Dießlin, Adolf Gustav Friedrich 

Geburtsdatum/-ort: 07.05.1852;  Hausen im Wiesental
Sterbedatum/-ort: 29.01.1917; Wasserburg im Elsaß
Beruf/Funktion:
  • Forstmeister
Kurzbiografie: Gymnasium in Karlsruhe, 1870 Abitur
1870-1874 Studium der Forstwissenschaft am Polytechnikum in Karlsruhe
1875-1881 Forstpraktikant und Meßgehilfe bei der Forsttaxation in verschiedenen Forstämtern
1881-1884 Taxator (Forstlicher Planer) in den Bezirksforsteien Wertheim, Buchen, Tauberbischofsheim, Pfullendorf, Meßkirch, Langensteinbach, Kaltenbronn und Berghausen (Durlach)
1884 Sonderauftrag: Taxation der Waldungen des Krongutes Mainau
1884-1885 Dienstvertreter in Bonndorf, Stockach und Walldürn
1885-1917 Leiter des Forstamtes Schönau im Wiesental
1910 Ehrenbürger der Stadt Schönau im Wiesental
1914-1917 freiwillig als Hauptmann der Reserve Militärdienst, zuletzt Chef einer Straßenbaukompanie
Weitere Angaben zur Person: Verheiratet: 1. 1890 (wohl Schönau) Eugenie, geb. Schenk, (gest. 7.1.1892)
2. 1897 Hedwig, geb. Barth
Eltern: Vater: Johann Friedrich Dießlin (geb. 1823, gest. nach 1893), Hauptlehrer
Mutter: Maria, geb. Schöpflin aus Hüfingen (geb. 1825)
Geschwister: 1: Karl (geb. 1850)
Kinder: 3 Töchter aus 2. Ehe
Hedwig (geb. 1897)
Eugenie (geb. 1899)
Luise (geb. 1900)
GND-ID: GND/1012182622

Biografie: Erwin Lauterwasser (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 4 (1996), 58-60

Dießlin wirkte über 30 Jahre im Forstamt Schönau im Wiesental. Anfangs sah es nicht nach einem so langen Bleiben aus. Er galt als tüchtig und fleißig, als ausgezeichneter Fachmann, aber auch als direkt im Umgang. So legte er sich mit dem Schönauer Amtsrichter an und mußte gemahnt werden, durch taktvolles und vorsichtiges Benehmen zur Beilegung des gestörten Verhältnisses beizutragen. Anläßlich einer Visitation merkte der Inspektionsbeamte 1890 an: „Dießlin ist seit dem Frühjahr verheiratet, in seinem früher als etwas unmanierlich bekannten Wesen scheint er sich zu seinem Vorteile verändert zu haben.“ Jedenfalls fand er in Schönau zunehmend Zustimmung. Wie sehr dies der Fall war, zeigt seine Ernennung zum Ehrenbürger der Stadt, die ihm anläßlich seines 25jährigen Dienstjubiläums zuteil wurde.
Damit wurden seine Leistungen gewürdigt, die nicht nur durch den Umfang bestachen, sondern durch die Art und die soziale Einstellung Dießlins, wie es der Bürgermeister in seiner Laudatio sagte. Das Arbeitsfeld ging weit über die Forstwirtschaft hinaus und reichte von der Mitbegründung des Kur- und Verkehrsvereins bis zur Gestaltung des Stadtparkes.
Schönau war kaum an das öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen. Durch das Wiesental führte nur eine Hauptstraße, an die die Seitentäler sparsam angebunden waren. Beim Bau der Lokalbahn Zell – Todtnau berief ihn der Todtnauer Gemeinderat zum Gutachter für den notwendigen Erwerb der Grundstücke.
Sein Augenmerk galt von Anfang an der Erschließung der Waldungen, die sehr im argen lag und einen ordnungsgemäßen Waldbau kaum zuließ. Von 1886 bis 1914 hat er 82 km Waldstraßen gebaut, eine bemerkenswerte Leistung, wenn man bedenkt, daß alle Arbeit nur von Hand möglich war. Hinzu kamen 25 km Wander- und Parkwege. Die Gemeinden erkannten bald die ingenieurhaften Qualitäten Dießlins und zogen ihn auch beim Bau von Wegen außerhalb des Waldes heran. 15 km Gemeinde- und Landwirtschaftswege zeugen davon, darunter die Blößling- und Fuchswaldstraße. Ein Höhepunkt bei dieser Arbeit war die Planung und der Bau der „Belchenstraße“, die von Aitern zum Gipfel führt, und deren Einweihung zu einem Volksfest wurde, wovon die Presse seitenlang berichtete, und wozu selbst der Großherzog gratulierte. Als Vordenker wollte Dießlin den Wald für die Menschen öffnen und ihnen die Schönheit des Schwarzwaldes erschließen. Kein Wunder, daß er für den Fremdenverkehr in Schönau wie ein Pionier wirkte.
1895 konstatiert er die Gewohnheit der Städter, in die Sommerfrische zu gehen, die „in unserem Zeitalter der Nervosität und der Arbeitsüberlastung“ immer größere Ausdehnung annähme und prognostiziert, daß daraus ein allgemeines Bedürfnis der wohlhabenden Stadtbevölkerung werde, für die abgebrauchten Nerven Ruhe, Erholung und Kräftigung zu suchen und daß „diese am besten in der Ruhe und in der kräftigenden ozonreichen Berg- und Waldluft des Hochgebirges“ zu finden sei; die Luftkur, welche gegenwärtig eine so große Rolle spiele und von der großen Mehrzahl der Sommerfrischler gesucht und betrieben wird, setze daher „in erster Reihe nahen Wald in genügender Ausdehnung, außerdem ein System ebener, oder wenigstens nicht steiler Wald-Fußwege und Ruheplätze voraus.“ Diese Worte, im Stil seiner Zeit geschrieben, überraschen durch ihre Aktualität.
Nicht weniger Weitblick zeigte er im Waldbau, wobei er konsequent langfristige Verjüngungen der alten Bestände pflegte und naturnahe neue Mischwaldungen aufbaute. Gegen die verbreitete Meinung ergriff er für die Buche Partei, die wegen ihres geringen Geldertrages nicht sehr geschätzt war: „Die Buche allein ist im Stande, unsere Waldnutzungen im Schwarzwalde sicherzustellen und die Böden in einer Verfassung zu erhalten, welche allen standortsgemäßen Holzarten dauernd freudiges Wachstum und die Fähigkeit natürlicher Verjüngung ermöglicht.“ Seine Forderung, der Buche in den Beständen einen Anteil von einem Drittel zu sichern, entspricht voll der heutigen Auffassung. Dabei war er nicht blind und voreingenommen für leistungsfähige Baumarten. Er begründete auch Douglasien-Bestände, die Maßstäbe für die weitere Verwendung dieser Holzart setzten.
Die Geschichte des Wiesentals ist eine leidvolle Chronik der Landwirtschaft. Seit fast 150 Jahren ist sie im Rückgang. Die Aufgabe von Weidfeldern in der Konkurrenz der industriellen Entwicklung erfolgte bis heute in Schüben, besonders drastisch auch um die Jahrhundertwende. Dießlins Augenmerk galt einer großzügigen Trennung von Wald und besseren Weideflächen. Die Belange der Landwirtschaft waren ihm ein Anliegen, für die er auch stritt. Im Ergebnis forstete er 900 ha brachgefallener Weiden auf. Insgesamt verhalf er dem Forstbezirk Schönau zu einem hohen Leistungsstand, den Gemeinden zu erheblich verbesserten Erträgen aus ihrem Wald.
Für den Staat erwarb Dießlin die Gemarkungen Ober- und Untermulten mit insgesamt 338 ha, davon 129 ha Wald, der vom Vorbesitzer radikal ausgeplündert worden war.
Dießlin war ein weltoffener und auch kunstsinniger Mann. Er wurde 1909 zum Bezirkspfleger der Kunst- und Altertumsdenkmale bestellt. Vor allem aber war er von der Liebe zu seinem Vaterland beseelt. Mit Pflichtbewußtsein erfüllte er seine Auflagen als Reserve-Offizier und meldete sich als 62jähriger freiwillig, nicht ganz im Einverständnis mit seinen Vorgesetzten. Im Elsaß wurde er bei den Pionieren beim Bau von Straßen und Eisenbahnen eingesetzt, seiner Neigung für dieses Metier, das ihn ein Leben lang erfüllte, folgend. Den nach einer Lungenentzündung verstorbenen Hauptmann, ausgezeichnet mit dem Ritterkreuz 1. Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen und dem Eisernen Kreuz, ehrte der Schwarzwaldverein 1925 durch Aufstellung einer Dießlin-Gedenktafel im Stadtpark Schönau.
Quellen: GLAK: 235/31614 fol. 95 ff., 391/45752.
Nachweis: Bildnachweise: Foto in Lit. und in StAF, Bildnissammlung.

Literatur: Hans Jörg Oeschger, A. Dießlin, in: Biographie bedeutender Forstleute aus B-W, Stuttgart 1980, 78-81.
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