Stäckel, Paul Gustav Samuel
Geburtsdatum/-ort: | 20.08.1862; Berlin |
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Sterbedatum/-ort: | 12.12.1919; Heidelberg |
Beruf/Funktion: |
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Kurzbiografie: | 1871-1880 Joachimsthalsches Gymnasium, Berlin 1880-1884 Studium der Mathematik an der Universität Berlin 1885 Promotion bei Kronecker, Berlin: Über die Bewegung eines Punktes auf einer Fläche 1886 Okt.-1887 Sep. Einjährig-Freiwilliger in Berlin 1891 Habilitation an der Universität Halle 1891-1895 Privatdozent an der Universität Halle 1895-1897 außerordentlicher Prof. an der Universität Königsberg 1897-1905 außerordentlicher dann ordentlicher Prof. an der Universität Kiel 1905-1908 ordentlicher Prof. an der Technischen Hochschule Hannover 1895 Mitglied der Leopoldina 1908-1913 ordentlicher Prof. an der Technischen Hochschule Karlsruhe 1908 Geheimer Hofrat 1910-1911 Rektor der Technischen Hochschule Karlsruhe 1911/16 außerordentliches, dann ordentliches Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften 1913-1919 ordentlicher Prof. an der Universität Heidelberg 1915 Mär. Freiwilliger Eintritt in den Kriegsdienst, Offizier |
Weitere Angaben zur Person: | Religion: ev. Verheiratet: 1881 Elisabeth, geb. Lüdecke Eltern: Vater: Ernst Gustav, Schuldirektor Mutter: Marie Elisabeth, geb. Ringel (gest. 1869 Potsdam) Kinder: 3: Walter, Hildegard, Gerd |
GND-ID: | GND/117201227 |
Biografie
Biografie: | Michael von Renteln (Autor) Aus: Badische Biographien NF 5 (2005), 265-267 Nach dem Besuch des Joachimsthalschen Gymnasiums in Berlin, wo er die Reifeprüfung mit „vorzüglich“ in den Fächern Mathematik und Physik bestanden hatte, studierte Stäckel auf Anregung seiner Lehrer Schindler und Seebeck in Berlin Mathematik. Er hörte Vorlesungen bei Kronecker, Borchardt, Kummer und Weierstraß; die beiden letzten setzten sich mit einem ausführlichen und sehr günstigen Urteil dafür ein, dass Stäckel als Mitglied des mathematischen Seminars als letzter noch eine Seminarprämie erhielt, als diese durch Verfügung des Finanzministers für ganz Preußen abgeschafft wurde. Das Studium beendete er nach acht Semestern im Herbst 1884, die Promotion folgte im August des darauffolgenden Jahres (Prüfer waren Kronecker, Weierstraß, Helmholtz und Dilthey). Wiederum ein Jahr später bestand Stäckel das Staatsexamen, in Physik und Mathematik war L. Fuchs der Prüfer. Nach Abschluss des einjährigen Militärdienstes wurde Stäckel im Oktober 1887 Probelehrer am Königlichen Wilhelms-Gymnasium in Berlin und blieb dort als wissenschaftlicher Hilfslehrer bis Ende März 1890. Obwohl sich seine außerordentliche Begabung auch im Bereich der Methodik und Didaktik herausgestellt hatte, entschied sich Stäckel für die akademische Laufbahn. Er arbeitete noch einige Zeit im physikalischen Institut der Universität Berlin bei Kundt, bevor er sich am 27. Februar 1891 an der Universität Halle habilitierte. Dort gründete er bald darauf auch einen Hausstand. Bis zum Herbst 1895 blieb Stäckel als Privatdozent in Halle, dann wurde er als Extraordinarius an die Universität Königsberg berufen. In gleicher Stellung kam er 1897 nach Kiel, wo er, nach zwei Jahren zum Ordinarius ernannt, bis Ostern 1905 blieb, um danach einem Ruf an die Technische Hochschule Hannover zu folgen. Von dort berief man ihn drei Jahre später an die Technische Hochschule Karlsruhe, und schließlich erhielt er zum Sommersemester 1913 das in Heidelberg auf dringenden Wunsch Leo Koenigsbergers geschaffene zweite Ordinariat. Stäckel gehörte zahlreichen gelehrten Gesellschaften des In- und Auslands an, unter anderem war er seit 1906 korrespondierendes Mitglied der Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen. In seinen wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigte sich Stäckel hauptsächlich mit Fragestellungen aus den Gebieten der Differentialgeometrie (Flächentheorie), der Mechanik, der Funktionentheorie und der neueren Mathematikgeschichte. Ein von Stäckel bearbeiteter Problemkreis betrifft Abbildungseigenschaften ganzer transzendenter Funktionen und wurde bei einigen neueren funktionentheoretisch-algebraischen Fragestellungen bedeutsam. In seinen letzten Lebensjahren beschäftigte er sich mit einem Problem der additiven Zahlentheorie, das die Darstellung der geraden Zahlen als Summen und Differenzen ungerader Primzahlen betraf. Stäckels pädagogisches Interesse zeigte sich in seiner organisatorischen, schriftstellerischen und propagandistischen Tätigkeit für die Internationale Mathematische Unterrichtskommission (IMUK); so beschrieb er beispielsweise in dem seiner Leitung unterstellten vierten Band der IMUK den mathematischen Unterricht an den technischen Hochschulen. Die Bedeutung der angewandten Mathematik für den Schulunterricht hatte Stäckel übrigens schon in der ersten These seiner Promotion erkannt: Die Berechtigung der Mathematik als Unterrichtsgegenstand an den höheren Schulen darf nicht allein aus ihrer Bedeutung für die formale Bildung hergeleitet werden. Dieser Gedanke setzte sich fort in seiner Karlsruher Rektoratsrede „Geltung und Wirksamkeit der Mathematik“, in der er sich für einen größeren Stellenwert einer anwendungsorientierten Mathematik in den höheren Schulen einsetzte. Stäckel war ein rückhaltloser Verfechter der von Felix Klein eröffneten und geführten Reformbewegung, die sich die Überwindung der starren euklidischen Geometrie und der ebenso starr aufgefassten algebraischen Formen zugunsten des Funktionsbegriffs und des Infinitesimalkalküls zum Ziel gesetzt hatte. Ein großer Teil des Stäckelschen Werkes ist der Geschichte der Mathematik gewidmet. Sein besonderes Interesse galt zum einen der Geschichte der nichteuklidischen Geometrie; dabei hat er sich mit den Arbeiten von Gauß sowie Wolfgang und Johann Bolyai, den eigentlichen Schöpfern der nichteuklidischen Geometrie, auseinandergesetzt sowie deren Vorläufer aufgedeckt. Zum anderen beschäftigte er sich mit der Geschichte der Mathematik im 18. Jahrhundert (Lambert). Ein großes Verdienst hat er sich mit seiner Tätigkeit im Zusammenhang mit der Herausgabe von Eulers Werken erworben. Ein prägender Charakterzug Stäckels war seine Weltoffenheit, die sich besonders auf Reisen nach Ungarn, Italien, Frankreich und England zeigte, auf die ihn sein vielfältiges mathematisches Wirken führte. Der I. Weltkrieg, an dem Stäckel als Offizier teilnahm, brachte ihm einen schweren Verlust: der jüngere seiner beiden Söhne fiel an der Lorettohöhe in Flandern. Stäckel starb im 58. Lebensjahr in Heidelberg an einem inoperablen Gehirntumor. |
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Quellen: | GLA Karlsruhe, 466/17227 (Versorgungsakte), 448/2359, 235/3132, 235/3228, 235/4220. |
Werke: | (Auswahl) Integration der Hamilton-Jacobi‘schen Differentialgleichungen mittelst Separation d. Variablen, (Diss. phil. Berlin), 1885, 44 Stäckel; Integration der Hamilton-Jacobi‘schen Differentialgleichungen mittelst Separation d. Variablen (Habil. Halle), 1891, 26 S.; Hg. zus. mit Friedrich Engel, Die Theorie d. Parallellinien von Euklid bis auf Gauß. Eine Urkundensammlung zur Vorgeschichte d. nichteuklidischen Geometrie, 1895, Reprint 1968; Über arithmetische Eigenschaften analytischer Funktionen, in: Math. Annalen 46, 1895, 513-520; Wolfgang u. Johann Bolyai, Geometrische Untersuchungen, 1913, Reprint 1972. |
Nachweis: | Bildnachweise: Fotos bei Lorey, Rudio u. von Renteln (vgl. Lit.). |
Literatur + Links
Literatur: | Willy Hellpach, Dem Andenken Stäckels, in: Karlsruher Tagblatt vom 21.12.1919, 2 f.; Ernst Goldbeck, P. Stäckel zum Gedächtnis, in: Internat. Monatsschr. Wiss, Kunst Technik 14, 1920, 439-450; Oskar Perron; P. Stäckel †, in: Sitzungsberr. d. Heidelberger Akad. d. Wissenschaften. Math.-Natur. Kl., 7. Abhandlung, 1920, 20 Stäckel; Wilhelm Lorey, P. Stäckel zum Gedächtnis, in: Zs. Math. Naturwiss. Unterricht 52, 1921, 85-88; Ferdinand Rudio, P. Stäckels Verdienste um die Gesamtausgabe d. Werke von Leonhard Euler, in: Jahresberr. d. dt. Math.-Verein. 32, 1923, 13–32.; M. von Renteln, P. Stäckel (1862-1919) – Mathematiker u. Mathematikhistoriker, in: Überblicke Mathematik 1996/97, 1997, 151-160; M. von Renteln, P. Stäckel , in: Die Mathematiker an d. TH Karlsruhe (1825-1945), 2002 2. Aufl., 337-346. |
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