Brandecker, Friedrich Wilhelm 

Geburtsdatum/-ort: 05.11.1814;  Oberndorf
Sterbedatum/-ort: 08.04.1887;  Oberndorf
Beruf/Funktion:
  • Schriftsetzer, Redakteur und Zeitungsverleger
Kurzbiografie:

bis 1831 Volksschule, vier Jahre Lateinschule in Oberndorf, und 1 ½ Jahre Konvikt und Gymnasium Rottweil

1831 V 11934 V 31 Schriftsetzerlehre beim Schwäbischen Merkur, Stuttgart

1835 X 10 Übernahme der Druckerei des Johann Fischer in Sulz und der zu Jahresbeginn gegründeten Zeitung Schwarzwälder Bote durch seinen Vater; Brandecker ab Nr. 81 Redakteur, Drucker und Verleger der 2-mal wöchentlich erscheinenden Zeitung

1837 Verlegung der Zeitung ins väterliche Haus in Oberndorf

1839 Verbreitung des Boten bereits über die OÄ Oberndorf und Sulz hinaus bis Stuttgart in 239 Gemeinden, auch angrenzende badische Orte

1842 neue handgetriebene Radtreiber Schnellpresse mit 1200 bis 1500 Blättern stündlich ersetzt die zuvor eingesetzte, mehrfach verbesserte hölzerne Handpresse mit nur 300 bis 400 Blättern stündlich; erstmals auch Einsatz der Daguerrotypie als fotographisches Druckverfahren; zur Absatzsteigerung Einsatz von „Boten“

1843 neue, 3-teilige inhaltliche Gliederung der Zeitung und, betreut durch seine Frau, zweimal wöchentlich mit Unterhaltungsblatt; seit 1846 erstmals in einer Zeitung ein Fortsetzungsroman

1848 beim Ausbruch der Revolution bekennt sich Brandecker zu deren Ideen

1849 VIII. sieben Tage Haft wegen falscher Anschuldigungen

1862 und 1864 Anschaffung von zwei Doppelmaschinen mit Ausleger, Leistung pro Maschine bis 3000 Blätter pro Stunde

1872 großer Erweiterungsbau in Oberndorf, neue vierfach Maschine

1878 Zeitungsauflage 25 000 Stück der inzwischen 6-mal wöchentlich, nun in Großformat erscheinenden Zeitung

1879 I 31 als zweites württembergisches Blatt Druck mit erster, 1882 zweiter MAN (damals noch Maschinenfabrik Augsburg)-Rotations-Druckmaschine mit je 4000 bis 5000 Blatt pro Stunde, anfänglich dampf-, dann gasbetrieben

1884/85 Umwandlung in eine AG; Brandecker Vorstand, seine Frau Prokuristin, die drei Schwiegersöhne und Erben Mitglieder des Aufsichtsrats

1885 50-jähr. Bestehen des Blattes, inzwischen weitestverbreitete württembergische Zeitung

Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Verheiratet:

1843 Amalie (Amélie) Pauline Mathilde, geb. Pfäfflin (1824–1893), Tochter des Sulzer Stadtschultheißen August Pfäfflin


Eltern:

Vater: Peter (1774–1842), Tuchmachermeister und Oberndorfer Stadtrat

Mutter: Maria Agathe, geb. Haas


Geschwister:

4; Heinrich (1805–1889), Hilarius (1808–1854), Maximilian (1811–1843?) und Wilhelmine (1812–1844)


Kinder:

4; Thekla Amalie (geb. 1844), verh. Wolf, Amalie Sofie (geb. 1845), verh. Leibbrand, Friedrich Wilhelm (geb./gest. 1848) und Friederike Wilhelmine (1855–1876), verh. Moll

GND-ID: GND/101217879X

Biografie: Fred Ludwig Sepaintner (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 7 (2019), 59-64

Schon früh stellte sich heraus, wo die Interessen des Tuchmachersohns lagen: er wollte seine eigene Zeitung machen. Mit 16 Jahren verließ er das Rottweiler Gymnasium und begann in Stuttgart bei der Druckerei und Redaktion des Schwäbischen Merkur eine dreieinhalbjährige Schriftsetzerlehre, wovon ihm wegen guter Leistungen und einwandfreien Betragens fünf Monate erlassen wurden. Er blieb danach noch neun Monate bei diesem Blatt, dann ging er daran, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen.

Mit einer solchen Idee stand Brandecker damals keineswegs allein, sondern bewegte sich mitten im Strom der Zeit. Zu wenigen überregionalen Zeitungen, in Württemberg dem Schwäbischen Merkur, wo Brandecker gelernt hatte, und der Allgemeinen Zeitung, beide in Stuttgart, auch der Deutschen Chronik, die in Ulm und Augsburg erschien, traten nun Lokalzeitungen. Sehr viele Neugründungen gerieten aber schon bald nach Erscheinen in Schwierigkeiten, wie das Beispiel des Schwarzwälder Boten zeigt, bevor er entscheidende Bedeutung in Brandeckers Leben gewann. Es herrschte ein regelrechtes Kommen und Gehen; denn die Risiken solcher Neugründungen waren nicht zu unterschätzen und in ländlichen Gebieten weitaus größer als in städtisch-industrialisierten Zentren. Auf dem Lande wuchs die Nachfrage erst, wenn zumindest die Meldungen auch bäuerliche Bedürfnisse berücksichtigten. Wer dies beachtete, konnte dort erfolgreich sein. Dahinter stand aber eine ganz große Veränderung, die sich seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert zugetragen hatte: Beim Ausbruch der Französischen Revolution war nicht ein Viertel der Bevölkerung des Lesens kundig gewesen. Das war nun grundlegend anders, kaum mehr 20% waren noch Analphabeten. Nur das lässt diesen Boom begreifen.

Am 24. März, ein Monat nach seinem Ausscheiden beim Schwäbischen Merkur, beantragte der 20-jährige Schriftsetzer die Konzession für eine Buchdruckerei, eine Buchhandlung und eine „Politische, ökonomische und unterhaltende Dorfzeitung“ unter „Minderjährigen Dispensation“. Sein Vater, der Oberndorfer Stadtrat war, unterstützte ihn und der Oberndorfer Rat stimmte am 17. März zu. Alle übergeordneten Institutionen, das Oberamt Oberndorf, die Reutlinger Kreisregierung und das württembergische Innenministerium aber lehnten ab, auch das zweite Gesuch vom 21. April 1835, weil Brandecker noch nicht geschäftsfähig war.

Da bot sich eine neue Gelegenheit, seinen Plan zu verwirklichen: In Sulz erschien seit Jahresbeginn 1835 die Zeitung Schwarzwälder Bote des Stuttgarter Druckers Johann Christoph Gottlob Fischer. Das gefalzte Folioblatt, von dem er zweimal wöchentlich ca. 100 Stück druckte, fand wenig Anklang. Darin sah Brandecker seine Chance. Offiziell fungierte sein Vater als Geschäftsführer und holte nun die Genehmigung ein, die ihm die Kreisregierung am 22. September erteilte. Brandecker selbst war rasch mit Fischer handelseinig. Mit der Nummer 81 vom 10. Oktober verabschiedete sich Fischer von seinen Lesern. Brandecker trat an seine Stelle und war fortan Redaktor, Drucker und Verleger der Zeitung. Er hatte sein Ziel erreicht.

Den Titel nahm er, wie sich bald zeigen sollte, wörtlich: er wollte der Bote sein, der seiner Umgebung Neuigkeiten bringt, das blieb der Kern seines Anliegens, auch wenn das unverwechselbare Titelbild mit dem wacker voranstapfenden, meist mächtig schmauchenden Boten erst 1837 im Titel dazu trat. Brandecker bildete sogleich seinen eigenen Stil heraus und achtete sorgsam darauf, dass er Landwirte mit einem möglichst bunten Themenmix bediente. Er brachte aktuelle Fruchtpreise, wies auf Märkte hin, bald auch allgemeinere Wirtschaftsdaten und sparte vor allem nicht an Heiterem; denn er hatte erkannt, dass das „Langweilfieber“ bald in „galoppierende Schwindsucht“ überginge, wie er 1836 das Eingehen des Donauboten in Passau in Gestalt in Form einer „Todesanzeige“ glossierte.

Im Jahr darauf, 1837, war der Bote vom „Paradies“ in Sulz nach Oberndorf ins Haus seines Vaters umgezogen; denn dort boten sich bessere räumliche Gegebenheiten und Brandecker konnte ein größeres Gebiet leichter erreichen, neben Hohenzollern auch nahe badische Schwarzwaldgemeinden, wo er ab 1839 eigene Agenturen einrichtete. Brandecker, der inzwischen neben Sulz auch im Oberamt Oberndorf mit seiner Zeitung zum Amtsblatt avancierte, hatte ein weiteres Verbreitungsgebiet im Auge. Das zeigen seine damaligen Agenturen, die er neben Sulz in Glatt, in Freudenstadt, Haigerloch und Horb unterhielt. Dass er richtig entschieden hatte, zeigt das Ansteigen der Inserate, der Leser- und vor allem der Abonnentenzahl, die sich in diesem Jahr mit über 1000 verdoppelte. Das wiederum ermöglichte, den Umfang durch mehr Beilagen, sog. Nachläufer, behutsam zu steigern, was sich an den Jahresbänden erkennen lässt, die von 434 Seiten im ersten über 532 (1836) auf nun bereits 566 Seiten zugenommen hatten. 147 Poststellen vertrieben inzwischen den Boten in einem Umkreis von 20 Stunden um Oberndorf.

Dass bei ihm weit mehr dahinterstand, als Information durch einen weiter ausgebauten Wirtschaftsteil und Kurzweil zu bieten, sollte sich herausstellen. Amtliche und Personenstandsmeldungen standen auf Seite eins. Nachrichten aber bildeten immer den inhaltlichen Mittelpunkt: aus der Umgebung, aus Württemberg, den anderen deutschen Landen und der Welt. So verstand Brandecker die Aufgabe, die sein „Amts- und Intelligenzblatt“ hatte, wie der Untertitel lautete. Zum besseren Überblick schuf er 1838 die Rubrik Dorfzeitung, immer mit der Frage „Was gibt’s Neues“ als Überschrift. Der Information, nun auch Wettervoraussagen, die für den Landmann immer bedeutend bleiben, ließ Brandecker mit journalistischem Weitblick stets das Heitere und Unterhaltsame folgen.

Als er zum Jahresanfang 1839 die „Gemeinnützigen Blätter“ als weiteres Element hinzufügte, erreichte Brandecker mit dem Schwarzwälder Boten bereits 236 Städte und Dörfer. Eines aber fällt dem heutigen Betrachter an diesen frühen Zeitungen auf: die eigentlichen politischen Nachrichten fehlten. Das empfand auch Brandecker und wollte dem abhelfen. Er scheiterte aber, obwohl er sich mit vier Versuchen, zuletzt 1840, sehr moderat gab, an der mächtigen Reaktion und ihrer Zensur, die bis weit in das neue Jahrzehnt hinein wütete, alles kontrollierte und misstrauisch eingriff. Brandecker argumentierte, inzwischen habe sein Blatt den Rang eines Volksblatts erreicht, das einige Tausend feste Leser pro Ausgabe finde. Um nun nicht zurückzufallen, müsse er auch Politisches aufnehmen. Er wollte aber nur Nachrichten aus bereits zensierten Blättern aufnehmen, ohne sie zu kommentieren. Brandecker musste warten.

1842, die Auflage des nun in einem etwas größeren Format erscheinenden Schwarzwälder Boten hatte bereits die 3000 überschritten und war nach dem Schwäbischen Merkur nun die im Lande weitest verbreitete Zeitung, wurde dem neuerlichen Gesuch stattgegeben. Dem jetzt fast 30-jährigen Verleger, dessen Blatt eines der wichtigen in Württemberg geworden war, wurde endlich die Erlaubnis erteilt, auch politische Nachrichten zu verbreiten – nicht ohne deutliche Einschränkungen freilich: die erste Genehmigung war auf ein Jahr beschränkt, was eine weitere Hürde darstellte, die Bewährung erheischte, und die Berichterstattung durfte selbstredend nur „ohne jedes Raisonnement“ erfolgen. Dadurch war jeglichem, gegebenenfalls kritischem Einschub der Riegel vorgeschoben. Erst als diese Frist ohne Anstände verstrichen war, wurde dem Boten die politische Berichterstattung ohne Vorbehalte für fünf Jahre erteilt.

Jetzt investierte Brandecker in die Druckausstattung und bestellte bei der Firma König und Bauer in Kloster Oberzell bei Würzburg eine erste leistungsfähigere, freilich nach wie vor handgetriebene Schnellpresse, mit der 1200 bis 1500 Blätter bedruckt werden konnten. Bis dahin war immer noch die alte, von Fischer übernommene hölzerne Tiegelpresse im Einsatz gewesen, deren ältester Teil, die Spindel, aus dem ausgehenden 18. Jahrhundert stammte. Die zweite technische Neuerung, die Brandecker 1842 einführte und die einmal mehr erkennen lässt, dass er den Markt bis nach Frankreich hinein beobachtete, betraf ein neues fotografisches Druckverfahren, mit dessen Hilfe Texte durch schwarz-weiß-Zeichnungen aufgelockert werden konnten: die 1839 erfundene Daguerrotypie. Kannte er den Constitutionel der französischen Liberalen oder andere Pariser Blätter, wie La Caricature mit ihren Politkarikaturen? Auch inhaltlich fällt in diesem Jahr eine Neuerung auf: Brandecker druckte erstmals in seiner Dorfzeitung einen Zeitungsroman, der von wahren Begebenheiten in der Umgebung handelte, was prompt auf Kritik der Betroffenen stieß.

So aufgestellt war für die folgenden Jahre die stabile Grundlage für den weiteren Erfolg des Boten erreicht, der Weg zum Volksblatt beschritten. Zum Jahresbeginn 1844 konnte Brandecker schon über 5000 Abonnenten melden; der Bote gehörte nach kaum neun Jahren zu den führenden Zeitungen des Landes und hatte ein Verbreitungsgebiet, das längst über Württemberg hinausreichte und in Hohenzollern genauso fest verankert war wie im angrenzenden Baden. Politische Nachrichten bildeten endlich auch einen festen Bestandteil der Information des Blattes, das inzwischen eine deutliche inhaltliche Dreiteilung aufwies: Regierungserlasse und Amtliches füllten in der Regel die Titelseite. Dem schloss sich die Dorfzeitung mit Nachrichten aus Württemberg, den anderen deutschen Ländern und der Welt an und den Schluss bildete der Unterhaltungsteil.

Inzwischen hatte Brandecker geheiratet, ein sonst kaum über den privaten Bereich hinausgehender Umstand. Im Falle des Zeitungsmachers öffnet die Heirat aber tiefere Einblicke; denn Brandecker verband sich durch die Ehe mit der 19-jährigen Tochter des Sulzer Stadtschultheißen nicht nur mit einer noblen Familie, seine Frau sollte an der Fortentwicklung der Zeitung künftig regen Anteil nehmen und arbeitete immer aktiv im Unternehmen mit, was sich keineswegs auf den Unterhaltungsteil beschränkte, wie die Korrespondenz erkennen lässt. Der aktive Katholik Brandecker nahm übrigens eine Protestantin zur Frau. In diesem für die damalige Zeit unkonventionellen, mutigen Schritt deutet sich seine spätere Entwicklung an, lässt er doch zu bereits ausgemachten Charakterzügen wie Zielstrebigkeit und wohlkalkuliertem Wagemut einen entschlossen handelnden liberalen Geist erkennen.

Ärger mit der Zensur, der zuweilen geradezu groteske Züge anhafteten, bildete unverändert einen Teil von Brandeckers Alltag. Im August 1846 etwa wollte er ein Gedicht aus der Karlsruher Zeitung im Unterhaltungsteil abdrucken, in dem die Schleswig-Holsteiner zum Aufstand gegen die Dänen aufgefordert wurden, aber die Oberndorfer Zensur sah darin ein verbotenes politisches Raisonnement und strich es. Brandeckers Beschwerde bei der Zensurkommission in Stuttgart blieb erfolglos. Grundlegenden Wandel brachte hier das Jahr 1848. Am 7. März druckte der Schwarzwälder Bote auf der ganzen Titelseite und durch breiten Schmuckrahmen hervorgehoben unter der Überschrift Pressfreiheit die königliche Verordnung vom 1. März. Sie hob die am 1. Oktober 1819 eingeführte Zensur auf und setzte sämtliche Bestimmungen des Gesetzes über die Pressfreiheit vom 30. Januar 1817 wieder in Kraft. Das freie Bekenntnis zu den liberalen Ideen der Zeit schien nun erlaubt, und so handhabte Brandecker das dann auch. Er druckte sogar Verlautbarungen Radikaler im Wortlaut, etwa die „Zusammenstellung der Rechte des Volkes“ (Schwabo vom 7.4.1848, Jahresbd. S. 363) von Gustav Struve (1805–1870).

Brandecker berichtete jetzt freimütig über revolutionäre Vorgänge in Deutschland und über die Debatten und Beschlüsse des Frankfurter Parlaments. Die Berichterstattung unter dem Stichwort Deutschland rückte bald auf die erste Position in der Dorfzeitung und verdrängte die Württembergische Chronik auf die zweite Stelle. Ab Anfang März fällt unter den Berichten über Volksversammlungen auf, wie den liberalen Kernforderungen, bald „Forderungen des deutschen Volkes“ (ebd. vom 7.3.1848, S. 186) genannt, regelmäßig durch Sperrdruck Gewicht verliehen wird: Pressefreiheit, freie Wahl eines Deutschen Parlaments, Einrichtung von Schwurgerichten, eines Volksheeres mit gewählten Offizieren, einheitliches deutsches Recht, Ministerverantwortlichkeit, Abschaffung aller Privilegien, gelegentlich auch Einführung einer Republik. Der auf den 12. März (ebd. S. 221) datierte und mit M. gezeichnete Bericht aus Oberndorf zur Ernennung der württembergischen Minister Pfizer, Römer, u. a. beginnt und endet mit „Schwarz-Rot-Gold“, fett gedruckt und zentriert und feiert am Schluss „die wunderbar schöne Zeit der Freiheit und die Einheit Deutschlands“ (ebd. S. 222). Nicht minder euphorisch die Einleitung der Württembergischen Chronik vom 17. März: „Alles ist jetzt liberal“ (ebd. S. 226). Diese Einleitung ist nicht namentlich oder mit Kürzel gezeichnet, Brandecker aber erscheint als „Verantwortlicher Redakteur“, so dass nahe liegt, in ihm wie z. B. auch bei der Einleitung zum Nachläufer vom 21. März (ebd. S. 245) den Verfasser zu sehen. Das eindeutige Bekenntnis der Zeitung ließ nicht mehr lange auf sich warten: „Die politische Farbe des Schwarzwälder Boten betreffend, stellt er sich entschieden auf Seite des Volkes“, heißt es im Dezember 1848 (edb. S. 1107, auch S. 1196). Zum Jahresende druckte Brandecker die von der Nationalversammlung beschlossenen Grundrechte im Wortlaut ab.

Weitere Neuerungen in diesem Zusammenhang fallen in der Zeitung Brandeckers. auf: Sie war 1848 im ersten Jahr der Revolution mit 1208 Seiten, zusätzlich 408 Seiten Unterhaltungsblatt, weit umfangreicher als je zuvor; denn zu den zwei Wochenausgaben hatte es häufig Nach- und auch Vorläufer gegeben. Ab 1849 erschien der Bote regelmäßig fünfmal pro Woche, auch Sonntags, und trug jetzt den Untertitel „Eine politische Zeitung für den Bürger und Landmann“ nun erweitert mit dem Motto: „Für Wohlstand, Bildung und Freiheit Aller …“. Der Gesamtumfang aber veränderte sich 1849 kaum.

Inzwischen hatten die politischen Meldungen die amtlichen von der Titelseite verdrängt. Inhaltlich aber fällt bereits grundlegende Ernüchterung auf: aus März-„Errungenschaften“ waren schon zu Jahresanfang 1849 „Versprochenschaften“ (Schwabo vom 2.1.1949, Jahresbd. S. 3) geworden. Im Juni, als die Nationalversammlung in Stuttgart tagte, meldete der Bote, künftig würde über die württembergischen Kammersitzungen nur noch kurz berichtet: „Die Beschlüsse dieser Kammer sind von der Art, dass man keine besondere Freude daran haben kann.“ (ebd. vom 14.6.1849, S. 592). Endlich der Bericht über die Umstände bei der Auflösung der Nationalversammlung in Stuttgart am 18. Juni ist nur noch Abgesang und deutliches Abrücken vom „sogenannten Märzministerium […] Duvernoy Römer Goppelt“ (ebd. S. 617).

Nur zur kurzen Episode im Leben Brandeckers, der inzwischen den „liberalen Demokraten“ (Chronik, 1985, S. 52), dem Bürgerverein und der Bürgerwehr beigetreten war und später eindeutig nationalliberal gesinnt blieb, geriet seine etwa einwöchige Haft im August 1849 im Oberndorfer Gefängnis. Er konnte genügend Zeugen aufbieten, dass er an der vom Oberamtmann angegebenen geheimen Versammlung am 30. Mai nicht teilgenommen hatte und kam wieder frei. Dennoch lässt sich erkennen, dass sein politisches Engagement ihn bei der Obrigkeit in deutlichen Misskredit gebracht hatte. Von 1850 bis 1856 war die kleine, in Balingen erscheinende Zeitung anstelle des Boten Oberndorfer Amtsblatt. Brandeckers Zeitung aber nahm dadurch keinen bleibenden Schaden, seine Organisation stand auf festem Boden. Er verstand, die Leser an sein Blatt zu binden, auch mit einem Jahreskalender als Weihnachtsgeschenk ab 1851 und immer durch direkte Leseransprache, wie ab 1854 in den bald beliebten Gesprächen mit einigen Bauern. Auch die Auflage stieg wieder: von 5000 (1855) auf 7300 (1860). Ab 1878 wurden bereits 25 000 Exemplare der in Format und Umfang deutlich weiter gewachsenen Zeitung verkauft, die nun sechsmal pro Woche erschien.

Das setzte freilich die permanente Verbesserung der Infrastruktur bei der Herstellung voraus, worum sich Brandecker gleichermaßen kümmerte. Der Druck war weiter modernisiert worden, 1862 und 1864 durch in Würzburg hergestellte Doppelmaschinen mit Ausleger, die je 3000 Blätter pro Stunde bedrucken konnten. Neue Räumlichkeiten samt Dampfkesselhaus, Gasbereitungsanlage, Setzersaal, neuen Büro- und Redaktionsräumen wurden seit 1872 genutzt und boten jetzt genügend Platz für größere Druckanlagen. In der benachbarten Wettestraße in Oberndorf arbeitete fortan eine Vierfach-Maschine, und vom 31. Januar 1879 an wurde der Schwarzwälder Bote auf einer, ab 1882 auf zwei Rotationsdruckmaschinen der Maschinenfabrik Augsburg gedruckt. Sie gehörten zu den ersten dieser Art in Württemberg.

1885, zwei Jahre vor seinem Tod, konnte Brandecker auf das 50-jährige Bestehen seiner Zeitung zurückblicken und stolz resümieren, welch weiten, erfolgreichen Weg der Bote – und auch er, sein Macher! – inzwischen zurückgelegt hatten: der Schwarzwälder Bote war jetzt eine der größten und weitestverbreiteten Zeitungen im Lande. Zuvor schon hatten Brandecker und seine Frau die Nachfolge geregelt. Da ein Sohn fehlte, wurden die Schwiegersöhne Erben der neugegründeten Aktiengesellschaft, deren Anteile aber, so bestimmte es der Gesellschaftervertrag, im engsten Familienkreis bleiben sollten – und bis heute blieben.

Quellen:

FamilienA Brandecker, Korrespondenz und Geschäftsunterlagen, sowie ZeitungsA, alle Ausgaben in Jahresbänden seit 1835, beide beim Schwarzwälder Boten, Oberndorf am Neckar; „Erinnerungen aus meinem Leben“, Tagebuch von Amélie Brandecker, Brandeckers Ehefrau, mit 12 Illustrationen von Hermine Stilke, 1879, Handschrift im Privatbesitz; Auskünfte von Peter Wolf, Ur-Ur-Enkel von Brandecker und ehemaligem Leiter Lokales, und von H.-P. Schreijäg, Chefredakteur des Schwarzwälder Boten, vom August 2016.

Werke: Beiträge in: Schwarzwälder Boten besonders im Teil Dorfzeitung, ab Nr. 81, 1835 bis 1886.
Nachweis: Bildnachweise: Foto eines Jugendgemäldes (o. J.) S. 35; – Chronik, 1985, 40 und 128 und Unsere Besten, 2015, 2 oben (vgl. Literatur)

Literatur:

Eugen Feederle, Der Schwarzwälder Bote 1935–1935, 1935; Hotolf Biesenberger, Der Schwarzwälder Bote in den Jahren 1930–1950, Diss. phil. München, 1953; Schwarzwälder Bote KG (Hg.), Schwarzwälder Bote 1835–1985, eine Chronik aus 150 Jahren, 1985 (mit Bildnachweis 40 sowie Bildnachweis und Todesanzeige 128); Ruth Wein-Elben, Vom Schriftsetzerlehrling zum Zeitungsherausgeber – Ein Ausbildungsvertrag von 1831, in: Schwarzwälder Hausschatz, 1988; Peter Wolf, Zielstrebig und hartnäckig und Rascher Wandel im Zeitungswesen, beide Artikel in: Schwarzwälder Bote vom 5.11.2014, Sonderbeilage zum 200.Geburtstag von Friedrich Wilhelm Brandecker; Hans-Peter Schreijäg, Schwarze Kunst, spöttische Zaren, 180 Jahre Schwarzwälder Bote, in: Unsere Besten, Sonderbeilage 180 Jahre Schwarzwälder Bote, vom 30. April 2015, unpag. (11–12).

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