Senger und Etterlin, Fridolin Freiherr von Rudolf Theodor 

Geburtsdatum/-ort: 04.09.1891;  Waldshut/Baden
Sterbedatum/-ort: 04.02.1963;  Freiburg/Br., Grabstätte in Häg/ Wiesental
Beruf/Funktion:
  • General der Panzertruppe
Kurzbiografie: 1900-1910 Besuch der Humanistischen Gymnasien in Konstanz und Offenburg
1910-1914 Jurastudium in Freiburg i. Br. und als Rhodes Scholar am St. John’s College Oxford; Einjährig-Freiwilliger im Feldartillerieregiment 76
1914-1918 Westfront; Leutnant/Oberleutnant Feldartillerieregiment 76, Ord.Offz XIV. Reserve-Korps
1919-1920 Oberleutnant im Artillerieregiment 16 und Reiterregiment 5 der Reichswehr
1921-1932 Reiterregiment 18 Ludwigsburg; Stabsdienst, Adjutant und Eskadronschef; 1927 Rittmeister
1932-1934 Adjutant Reiterbrigade Hannover; 1934 Major
1934-1938 Verwendung im Oberkommando des Heeres, Inspektion der Kavallerie; 1936 Oberstleutnant
1938-1939 Kommandeur Kavallerieregiment 3; 1939 Oberst
1940 Mai/Juni Kommandeur der Schnellen Brigade von Senger im Westfeldzug
1940-1942 Chef Deutsche Delegation der Italienisch/Französischen Waffenstillstandskommission in Turin; September 1941 Generalmajor
1942/43 Kommandeur 17. Panzerdivision an der Ostfront; Februar 1943 Ritterkreuz
1943 Juni-Aug. Wehrmachtsbefehlshaber in Sizilien, Sardinien und Korsika; Rückführung der deutschen Truppen von den Inseln; 01.06.1943 Generalleutnant
1943 Oktober bis Kriegsende Kommandierender General des XIV. Panzerkorps in Italien; 01.01.1944 General der Panzertruppe; April 1944: Eichenlaub zum Ritterkreuz
1945-1948 Kriegsgefangenschaft in Italien und in Wales/England
1949-1955 Leiter der Zweigschule (von Schule Schloß Salem) Spetzgart bei Überlingen
1950-1963 Vielseitige publizistische Tätigkeit
Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Verheiratet: 1919 Dessau, Hilda Margaretha, geb. von Kracht (1891-1983)
Eltern: Gustav Fridolin Otto Freiherr von Senger und Etterlin (1858-1927), Landrat bzw. Oberamtmann in Überlingen
Maria Magdalena, geb. Siefert-Schlund (1865-1911)
Geschwister: Elisabeth (1893)
Johann (1894)
Hadwig (1903)
Kinder: Ferdinand Maria, Dr. jur., General der Bundeswehr (1923-1987)
Maria Josepha, Gräfin Gani (1926)
GND-ID: GND/11941886X

Biografie: Heinrich Bücheler (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 2 (1999), 431-432

Senger und Etterlin bezeichnete sich selbst als „Zufallsoffizier“; dem Rhodes-Stipendiaten und Laienmitglied des Benediktiner-Ordens hätten nach Eignung und Leistung auch viele andere Laufbahnen offengestanden. Nach dem 1. Weltkrieg wechselte er von der Artillerie, die stark den Beschränkungen des Versailler Vertrags unterlag, zur Kavallerie, welcher drei Divisionen zugestanden waren. Elf Jahre diente Senger und Etterlin im Reiterregiment 18 der Reichswehr in Cannstatt. Im Truppendienst wie in seiner vierjährigen Verwendung in der Kavallerie-Inspektion des Oberkommandos des Heeres galt er früh als „moderner Kavallerist, der in Ausbildung und Menschenführung unter die bedeutendsten Reiterkommandeure gezählt wurde“ (J. A. Graf von Kielmansegg). Zum Nationalsozialismus wahrte Senger und Etterlin, wie Zeitzeugen sich erinnerten, „frühzeitig inneren Widerstand“, ohne jedoch den Weg der aktiven Auflehnung zu beschreiten.
Die den Versailler Vertrag unterlaufende Entwicklung der Heereskavallerie zur Panzertruppe war eine Grundlage für den deutschen Überraschungssieg im Westfeldzug 1940, in welchem Senger und Etterlin während der „Schlacht um Frankreich“ die gepanzerte „Schnelle Brigade Senger“ führte. Im Juli 1940 wurde er auf Veranlassung des Generals Carl-Heinrich von Stülpnagel zum „Chef der deutschen Delegation bei der italienisch-französischen Waffenstillstandskommission“ in Turin ernannt, wofür Senger und Etterlin durch seine Sprach- und Weltkenntnis besonders qualifiziert war. Diese zweijährige militärpolitische Tätigkeit in Turin war jedoch, wie er berichtete, „immer nur eine vermittelnde“. Im Oktober 1942 bekam Senger und Etterlin wieder ein Truppenkommando und wurde Kommandeur der 17. Panzerdivision an der Ostfront. Die Leistungen dieser Division, vor allem bei den Kämpfen am Donez im Februar/März 1943, wurden in der deutschen Tagespresse gewürdigt, Senger und Etterlin dafür mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet.
Die nach Abschluß der Kämpfe in Nordafrika drohende Invasion Siziliens war ursächlich für die Beorderung des Italien-Kenners Senger und Etterlin im Juni 1943 als deutscher Verbindungsoffizier bei dem auf Sizilien führenden italienischen Armeeoberkommando 6 des Generals Guzzoni. Am hinhaltenden Widerstand der dort stehenden zwei deutschen Divisionen vom 10. Juli bis Mitte August 1943 und an ihrer meisterhaften Rückführung über die Straße von Messina trotz feindlicher Luft- und Seeherrschaft hatte Senger und Etterlin hohen Anteil. Wie im Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht verzeichnet ist, schlug dann der Oberbefehlshaber Süd am 4.9.1943 dem OKW „den auf Sizilien bewährten General von Senger und Etterlin“ als Wehrmachtsbefehlshaber auf Sardinien und Korsika vor. Innerhalb von vier Wochen gelang Senger und Etterlin die Konzentration der beiden deutschen Insel-Besatzungen im Norden Korsikas und ihre Überführung von Bastia auf das italienische Festland. Am 4.10.1943 konnte der Oberbefehlshaber Süd den Abschluß der Räumung Korsikas melden. Zuvor hatte Senger und Etterlin entgegen dem Führerbefehl, alle nach dem 10.9. auf Korsika gefangengenommenen italienischen Offiziere zu erschießen, diese auf das Festland entkommen lassen.
Die nun anschließende Verwendung als Kommandierender General des XIV. Panzerkorps band Senger und Etterlin endgültig an den italienischen Kriegsschauplatz. In geschickter Kampfführung gegen die 5. US-Armee des Generals Mark W. Clark trug er wesentlich zur verhältnismäßigen Stabilität der deutschen Italienfront bei. Den Abwehrerfolg bei den Cassino-Schlachten – das Kloster selbst war von deutschen Truppen völlig ausgespart – schrieb Senger und Etterlin in einem Rundfunkvortrag ganz den dort befehligenden Generalen Baade und Heidrich zu; um die Bergung der Klosterbibliothek und die Sicherheit des Erzabtes Don Diamare hatte er sich zuvor persönlich bemüht. Nach Übernahme des Bologna-Abschnittes machte Senger und Etterlin dem Erzbischof Graf Rocca seine Aufwartung und ließ den Mangel an Brennmaterial, Fett, Salz usw. im Winter 1944/45 nach Möglichkeit durch seine Militärverwaltung lindern. Hitler würdigte zwar die Leistungen Senger und Etterlins als Militärpolitiker und Truppenführer durch die Verleihung des Eichenlaubs zum Ritterkreuz; die Führung einer Armee blieb ihm aber versagt. Dan Kurzman schrieb zusammenfassend über Senger und Etterlins Laufbahn unter Hitler, als ehemaliger Rhodes-Schüler und Anglophiler sei er gegen den Krieg gewesen, hätte aber gekämpft, weil er Soldat war.
Von 1950 bis zu seinem Tode 1963 blieb Senger und Etterlin journalistisch und schriftstellerisch tätig. Als militärgeschichtlicher Mitarbeiter der amerikanischen „Historical Division“ war er Fachmann für den italienischen Kriegsschauplatz. Die Summe seiner Erfahrungen als Militärpolitiker, Truppen- und Menschenführer brachte er in zahlreiche Beiträge für deutsche und ausländische Zeitschriften ein, hielt aber auch Vorträge an Rundfunkanstalten und an Militärschulen der Nato. Bei Aufstellung der Bundeswehr wirkte Senger und Etterlin im Personalgutachterausschuß mit und widmete sich bis zuletzt den Fragen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
Quellen: Nachlaß im BA-MA und bei der Tochter Gani von Senger, 44 Cornwall Gardens, London, SW 7 4AA
Werke: Krieg in Europa, 1960, 459 S.; Einleitung zu: „Kernwaffen und auswärtige Politik“ (Nuclear Weapons and Foreign Policy) von Kissinger, Henry, A., Hg. vom Council on Foreign Relations (1959), in: „Die Außenpolitik“: Strategie und Außenpolitik. Die deutsche These seit Anfang des Jahrhunderts (12.1.1952); Der deutsche Soldat in der europäischen Verteidigungsgemeinschaft (21.3.1953), in: „Deutsche Zeitung“: Neue Strömungen der Wehrpolitik (28.4.1956); Politik und Wehrpolitik (23.11.1956); Das innere Gefüge der Bundeswehr (16.12.1956); „Der Unfug der bloßen militärischen Strategie“ (3.8.1960), in: „BBC“: Leadership and education in the making of Germany (29.3.1959)
Nachweis: Bildnachweise: Fotos in Familienbesitz sowie in den Büchern: Krieg in Europa, Hitler’s Generals und Die Schlacht von Monte Cassino

Literatur: (BA-MA) N 64/8, 9, 10. Correlli Barnett, Hitler’s Generals, London (1989), 375-392; Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht (Wehrmachtführungsstab) 1940-1945. Geführt von Helmuth Greiner und Percy Ernst Schramm, 1963, Halbband 1, II; Kurzman, Dan, Fällt Rom? Der Kampf um die Ewige Stadt 1944, Heyne-Buch Nr. 5979 (Deutsche Übersetzung der amerikanischen Originalausgabe „The Race for Rome“ von Volker Bradke); Piekalkiewicz, Janus, Die Schlacht von Monte Cassino, 1980; Schule Schloß Salem – Chronik Bilder Visionen ..., Salem 1995, 104, 109, 117, 184, 202
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