Hübschs verknöchert ohne Phantasie weiterführe, so daß die badische Architektur dringend einer Neubelebung durch eine schöpferische Kraft bedürfe. Da man Durm für einen solchen Mann hielt, wird der Einunddreißigjährige zum Professor der Architektur an der Polytechnischen Schule ernannt. Die ersten größeren Privataufträge fallen in das Jahr 1869, die Auftraggeber, die Fabrikanten Schmieder und Mayer, stammen aus wohlhabenden Karlsruher Familien. Außerdem festigt Durm seinen Ruf als Architekt mit Kommunalaufträgen wie dem Vierordtbad und der Festhalle in Karlsruhe.
Neben seiner Tätigkeit als Lehrer und ausübender Architekt widmet er sich zugleich der Forschung. 1881 begründet er mit den Architekten Hermann Ende (Berlin) und Eduard Schmitt (Darmstadt) die Reihe „Handbuch der Architektur“, noch heute ein geschätztes Nachschlagewerk.
Im Jahre 1887 beginnt die zweite Karriere des Architekten Durm, als er zum Leiter der obersten staatlichen Baubehörde ernannt wird – ohne dabei sein Lehramt aufzugeben. Der neue Baudirektor versteht es, diesem Amt wieder das Ansehen zu verleihen, das es unter Weinbrenner und Hübsch einmal hatte. Alle staatlichen Bauprojekte müssen ihm vorgelegt werden, er nimmt dabei teilweise bis ins Detail Einfluß. Durch seine autoritäre Amtsführung schafft sich Durm viele Feinde. Die großen Staatsbauten führt er selbst aus, so in Karlsruhe die Kunstgewerbeschule, das Oberlandesgericht, ferner das Erbgroßherzogliche Palais. Die Auseinandersetzungen um dieses Gebäude führen letztlich zur Auflösung der Baudirektion im Jahr 1902. Durm wird in den Ruhestand versetzt; das Lehramt behält er bei. Die Pensionierung schmälert weder Durms Ansehen noch seinen Ruf als Bauhistoriker. Er übernimmt wieder Privataufträge, sein letzter ist 1908 das Gebäude der Oberrheinischen Versicherungsgesellschaft in Mannheim. Allmählich schwindet sein Einfluß am Polytechnikum. Auch in Karlsruhe setzen Friedrich Ostendorf und Hermann Billing neue Vorstellungen durch, orientiert an einem gemäßigten Jugendstil mit klassizistischen Reminiszenzen.
Durms Werk läßt sich in drei Phasen einteilen: In der Frühphase zeigen seine Bauten den Stil der italienischen Frührenaissance, gegen Ende der 70er Jahre nehmen Elemente des italienischen Cinquecento und der französischen und deutschen Renaissance zu, im Spätstil verarbeitet er Einflüsse des Barock und in der Dekoration die des Jugendstils. Seine Bauten sind jedoch nie Kopien, sondern schöpferische Synthesen. Im Spätstil wird die Leichtigkeit der Komposition von einer repräsentativen Monumentalität verdrängt. Seine Bauten, von denen viele noch heute als öffentliche Gebäude genutzt werden, zeichnen sich durch außerordentlich gut konzipierte Raumeinteilungen und Grundrisse aus.
Werke: (Auswahl): Privatbauten in Karlsruhe: Häuser Schnabel (1865), Mayer (1869), Schmieder (1869), Lautermilch (1872), Nagel (1872), Rheinische Kreditbank (1872), Häusergruppe Langestraße (1873), Palais Bürklin (1878), Palais Schmieder (1881); In Radolfzell: Villa Scheffel (1872); in Pforzheim: Häuser Hepp und Maischhofer (1875); in Badenweiler: Schlößchen Allcard (1900).
Öffentliche Bauten in Karlsruhe: Synagoge (1872), Friedhofanlage (1873), Amtsgefängnis (1893), Kunstgewerbeschule, Erweiterungsbau (1893), Aula- und Hörsaalbau (1893), Bezirksamtsgebäude (1894); in Freiburg: Chemisches Institut (1880), Physikal. und physiol. Institut (1888), rk. Kirche St. Johann in der Wiehre (1889), Friedrichsgymnasium (1900); in Heidelberg: Festhalle (1886), Hygien. Institut (1887), Gymnasium (1888), Universitätsbibliothek (1897); in Baden-Baden: Amtsgericht (1886), Landesbad (1886), Kaiserin-Augusta-Bad (1887); in Badenweiler und Schopfheim: die evangelischen Kirchen (1887); in Überlingen: Pfarrhaus (1887), Amtsgericht (1888), Amtsgefängnis (1899); in Villingen: Amtshaus (1887); in Konstanz: Amtshaus (1889); in Säckingen: Amtsgericht (1889); in Achern: Obereinnehmereigebäude (1890). Zahlreiche kleinere Aufträge, unausgeführte Entwürfe und Um- bzw. Anbauten. Alle Preisrichterämter, Orden und Reisen sind in der Dissertation von U. Grammbitter im Anhang als Listen aufgeführt.
Nachweis: Bildnachweise: Gemälde (Durm im 78. Lebensjahr) im Institut für Baugeschichte in Karlsruhe, Sign.: Leopold Durm 1914. 1,40 : 0,86 m.

Literatur: Ulrike Grammbitter, J. Durm 1837-1919. Eine Einführung in das architektonische Werk. Phil. Diss. München 1984. Dort Bibliographie der Schriften Durms und der Sekundärliteratur zu Durm.
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