Greiner, Johannes 

Geburtsdatum/-ort: 19.10.1862;  Ellwangen
Sterbedatum/-ort: 14.03.1927;  Ulm
Beruf/Funktion:
  • Gymnasialprofessor, Stadtarchivar und -bibliothekar
Kurzbiografie: Studium zunächst der Theologie und Philosophie, dann der Klassischen Philologie und Geschichte an der Univ. Würzburg; Lehrer und Prof. an den Konvikten in Bad Mergentheim und Rottweil, am Realgymnasium Schwäbisch Gmünd und am Gymnasium Ehingen
1905–1927 Prof. am Ulmer Gymnasium
1906–1918 Schriftführer des Vereins für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben
1913–1927 ehren-, dann nebenamtliche Leitung des Ulmer Stadtarchivs und der Stadtbibliothek
1918–1923 Vorstand des Vereins für Kunst und Altertum
1924 Ehrenmitglied des Vereins für Kunst und Altertum; Berufung in den Beirat des Ulmer Museums
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Mitgliedschaften: Württembergische Kommission für Landesgeschichte; Aufsichtsrat der Süddeutschen Verlagsanstalt; Kath. Akademikervereinigung Ulm/Neu-Ulm
Verheiratet: 4.8.1895 Anna Katharina Hildegard, geb. Schell (* 27.11.1874 Bad Mergentheim)
Eltern: Vater: Anton Greiner (1827–1886), Zimmermann
Mutter: Otilia (1824–1895), geb. Maier
Geschwister: 3: Maria Anna (1861–1862); Josef (* und † 1864); Anton (1868–1912), Rechtsanwalt in Tuttlingen
Kinder: 2: Dr. jur. Hans Heinrich Anton (7.12.1900–7.12.1945), Rechtsanwalt; Dr. rer. pol. Hulda Maria Karola Anna (* 10.3.1905)
GND-ID: GND/1012009092

Biografie: Hans Eugen Specker (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 2 (2011), 83-84

Nach der Berufung des Ulmer Stadtbibliothekars und Archivars Dr. Alfred Löckle zum Direktor der Stadtbibliothek Elberfeld entschied der Gemeinderat auf Vorschlag von Oberbürgermeister Heinrich von Wagner im März 1913, die Stelle vorläufig nicht wiederzubesetzen und übertrug diese Aufgabe im August 1913 zunächst im Ehren-, dann im Nebenamt dem als Professor am Gymnasium lehrenden Dr. Johannes Greiner. Schon in Rottweil, einem seiner früheren Tätigkeitsorte, hatte sich Greiner mit reichsstädtischer Geschichte beschäftigt, eine Edition des Briefwechsels mit dem Rottweiler Gesandten auf dem Reichstag zu Augsburg von 1530 (1898) und des älteren Rottweiler Stadtrechts vorgelegt (1900), denen er später, im Zusammenhang mit entsprechenden Studien in Ulm, eine Darstellung des Rottweiler Schulwesens folgen ließ (1915), ein Beleg für seine umfangreiche und sorgfältige Materialsammlung.
Den Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit fand Greiner jedoch in Ulm, wo er sich mit seinem Amtsantritt am Gymnasium (1905) dem Verein für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben anschloss und bereits 1906 als Schriftführer in den Vorstand avancierte. 1907 erschien als erste seiner rasch aufeinander folgenden Veröffentlichungen eine Darstellung zur Geschichte des Ulmer Spitals im Mittelalter, in der er neben der Organisationsform und der durch Urkundenregesten belegten Besitzgeschichte vor allem auch auf die wachsende Einflussnahme der Reichsstadt auf die ursprünglich kirchlich geprägte Institution einging. Einem herausragenden Vertreter des Ulmer Patriziats widmete er sich 1908 mit der ausführlich eingeleiteten Edition des „Memorial- und Raissbüchleins“ von Hans Schad (1575–1634), in dem dieser – seit 1610 Ratsherr und 1626 Geheimer Rat – für die Jahre 1591–1630 nüchtern und knapp seine ihn weit innerhalb Europas führenden Reisen, diplomatische Missionen und persönliche Erlebnisse festgehalten hatte.
In einer wissenschaftlichen Beilage zum Jahresprogramm 1909 des Ulmer Gymnasiums und als solche in die Zeitschrift des Altertumsvereins übernommen, legte Greiner eine fundierte, sich mit der wissenschaftlichen Literatur auseinandersetzende und die archivalische Überlieferung einbeziehende Untersuchung über „Ulm und Umgebung im Bauernkrieg“ vor, die politische, wirtschaftliche und religiöse Hintergründe ebenso berücksichtigte wie den Kriegsverlauf. Seinem engeren Aufgabenbereich wandte sich Greiner 1912 mit einer wiederum als Beilage zum Gymnasiumsprogramm und in der Vereinszeitschrift erschienenen, mit einem umfangreichen Quellenanhang ausgestatteten Geschichte der zu Beginn des 17. Jahrhunderts gegründeten „Ulmer Gelehrtenschule“ zu. Letztere erweiterte er für den von der Württ. Kommission für Landesgeschichte herausgegebenen Sammelband zur „Geschichte des humanistischen Schulwesens in Württemberg“ zu einem Überblick über die „Geschichte der Ulmer Schule“ vom Mittelalter bis zur württembergischen Schulorganisation, der vorab (1914) den Vereinsmitgliedern als Sonderdruck zuging.
Nach der zunächst ehren-, dann nebenamtlich übernommenen Leitung von Stadtarchiv und Bibliothek, bei deren laufenden Geschäften er durch Hilfskräfte unterstützt wurde, widmete Greiner der wechselvollen Geschichte beider Institutionen jeweils eigene Aufsätze (1916, 1917), und in ähnlicher Weise bot er nach der Wahl zum Vorsitzenden des Altertumsvereins einen Rückblick auf die Vereinsgeschichte (1921). Durch ein attraktives Vortragsprogramm, zu dem er auch selbst wesentlich beitrug, konnte er die Mitgliederzahl steigern und dadurch auch zum Bekanntheitsgrad des Vereins in der Stadt beitragen. Diesem Gespür für Öffentlichkeitsarbeit verdankte er 1924 auch die Berufung in den Beirat des Museums, als dessen Aufgabe Oberbürgermeister Dr. Emil Schwamberger definierte: „Verständnis für Fragen der Kunst, des Kunstgewerbes, des Heimatschutzes und der Geschichte in die weitesten Teile der Bevölkerung zu tragen.“
Gesundheitliche Probleme zwangen Greiner im Dezember 1923, den Vereinsvorsitz niederzulegen. Kurz zuvor hatte er sich mit der Kirchen- und Ordensgeschichte ein neues Themengebiet erschlossen, 1922 eine umfassende Arbeit zur Ulmer Deutschordenskommende vorgelegt und 1925 als letzte größere Abhandlung einen Überblick über die Geschichte der Ulmer „Sammlung“, eine Niederlassung von Terziarierinnen, die nach der Reformation in ein evangelisches Damenstift umgewandelt worden war, abgeschlossen. Kleinere, für ein breiteres Publikum bestimmte Schriften erschienen danach noch in den „Ulmer Historischen Blättern“, einer Beilage des „Ulmer Tagblatts“.
Greiner galt als engagierter Lehrer, widmete sich aber gleichzeitig mit beeindruckender Schaffenskraft der reichsstädtischen Geschichte Ulms. Seine Interessen zielten dabei weniger auf detaillierte Einzelfragen als auf in ihrem Zusammenhang und in ihrer längerfristigen Entwicklung dargestellte, in sich geschlossene größere Themenbereiche, für die er die archivalische Überlieferung jeweils sorgfältig heranzog. Die Vermittlung fundierten historischen Wissens auch in eine breitere Öffentlichkeit war ihm ein besonderes Anliegen, wovon sein erfolgreiches Wirken für den Altertumsverein ebenso Zeugnis gibt wie die populärwissenschaftliche, als typische Auftragsarbeit entstandene Gesamtdarstellung der Stadt Ulm in der Reihe „Deutschlands Städtebau“. Die Wertschätzung für die Leistungen von Greiner brachte der Gemeinderat auch darin zum Ausdruck, dass er nach seinem Tod beschloss, das Archiv künftig im Hauptamt betreuen zu lassen, um auch weiterhin „die ungehobenen und geschichtlichen Schätze [zu] erforschen und der Heimatgeschichte nutzbar [zu]machen“.
Quellen: StadtA Ulm, PA (B 032/41/42) und Personendokumentation (G 2: Greiner)
Werke: (Beiträge in Zeitungsbeilagen nur in Auswahl): Der Briefwechsel Konrad Mocks, des Gesandten der Reichsstadt Rottweil auf dem Reichstag zu Augsburg 1530. Aus dem Stadtarchiv in Rottweil, in: WVjhLG N. F. 7 (1898), 50–88); Das ältere Recht der Stadt Rottweil. Mit geschichtlicher und sprachlicher Einleitung, 1900; Geschichte des Ulmer Spitals im Mittelalter, in: WVjhLG N. F. 16 (1907), 78–156; Das Memorial- und Reisebuch des Hans Schad. Ein Beitrag zur Geschichte Ulms im 17. Jh., in: ebda. 17 (1908), 334–420; Ulm und Umgebung im Bauernkrieg. Wiss. Beilage zum Programm des Ulmer Gymnasiums 1909, zugleich in: Ulm und Oberschwaben 16 (1909), 1–68; Ulm im ersten Jahrzehnt unter der Krone Württembergs. Eine Jahrhunderterinnerung, in: Staatsanzeiger für Württemberg, Literarische Beilage 1910, Nrn. 5 und 6, 73–80 und 81–90; Die Ulmer Gelehrtenschule zu Beginn des 17. Jhs. und das akademische Gymnasium. Darstellung und Quellenmaterial. Wiss. Beilage zum Programm des Ulmer Gymnasiums 1912, zugleich in: Ulm und Oberschwaben 18 (1912), 1–86; Geschichte der Ulmer Schule, in: ebda. 20 (1914), 1–90, zugleich in: Geschichte des humanistischen Schulwesens in Württemberg, hg. von der Württ. Kommission für Landesgeschichte, Bd. 2. 1, 1920, 1–90; Geschichte der Schule in Rottweil am Neckar, 1915, zugleich in: Geschichte des humanistischen Schulwesens in Württemberg 2. 1, 1920, 384–472; Das Archivwesen Ulms in seiner geschichtlichen Entwicklung, in: WVjhLG N. F. 25 (1916), 293–324; Ulms Bibliothekswesen, in: ebda., 26 (1917), 64–120; Der Verein für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben. Ein Rückblick, in: ebda., 30 (1921), 116–155; Ulm an der Donau (Deutschlands Städtebau 4), 1921, 2. Aufl. 1926; Das Deutschordenshaus Ulm im Wandel der Jahrhunderte, in: Ulm und Oberschwaben 22 (1922), 1–147; Hans Böhm und sein Loblied auf die Reichsstadt Ulm, in: Ulmische Blätter 1924/25, 2 f., 10–12; Aus der 600-jährigen Vergangenheit der Sammlung in Ulm. Ein Beitrag zur Kirchen- und Kulturgeschichte der Stadt, in: Ulm und Oberschwaben 24 (1925), 76–112; Aus den Anklageakten gegen General Mack, in: Ulmische Blätter 1926, 3, 15, 22.
Nachweis: Bildnachweise: in: Ulm und Oberschwaben 28 (1932), Tafel V und im Ulmer Tagblatt vom 16.3.1927.

Literatur: Karl Setz, Nachruf in: Ulmische Blätter 1927, 17; Nachrufe in: Ulmer Tagblatt, 15., 16. und 17.3.1927; Max Ernst, in: Ulm und Oberschwaben 25 (1927), 73 f.
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