Vogel, Josef 

Geburtsdatum/-ort: 21.11.1883; Mühlhausen (Elsaß)
Sterbedatum/-ort: 08.03.1975;  Freiburg i. Br.
Beruf/Funktion:
  • Gewerkschafter, Postamtmann
Kurzbiografie: Kindheit und Schulbesuch in Kaysersberg (Elsaß)
1901 Eintritt in die christliche Arbeiterbewegung Freiburg
1903 Eintritt bei der Deutschen Reichspost in Freiburg
1913 Erster Vorsitzender des Windhorstbundes in Freiburg sowie Vertreter der Oberbadischen Windhorstbünde
1914-1918 Kriegsdienst (Nachrichtendienst), Ostdeutschland, Frankreich
1918-1933 aktive Gewerkschaftstätigkeit: Vorsitzender des Ortskartells des Deutschen Beamtenbundes in Freiburg, Beisitzer für den Reichsverband Deutsche Post- und Telegrafenbeamten im Vorstand des Deutschen Beamtenbundes, Mitglied des Hauptvorstandes des Reichsverbandes Deutsche Post- und Telegrafenbeamten
1920-1933 Aufsichtsrat beim Bauverein Freiburg e. G.
1921-1933 Stadtverordneter der Stadt Freiburg
1945 Mitglied der Christlichen Arbeitsgemeinschaft (C.A.G.) und BCSV (Süd-)Baden
1946 Aufsichtsratsvorsitzender des Bauvereins e. G. Freiburg (bis 1967); erster Vorsitzender der Landesvereinigung des Post- und Telegrafenwesens im Badischen Gewerkschaftsbund
1947 stellvertretender, 1949 zweiter Vorsitzender des Badischen Gewerkschaftsbundes
1949 zweiter Vorsitzender der Deutschen Postgewerkschaft für die Trizone und Mitglied des Hauptvorstandes
1950-1956 Bezirksleiter der Deutschen Postgewerkschaft im Bereich der Oberpostdirektion Freiburg
Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Verheiratet: 1906 Freiburg i. Br., Agathe, geb. Hunn aus Buchheim, Tochter des Ratschreibers und Landwirts Johann Hunn
Eltern: Ludwig Vogel, Schuhmachermeister in Kaysersberg (Elsaß) und Fabrikaufseher
Josepha, geb. Höfler, aus Heitersheim
Geschwister: 2
Kinder: 2
GND-ID: GND/1012577783

Biografie: Bernhard Mörmann (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 2 (1999), 466-468

Vogel, der in Kaysersberg (Elsaß) aufwuchs, begann seinen beruflichen Werdegang (Schlosser) in Freiburg; sein Eintritt in die Reichspostverwaltung und das Engagement in der christlichen Arbeiterbewegung wurden für ihn lebensbestimmend. Über den katholischen Gesellenverein und den katholischen Arbeiterverein fand er in Freiburg zum Kreis um Dr. Anton Retzbach – Retzbach kam 1903 nach Freiburg und widmete sich u. a. auch der Jugendarbeit (Abendkurse in Staats-, Sozial- und Arbeitsrecht, bei denen sich u. a. auch Johann Vollmer, Direktor der Freiburger Tageszeitung, engagierte). Vorstandsaufgaben auf örtlicher und überörtlicher Ebene in den Windhorstbünden vor und nach dem Ersten Weltkrieg formten den jungen Vogel; sie brachten ihm auch die Zusammenarbeit und Kontakte mit den Zentrumspolitikern, und zwischen J. Wirth und Vogel entstand eine lebenslange Freundschaft.
Auf solche Weise gerüstet sowie fähig, Kontakte auf politischer Ebene zu nutzen, begann Vogel in der Weimarer Zeit sein Gewerkschaftsengagement im süddeutschen Raum. Nachdem die Reichspostverwaltung bald nach dem Ersten Weltkrieg den Beamtenorganisationen nicht mehr ablehnend gegenüberstand, gründete sich 1920 der Reichsverband Deutscher Post- und Telegrafenbeamten; die Interessenvertretung der Beamtenschaft erfolgte nach Art. 130 der Reichsverfassung durch Beamtenräte bzw. Beamtenausschüsse. Vogel vertrat im Hauptvorstand dieses Reichsverbandes die süddeutschen Bezirke. In Freiburg war er vor der Inflation zusammen mit dem Sozialdemokraten Wilhelm Engler mit der Gründung eines „Vereins zur Schaffung gesunder Wohnungen“ vergeblich aktiv geworden, glaubte dann aber das Ziel zur Schaffung sozialer Wohnungen über den Bauverein e. G. unterstützen zu können, wo Retzbach Vorsitzender des Aufsichtsrates war. Dem Genossenschaftswesen der Gewerkschaften sowie dem Bauverein galt sein lebenslanges unermüdliches Interesse. Die Hilfsbereitschaft vor Ort, soziales Engagement als Stadtverordneter in Freiburg sowie das Einstehen im Badischen Zentrum für die Belange der Arbeiter und niederen Beamtengruppen brachten Vogel einen Fundus an Vertrauen; mit den persönlichen Beziehungen über die engere Heimat hinaus ein politisches Potential an Ansehen, das er über die Wirren der NS-Zeit – der Ämter enthoben – in den Wiederaufbau hinüberretten konnte.
Nach dem Zusammenbruch findet man bei Vogel eine politische Standortsuche: Er ist Mitbegründer der Christlich-sozialen Vereinigung in Hegne. Nach eigenen Angaben „stand er dem von Altreichskanzler J. Wirth propagierten Gedanken einer nicht-marxistischen Arbeiterpartei nahe“, stößt zur Zentrumsgruppe um Dr. Föhr, schließt sich dann aber der C.A.G. an und wird engagiertes Mitglied der BCSV.
Seine Schaffenskraft konzentrierte sich aber bald auf den Aufbau der Postgewerkschaft als Einheitsgewerkschaft – bezogen auf Arbeiter, Angestellte und Beamte – sowie auf die engagierte Mitarbeit beim Aufbau des Badischen Gewerkschaftsbundes, basierend auf einheitsgewerkschaftlichen Vereinigungen der verschiedenen Industriezweige und Verwaltungen. Bei dieser gesellschaftspolitischen Aufbautätigkeit konnte Vogel die guten Kontakte zu allen politischen Parteien nutzen; von besonderer Bedeutung war dabei das Vertrauensverhältnis zu dem späteren Staatspräsidenten Leo Wohleb und dem Freiburger Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Hoffmann, der wie Vogel Elsässer war. Mit der Zulassung von Gewerkschaften (10.9.1945) – nach dem Willen der Besatzungsmacht dezentral (Ortsebene) und betriebsbezogen – beantragte Vogel noch am selben Tag die Bildung einer Ortsgruppe für das Postpersonal in Freiburg und ermöglichte bald (1946) die Gründung neuer Ortsgruppen in Offenburg, Rastatt, Säckingen, St. Georgen und Waldshut. An den Vorbereitungen zur Gründung des Badischen Gewerkschaftsbundes (Gründung 1./2.3.1947) war Vogel wesentlich beteiligt; neben seinem Vorstandsmandat vertrat er hier die seit 1946 bestehende Landesvereinigung der Gewerkschaft des Post- und Telegrafenwesens. Vogel nahm als (süd-)badischer Vertreter an den Vierzonenkonferenzen teil, engagierte sich für den Zusammenschluß der Landesvereinigungen der drei französischen Länder und arbeitete für die trizonale Vereinigung an verantwortlicher Stelle mit sowie insbesondere für die Gründungskongresse des DGB (12.-14.10.1949 in München) und der Deutschen Postgewerkschaft (DPG), wo er in Stuttgart-Bad Cannstatt zum zweiten Vorsitzenden gewählt wurde.
Nach dem Zusammenbruch kamen neben dem Organisationsaufbau auf das Vorstandsteam des Badischen Gewerkschaftsbundes – Wilhelm Reibel, Josef Vogel, Max Faulhaber, Heinrich Breitenbach – u. a. folgende und für den staatlichen Aufbau entscheidende Aufgaben zu: Bekämpfung der Ernährungs- und Versorgungsprobleme, Mitarbeit in den Ernährungsausschüssen, Gründung einer Arbeitsgemeinschaft mit dem Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband, Kampf gegen die Demontagepolitik der französischen Besatzungsmacht, Mitwirkung bei der Entnazifizierung, Aufbau des Krankenkassen- und des Sozialversicherungswesens, Betriebsrätegesetz; Probleme, die auch unmittelbar zwischen Staatsregierung und Vorstand erörtert wurden. Ein Erfolg der zielbewußten Arbeit war die Verabschiedung des Betriebsrätegesetzes durch den Badischen Landtag am 24.9.1948, das u. a. auch die Mitwirkung des Betriebsrates regelte und in § 27 die Bildung von Personalräten in Verwaltungen vorschrieb. Bei der Postverwaltung war Vogel bald nach Einrichtung einer Oberpostdirektion in Freiburg (16.7.1945) mit der Wahrnehmung der „Personalvertretung“ de facto beauftragt. Die Persönlichkeit Vogel bot sich aufgrund der Beziehungen und Integrität geradezu an. Vogel hatte nicht nur direkten Zugang zur Badischen Staatsregierung und französischen Besatzungsmacht, er war auch Nothelfer. Im Jahre 1948 wurde dann in den drei Besatzungszonen zwischen den Gewerkschaften und den Oberpostdirektionen eine Betriebsvereinbarung getroffen, in der auch die Mitwirkung des Personals geregelt war. Das Interesse Vogels galt auch dann nicht nur der Wahrnehmung der Personalvertretungsrechte; charakteristisch blieb seine personenbezogene Hilfe (Entnazifizierung, Arbeitsplatz, Sozialversicherung, Wohnung).
In dem bewegten und berufspolitisch sehr erfolgreichen Leben Vogels blieb Freiburg die Mitte, die Heimat des aus Kaysersberg stammenden und mit Albert Schweitzer befreundeten badischen Gewerkschaftsführers war die Regio.
Quellen: Unveröffentlichter Nachlaß Vogel bei Klaus Dieter Schmitt, An der Rothalde 9, 79312 Emmendingen; Der Badische Gewerkschaftler, Organ des Badischen Gewerkschaftsbundes für die französisch besetzte Zone, Freiburg, 1. Jg. (1946) bis 4. Jg. (1949). Margit Unser, Der badische Gewerkschaftsbund, zur Geschichte des Wiederaufbaus der Gewerkschaftsbewegung im französisch besetzten Südbaden, 1989; StAF A 2 und A 7; Paul-Ludwig Weinacht, Die CDU in Baden-Württemberg und ihre Geschichte, 1978
Werke: Beamtenschaft und Gewerkschaftsbewegung, Freie Beamtenorganisationen, jeweils in: Der Badische Gewerkschaftler, a. a. O., 1. Jg., 1946; Geschichten und Gedichte in elsässicher Mundart (‚Heidekrüt un Birkerieser – luschtigi G’schechta üs da Vogese‘ und ‚Schlehabluecht ...‘) ohne Verlags- und Zeitangabe, über Buchhandel nicht erhältlich
Nachweis: Bildnachweise: Klaus Dieter Schmitt, a. a. O.; Pressestelle der Oberpostdirektion Freiburg

Literatur: Berta Schäfer, Chronik der Oberpostdirektion Freiburg, Teil I, 1945-1950, Südwestdeutsche postgeschichtliche Blätter der OPD Freiburg, Heft Nr. 9, 1990; dies., Chronik der Oberpostdirektion Freiburg, Teil II 1950-1975, a. a. O., Heft Nr. 9, 1992; Hans Schneider, Josef Vogel, in: Der Bauverein, Mitteilungen für die Mitglieder des Bauvereins Freiburg i. Br., Ausgabe Juli 1967; ders., Zum hundertsten Geburtstag von Anton Retzbach, in: Der Bauverein, a. a. O.
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