Hirt, Simon 

Geburtsdatum/-ort: 18.10.1890;  Bohlingen/Hegau
Sterbedatum/-ort: 01.06.1958;  Freiburg im Breisgau
Beruf/Funktion:
  • Generalvikar der Erzdiözese Freiburg
Kurzbiografie: 1897–1903 Volksschule Bohlingen
1903–1911 Humanistisches Gymnasium Konstanz (ab Quinta) bis Abitur; Zögling des dortigen Konradihauses
1911–1915 Studium d. kath. Theologie in Freiburg, seit 1914 St. Peter; dort Priesterweihe durch Erzbischof Thomas Nörber am 30. Juni 1915
1915–1918 Lazarettgeistlicher u. zeitweiliger Militärseelsorger in Konstanz u. Offenburg
1918–1919 Präfekt am Konradihaus Konstanz
1919–1923 Studienurlaub zum Studium d. Rechtswissenschaften mit Promotion am 27. Febr. 1923 zum Dr. iur. utr. an d. Univ. Freiburg bei Claudius Freiherr von Schwerin (1880–1944): „Die Veräußerung des Kirchenvermögens auf Grund des Codex Juris Canonici“
1923–1925 Vikar in Gernsbach; seit 1924 Spiritual am Theol. Konvikt Freiburg
1925–1944 in d. Diözesanverwaltung Ordinariatssekretär (1925), Ord. Assessor (1930), Prosynodalrichter, Stellvertr. Defensor vinculi, Promotor iustitiae (1932), Ordinariatsrat (1933), Wirklicher Geistl. Rat (1944)
1946–1948 Generalvikar unter Erzbischof Conrad Gröber
1949 Domkapitular
1952–1954 Generalvikar unter Erzbischof Wendelin Rauch u. Kapitularvikar (Erzbistumsverweser)
1954–1958 Generalvikar unter Erzbischof Eugen Seiterich
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Auszeichnungen: Ehrungen: Päpstl. Hausprälat (1947), Apostolischer Protonotar (1955), Ehrenbürger von Bohlingen (1955), Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens d. Bundesrepublik Deutschland (1955), Dr. theol. h.c. d. Univ. Freiburg (1957)
Eltern: Vater: Joseph (1843–1914), Wagner
Mutter: Antonia, geb. Müller (1851–1933)
Geschwister: 10; Johann (geboren 1877), Agatha (geboren 1880), Veronika (geboren 1881), Hermann (geboren 1883), Anton (geboren 1884), Maria (geboren 1887), Josepha (geboren 1894) u. 3 weitere, früh verstorben.
GND-ID: GND/1012273202

Biografie: Clemens Siebler (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 5 (2013), 175-177

Hirts Weg zum Priestertum weist einige jener bekannten Muster auf, die den katholischen Klerikernachwuchs in unzähligen Fällen begünstigt und ermöglicht haben: die Herkunft aus ländlich-bäuerlicher, zumeist kinderreicher Familie, wohlwollende Förderung und gezielte Vorbereitung auf den Besuch des humanistischen Gymnasiums durch den Ortspfarrer sowie Unterbringung in einem der Schule möglichst nahegelegenen Knabenkonvikt. Nach dem mit dem Gesamtprädikat „sehr gut“ bestandenen Abitur studierte Hirt an der Universität Freiburg Theologie. Sein weiterführendes Studium am Priesterseminar St. Peter (1914/15) und seine Priesterweihe fielen bereits in das erste Kriegsjahr.
Durch den I. Weltkrieg wurde Hirts innigster Wunsch durchkreuzt, möglichst umgehend in die Pfarrseelsorge zu gelangen. Er wurde in der Lazarett- und Militärseelsorge eingesetzt, auch sein anschließendes nur kurzes Wirken als Präfekt am Konradihaus in Konstanz kann mit Blick auf seine späteren Tätigkeiten nur als eine zeitliche Überbrückung gesehen werden. Bereits im Sommer 1919 begann Hirt in kirchlichem Auftrag das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Freiburg, das er 1923 mit der Promotion abschloss. Angesichts dieser wissenschaftlichen Qualifikation konnte er nicht darauf hoffen, langfristig in der Pfarrseelsorge wirken zu dürfen; nur ein knappes Jahr war er als Vikar tätig, ehe er als Spiritual an das Collegium Borromaeum, das Theologische Konvikt in Freiburg, berufen wurde. Und abermals nur kurze Zeit später, nach einem kurzen Volontariat beim Katholischen Oberstiftungsrat in Karlsruhe, wurde er Ende 1924 in die oberste Kirchenbehörde berufen, zunächst als Ordinariatssekretär, dann als Assessor unter gleichzeitiger Wahrnehmung weiterer Ämter innerhalb der kirchlichen Verwaltung und Gerichtsbarkeit, so vor allem im kirchlichen Finanzwesen, der Vermögensverwaltung und der Kirchensteuer. 1932 wurde Hirt Ordinariatsrat.
Dank seiner theologischen und juristischen Bildung erwies er sich als überaus befähigter und sachkundiger Mitarbeiter in der Diözesanleitung. Noch kurz vor Kriegsende wurde er 1944 von Erzbischof Gröber zum Wirklichen Geistlichen Rat ernannt. Er war seitdem mit Sitz und Stimme Mitglied des Ordinariats, der zur Leitung der Diözese bestimmten Verwaltungsbehörde. Eine wenn auch nicht ungewöhnliche Überraschung war seine Berufung zum Generalvikar 1946, obwohl Hirt zum damaligen Zeitpunkt noch nicht dem Domkapitel angehörte.
Auch während der kurzen Regierungszeit der beiden Erzbischöfe Wendelin Rauch und Eugen Seiterich war der in der kirchlichen Verwaltung und Gerichtsbarkeit so befähigte Hirt für die Leitung der Diözese auf höchster Ebene unverzichtbar. Seit 1949 Domkapitular übertrug ihm Erzbischof Rauch 1952 erneut das Amt des Generalvikars, das Hirt auch unter dessen Nachfolger Seiterich behielt. Vertrauen des Domkapitels in Hirts Fachkompetenz und große Wertschätzung lässt auch seine Wahl zum Kapitularvikar für die Zeit der Sedisvakanz vom März bis September 1954 erkennen.
Da Hirt im „Dritten Reich“ überwiegend als Verwaltungsmann tätig war, war er den ständigen Bespitzelungen durch das Regime nicht in dem Maße ausgesetzt wie viele Pfarrseelsorger oder geistliche Lehrer. Doch er hat sich nach Kräften menschlich und nach Möglichkeit juristisch für die Ehre und das Leben derjenigen Geistlichen eingesetzt, die mit dem Staat in Konflikt geraten waren. Eines seiner fraglos erschütterndsten Erlebnisse in jenen Jahren war die Gerichtsverhandlung gegen Max Joseph Metzger vor dem Volksgerichtshof, an der er 1943 im Auftrag von Erzbischof Gröber teilgenommen und einen schriftlichen Bericht über den Prozessverlauf angefertigt hat.
Zu den wenigen Veröffentlichungen Hirts gehört die kurz nach dem II. Weltkrieg herausgegebene und mit einem längeren Nachwort versehene Enzyklika Pius XI. von 1937 „Mit brennender Sorge“. Er fügte auch Akten an, welche die päpstliche Aktion ausgelöst hatten, die jedoch während der NS-Zeit selbst kaum bekannt geworden waren, insbesondere den Notenwechsel zwischen der Reichsregierung und dem Vatikan sowie die Korrespondenz zwischen dem Reichsministerium und dem deutschen Episkopat.
Nach der Gründung der Bundesrepublik bekundete Hirt, dessen Weltbild nachhaltig von dem langen Ringen der Kirche um ihre Freiheit geprägt war, großes Interesse an der Auseinandersetzung um die Rechtsgültigkeit des Reichskonkordates, die teilweise in Frage gestellt, in ihrer völkerrechtlichen und innerstaatlichen Rechtswirksamkeit 1957 vom Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde. Mit demselben Engagement verfolgte Hirt die Bundestagsdebatte über das Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit (1951), das Personenstandsgesetz (1957) und andere für das kirchliche Leben entscheidende gesetzgeberische Maßnahmen. In bischöflichem Auftrag konnte sich Hirt bei der Bildung des Südweststaates in die Verfassungsverhandlungen einschalten und mit wohlbedachten Formulierungen den kirchlichen Einfluss wiederholt in den Fragen zur Geltung bringen, die das Verhältnis von Staat und Kirche berührten, vor allem den Schulbereich und den Religionsunterricht.
Hirts Aufstieg in den kirchlichen Verwaltungsämtern spiegelt sich nicht weniger deutlich in den Ehrungen, die ihm von der Kirche zuerkannt wurden, darunter die Ernennungen zum Päpstlichen Hausprälaten (1947) und zum Apostolischen Protonotar (1955) als der höchsten Prälatenwürde durch Pius XII. Hirts erfolgreiche Bemühungen um ein gutes Verhältnis zwischen Staat und Kirche fanden im selben Jahr Anerkennung durch die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes. Aus Anlass der 500-Jahrfeier der Universität Freiburg 1957 wurde Hirt zum theologischen Ehrendoktor ernannt. Mit der Würdigung seiner persönlichen Verdienste um die kirchliche Verwaltung wollte die Fakultät damals auch den seelsorgerischen Dienst des gesamten Diözesanklerus ehren.
Ein langes und schweres Leiden zwang Hirt im Februar 1958, nur wenige Tage vor Eugen Seiterichs Tod, auf das Amt des Generalvikars zu verzichten. Die Ernennung und den Amtsantritt von Hermann Schäufele als neuer Erzbischof 1958 hat er nicht mehr erlebt.
Quellen: EAF, Personalakte Simon Hirt; UA Freiburg B 29/1118, Promotionsakte Simon Hirt; BA Koblenz B 122/38.419; HstAS Q 1/22 Bü 1; Mitteilungen von Bernhard Hirt, Bohlingen, vom Dezember 2008, u. Rolf Hirt, Singen, vom Januar 2009.
Werke: Die Veräußerung des Kirchenvermögens auf Grund des Codex iuris canonici, Diss. iur. Freiburg (masch. schriftl.), 1923; Bericht vom Verlauf d. Verhandlungen gegen Max Jos. Metzger vom 16.10.1943, in: Max Josef Metzger. Christuszeuge in einer zerrissenen Welt, hgg. von K. Kienzler, 1991, 314-318; (Hg.) Die Auseinandersetzung über die Enzyklika „Mit brennender Sorge“ in ihren geschichtlichen Zusammenhängen, in: Mit brennender Sorge. Das päpstl. Rundschreiben gegen den Nationalsozialismus u. seine Folgen für Deutschland, 1946, 83-102; Um das Reichskonkordat, in: Freib. Kath. Kirchenblatt, 12. Jg., Nr. 20 u. 21 vom 13./20.5.1956, 405f. u. 425f., ebenso in: Konradsblatt, 36. Jg., Nr. 21 vom 20.5.1956, 452f.
Nachweis: Bildnachweise: EAF Fotosammlung Wendelin Rauch, passim (ohne Signatur) u. Nb 10/182, Nachlass Eugen Seiterich, passim; Konradsblatt Nr. 24, 1958, 594; Singener Jahrb. 1997/98, 115; Bernhard Hirt, Bohlingen, Fotosammlung; Bohlinger Ortsblatt, Nr. 191 vom 12.6.2008, 4 (vgl. Literatur).

Literatur: H. Weismann, Geschichte des Dorfes u. d. ehemaligen Herrschaft Bohlingen im Hegau, 2. Aufl. 1951, 241; N. N., Wissenschaft von Gott u. den göttlichen Dingen. Generalvikar Dr. Hirt bei d. Ehrenpromotion d. Theol. Fakultat, in: Freib. Kath. Kirchenblatt, 13. Jg., Nr. 26 vom 30.6.1957, 596 u. 603; A. Krautheimer, Generalvikar Prälat Dr. Hirt zum Gedenken, in: Konradsblatt, 42. Jg., Nr. 24 vom 15.6.1958, 594; F. Vetter, Apostolischem Protonotar Domkapitular Dr. Simon Hirt zum Gedächtnis, in: Freib. Kath. Kirchenblatt, 14. Jg., Nr. 25 vom 22.6.1958, 571f.; F. Vetter, Dr. Simon Hirt, in: Necrologium Friburgense 1958, FDA 82/83, 3. Folge, Bd. 14/15, 1962/63, 1964; Beitrage zur Geschichte von Bohlingen, hgg. im Auftrag d. Gde. Bohlingen durch H. Berner, 1973, 190 u. 196; W. Hirt, „Sein, nicht scheinen!“ – Dr. Dr. h.c. Simon Hirt, in: Singener Jahrb. 1997/98, hgg. von d. Stadt Singen (Hohentwiel), 1998, 114-117; K.-H. Braun, Simon Hirt, in: E. Gatz (Hg.), Die Bischöfe d. deutschsprach. Länder (1945-2001). Ein biograph. Lexikon, 2002, 224.
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