Riedlin, Adolf 

Geburtsdatum/-ort: 03.04.1892;  (Sulzburg-) Laufen
Sterbedatum/-ort: 09.09.1969;  Freiburg im Breisgau
Beruf/Funktion:
  • Maler
Kurzbiografie:

1907–1914 Malerlehre bei den Gebrüdern Endres, Freiburg, Gesellenprüfung

1910, 1911 bis 1912 drei Semester Kunstgewerbeschule Karlsruhe, dann zwei Semester an der Großherzoglich Badischen Kunstakademie Karlsruhe bei Prof. Walter Georgi (1871–1924)

1913–1914 selbstständiger Kirchenmaler und private Aufträge

1914–1918 Kriegsdienst, im Oktober 1914 schwere Verwundung; Offizierslehrgang, ab August 1915 Leutnant an der Westfront

1919–1920 Studium an der Kunstakademie Stuttgart, Schüler von Prof. Adolf Hölzel (1853–1934)

1920–1923 freier Maler, vorwiegend abstrakte Arbeiten

1924–1926 durch Inflation Verlust der finanziellen Unabhängigkeit; Umzug nach Baden-Baden, Porträtmalerei

1926–1930 Rückkehr nach Laufen, 1928 fünfmonatiger Aufenthalt in Paris

1930–1932 Wohnsitz in Basel, Landschafts- und Porträtmalerei

1932–1936 Mitglied der „Badischen Secession“ Freiburg, 1932 Rückkehr nach Laufen

1935–1937 I. Preis im Wandbildwettbewerb für das Freiburger Gaswerk; Febr. 1937 Fertigstellung des monumentalen Wandbildes für den Aufenthaltsraum

1937–1945 Übersiedlung nach Freiburg im März 1937; im September Beschlagnahme von vier Riedlin-Bildern aus der Sammlung des Augustinermuseums; dann bis 1945 Kriegsdienst in Russland und Frankreich, zuletzt Hauptmann einer Versorgungskompanie

1945–1946 amerikanische Kriegsgefangenschaft, Internierung an der Atlantikküste, August 1946 zurück in Freiburg

ab 1947 Wiederaufnahme der Malerei. Mitglied der neugegründeten „Badischen Secession“ Freiburg

1950 ff. Zahlreiche öffentliche Aufträge für Kunst am Bau

1962 Mitglied des Künstlerbundes Baden-Württemberg. Große Riedlin-Ausstellung im Kunstverein Freiburg

Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Verheiratet:

I. 1920 (Laufen) Gertrud, geb. Dunker (geb. 1892), gesch. 1923;

II. 1944 (Freiburg) Lieselotte, geb. Zinsmeier (1918–1957), gesch. 1948


Eltern:

Vater: Jakob Maximilian (1858–1919), Landwirt und Kaufmann

Mutter: Ida, geb. Engler (1866–1933)


Geschwister:

2; Otto Wilhelm (1889–1970) und Theodor (1890–1965)


Kinder:

keine

GND-ID: GND/1012296997

Biografie: Markus Eisen (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 7 (2019), 439-442

Im Winzerdorf Laufen im Markgräflerland wurde Riedlin als Nachkomme alteingesessener Familien geboren. Engler, die Familie mütterlicherseits, stellte mehrfach den Bürgermeister des Ortes; in Riedlins Kindertagen war sein Onkel Eugen Riedlin (1852–1916) Bürgermeister.

1907 begann Riedlin eine Malerlehre bei den Gebrüdern Endres in Freiburg, die er mit der Gesellenprüfung beendete. Danach besuchte er die Kunstgewerbeschule Karlsruhe, die er 1912 mit dem „Kunsteinjährigen“, der mittleren Reife, abschloss. Dann ging er auf die Badische Kunstakademie Karlsruhe, wo er beim Leiter der Zeichenklasse, Professor Walter Georgi, studierte.

Im Herbst 1913 verließ er die Akademie und wurde vorwiegend im Bereich der Kirchenmalerei selbstständiger Maler. Eines seiner wenigen erhaltenen frühen Werke ist das „Bildnis der Mutter“ von 1912. Es zeigt Riedlins Fähigkeit zu einer die individuelle Physiognomie herausarbeitenden Malweise, die er später wieder in seiner Porträtmalerei praktizierte.

Durch den I. Weltkrieg, an dem Riedlin für die gesamte Dauer teilnahm, aus seiner künstlerischen Entwicklung herausgerissen, studierte er nochmals ab 1919 für ein gutes Jahr an der Kunstakademie Stuttgart bei Professor Adolf Hölzel. Bereits die Wahl dieses Lehrers und Wegbereiters der abstrakten Malerei in Deutschland zeigt, dass Riedlin auf der Suche nach neuen künstlerischen Ausdrucksmitteln war. Seine abstrakten Zeichnungen und Gemälde aus dieser Zeit, in denen oft religiöse Motive wie die Heilige Familie oder Anbetungsszenen angedeutet bleiben, belegen den Einfluss Hoelzels.

Zu Beginn der 1920er Jahre entstanden erste wichtige Werke, in denen sich seine Auseinandersetzung mit modernen Stiltendenzen zeigt. Neben seine abstrakten Kompositionen traten dynamische bewegte Soldatenbilder im futuristischen Stil (z.B. „Angriff“ 1919, Museum am Burghof in Lörrach) sowie eine expressionistische gegenständliche Malerei mit Bezug zu seiner Markgräfler Herkunftswelt. Zeitlebens blieben für Riedlin beides, die abstrakte Malerei und sein expressiver Realismus mit dörflich-bäuerlichem Motivspektrum die Pole, zwischen denen sich sein künstlerisches Schaffen bewegte. Riedlins Anleihen bei der Avantgardekunst zeigen seine Hinwendung zur Moderne, was durchaus zeittypisch für die frühen 1920er Jahre ist und auch bei anderen badischen Künstlern seiner Generation, beispielsweise Georg Scholz (1890-1945), auffällt.

Charakteristisch für Riedlins gegenständliche Malweise ist der skizzenhafte Pinselduktus, mit dem er seine Figurationen in expressiver geometrischer Reduktion ausführte. Dies trifft auch auf Riedlins berühmtestes Ölgemälde zu, die „Markgräflerinnen“ von 1923 (Dreiländermuseum Lörrach). Es zeigt fünf untergehakt schreitende Frauen in traditioneller Tracht mit schwarzen Flügelhauben und hellen Schultertüchern. Durch die flächige Geometrisierung ihrer Kleidung entsteht ein Zusammenhang, so dass das Bild auch als Bewegungsablauf einer Person angesehen werden kann.

Auf der Oberbadischen Gewerbeausstellung 1925 in Lörrach stellte Riedlin mehrere moderne Werke aus. Sein kubistisches Gemälde „Drei Markgräflerinnen“ von 1924 löste heftige öffentliche Reaktionen aus, weil die von zwei jungen Frauen flankierte ältere als schwanger wahrgenommen wurde. Das Werk wurde in der Presse als „blöde Verhöhnung unserer schönen Markgräfler Tracht“ (Oberbadisches Volksblatt vom 2.9.1925) angeprangert und später aus der Ausstellung entfernt. Riedlin antwortete darauf in einem Leserbrief: „Meine Figuren entstehen aus dem künstlerischen Gesetz und werden allmählich Realität […] Die künstlerische Notwendigkeit war immer noch primär, sekundär das Illustrative […] Die Markgräfler dürften doch glücklich sein, dass auch ein Maler sich müht, das Symbol des Markgräflertums künstlerisch zu retten“ (Oberrheinisches Tagblatt vom 1.10.1925). Hier wird Riedlins Selbstverständnis als moderner Künstler deutlich, für den die traditionellen Motive nur durch die formal moderne Umsetzung „künstlerisch zu retten“ waren.

Nachdem er bei der Inflation seine finanzielle Unabhängigkeit verloren hatte, zog Riedlin 1924 nach Baden-Baden, um dort durch Porträtmalerei zu existieren. Auch die Wohnsitzwechsel 1926 nach Laufen und 1930 nach Basel hingen vermutlich mit seiner schwierigen Verdienstsituation zusammen. 1928 hielt er sich für fünf Monate in Paris auf, wo gerade die Bewegung der Surrealisten im Zenit ihrer öffentlichen Wirkung war. Vor allem in Riedlins Zeichnungen aus dieser Zeit ist ein surrealistisch beeinflusster Stilwandel zu erkennen.

Mit Beginn der 1930er Jahre wurden bäuerliche

Motive und Landschaften seine bevorzugten Sujets, um 1932 auch nochmals Soldatenbilder. 1932 wurde Riedlin Mitglied der „Badischen Secession“, an deren Ausstellungen Riedlin nur mit seinen gegenständlichen Werken teilnahm. 1927 hatten sich in Freiburg an der Moderne orientierte Künstler zusammengeschlossen, um sich so von der durch Kunsttraditionalisten dominierten Kunstszene Karlsruhes abzusetzen. Den ab Mitte der 1920er Jahre vorherrschenden neusachlichen Stil, der auch bei den Ausstellungen der „Badischen Secession“ hervortrat, hat Riedlin nie aufgegriffen. Mit seinem lebhaften malerischen Realismus war ihm diese sachlich-kühle, die Spuren des Malvorgangs tilgende Malweise offenkundig zu fremd.

Neben seinem freien künstlerischen Schaffen hat Riedlin öfter Aufträge für Kunst im öffentlichen Raum, hauptsächlich Wandgemälde, realisiert. Hierfür war er durch seine handwerkliche Malerausbildung und die Kunstgewerbeschule besonders qualifiziert. Dazu gehört das 1922 für seinen Heimatort Laufen geschaffene Gefallenendenkmal. Die Plastik besteht aus zwei zu Boden gesunkenen Soldaten mit Stahlhelmen, wobei der hintere den wohl von einer Kugel getroffenen Vordermann stützt.

Nach der NS-„Machtergreifung“ wurde im September die Reichskulturkammer eingerichtet, deren Kammer für Bildende Künste Riedlin beitrat – fortan die Voraussetzung für eine offizielle Berufstätigkeit als Künstler. Beim Neubau des städtischen Gaswerks Freiburg wurde 1935 ein Wettbewerb zur künstlerischen Gestaltung eines Wandbildes für den Aufenthaltsraum ausgeschrieben. Der Leiter des Hochbauamts, Josef Schlippe, forderte fünf Künstler schriftlich zur Teilnahme auf, darunter Riedlin als Einzigen nicht in Freiburg ansässigen. Einer von Riedlins eingereichten drei Entwürfen bekam den ersten Preis zugesprochen. Das von Riedlin bis Mitte Februar 1937 vollendete Freskogemälde zeigt eine 12-köpfige Arbeiterkolonne mit geschulterten Spaten und Hacken. Der Kolonnenführer erhebt die Hand zum Hitlergruß, den einer der beiden Arbeitslosen am Wegesrand erwidert. Riedlin übermalte übrigens 1947 auf Drängen Schlippes die beiden zum Gruß ausgestreckten Arme. In einer Ausstellung des Kunstvereins Freiburg im April/Mai 1937 wurden die Wettbewerbsentwürfe der Öffentlichkeit präsentiert.

Trotz seiner großen öffentlichen Beachtung und der von ihm bekundeten Regimekonformität 1937 wurden bei der Beschlagnahmeaktion am 16. September 1937 in Freiburg vier seiner Werke aus der Sammlung des Augustinermuseums als „volksfremd“ konfisziert, nachdem Hitler am Vorabend der Eröffnung der Ausstellung „Entartete Kunst“ am 18. Juli 1937 in München einen „Säuberungskrieg“ angekündigt hatte. Hiervon waren besonders expressionistische Kunstwerke betroffen, weil bei diesen das indizierte Kriterium der Deformation der natürlichen Form gut feststellbar war. Ein ähnliches Wandbild schuf Riedlin 1941 für den Stolleneingang des bis 1942 in Freiburg-St. Georgen betriebenen Bergwerks. Es zeigt zwei Bergmänner in Aktion am Bohrhammer und steht heute unter Denkmalschutz.

Ab 1941 wurde Riedlin wieder in den Kriegsdienst eingezogen. Zunächst nahm er nach eigenen Angaben „am Vormarsch auf Stalingrad“ (Lebenslauf 1967) teil, später war er als Hauptmann des Versorgungsregiments 305 in Frankreich im Einsatz. Dort geriet er 1945 in amerikanische Kriegsgefangenschaft und wurde an der Atlantikküste interniert.

Im Sommer 1946 wurde Riedlin schwerkrank aus der Gefangenschaft entlassen und kehrte nach Freiburg zurück. Nach der Wiedergründung der „Badischen Secession“ im November 1946 in Baden-Baden hatten bis Mai 1947 wieder 13 ehemalige Mitglieder zusammengefunden, darunter auch Riedlin Auf der ersten Ausstellung der „Badischen Secession“ im Herbst 1947 in Freiburg zeigte Riedlin das Ölgemälde „Rebenbinderin“ sowie die Temperabilder „Ernte“ und die Serie „Kartoffelacker I. – IV.“ von 1939. Mit aktuellen Werken beteiligte sich Riedlin 1951 an den letzten Ausstellungen der „Badischen Secession“, allesamt bäuerliche Motive. Bei den Ausstellungen der Secession zeigte Riedlin keine abstrakten Werke und entsprach so der Ausrichtung dieser Künstlergruppe auf gegenständliche Malerei.

Während in der Kunst nach 1945 bald ein allgemeiner Trend zur Abstraktion einsetzte, war Riedlins Neubeginn der Malerei seit 1947 zunächst vorwiegend von den beiden Themenkomplexen „Bauernbilder“ und „Strandbilder“ bestimmt. Letztere beruhten auf Aquarellen aus der Zeit der Gefangenschaft am Atlantik. Doch wurden Riedlins Bauerndarstellungen nun immer reduzierter. Formelhaft stellte er seine „Kartoffelleserinnen“ immer mit übergroßen wurzelähnlichen Händen dar. Zugleich vermenschlichte er in seiner Landschaftsmalerei die Natur, so etwa die Baumgruppen auf den 1954 in Hinterzarten entstandenen „Moorbildern“. Diese Angleichung von Mensch und Natur zeigt Riedlins „Bestreben, eine Einheit von Mensch und Natur darzustellen […und die] Suche nach Symbolen für seine mystisch geprägte Weltanschauung.“ (Lechleiter, 1992, S. 21 f.)

Aus zahlreichen öffentlichen Aufträgen für dekorative Wandgestaltungen bezog Riedlin in den 1950er Jahren wieder seine Haupteinkünfte: in Laufen 1952 für die Winzergenossenschaft, für das Regierungspräsidium Freiburg, das Vermessungsamt in Kehl, das Zollgebäude in Weil-Otterbach und für mehrere Schulen von Lörrach bis Freiburg.

Bei seiner Rückkehr zur abstrakten Malerei griff Riedlin anfangs öfter seine abstrakten Kompositionen der frühen 1920er Jahre wieder auf, so das im Dreiländermuseum Lörrach befindliche Ölbild „Katze“ von 1948. Auf seiner Ausstellung 1958 im Kunstverein Freiburg stellte er hauptsächlich abstrakte Werke der 1920er und 1950er Jahre aus.

Im Dezember 1962 veranstaltete der Freiburger Kunstverein zu Riedlins 70. Geburtstag eine Ausstellung, die sein „die Spanne eines Menschenalters umfassendes Werk“ (BZ vom 29.11.1962) präsentierte. Unter den im Katalog aufgeführten 44 Ölgemälden waren 13 abstrakte Bilder. In den 1960er Jahren trat für Riedlin als „einem der ersten abstrakt arbeitenden Künstler Badens“ (Lechleiter, 1994, S. 270) die abstrakte Malerei ganz in den Vordergrund, deren Kompositionen vollständig von gegenständlichen Bezügen gelöst nur dem Spiel der Farben galten. Er verstarb 77-jährig in Freiburg.

Quellen:

Dreiländermuseum Lörrach, Sammlungsdatenbank zum Riedlin-Bestand; StadtA Freiburg, Sammlung „Freiburger Persönlichkeiten“; StA Freiburg 180/2–212946; handschriftlicher Lebenslauf Riedlins vom 26.7.1967, im Besitz von Gerd Riedlin, Laufen.

Werke: Nachlass im: Dreiländermuseum Lörrach; Museum für Neue Kunst Freiburg; Markgräfler Museum Müllheim; Leserbrief, in: „Oberrhein. Tagblatt“ vom 1.10.1925.
Nachweis: Bildnachweise: Selbstporträt mit Zigarette (1938) S. 436, Museum am Burghof Lörrach BKRi 0068. – Foto in: BZ, Markgräfler Nachrichten, vom 9.9.2009.

Literatur:

VII. Ausstellung der Bad. Secession, Ausst. Kat., 1947; VIII. Ausstellung der Badischen Secession, Ausst. Kat., 1951; Adolf Riedlin. Ölbilder, Aquarelle, Zeichnungen. Ausst. Kat. Kunstverein Freiburg im Br., 1962; Die Geschichte der Badischen Secession 1927–1936, Ausst. Kat. Freiburg 1987; Adolf Riedlin 1892–1969, Ausst. Kat., Augustinermuseum Freiburg im Br./Museum am Burghof Lörrach, 1992; Walter Füsslin, Chronik der Markgräflergemeinde Laufen-St. Ilgen, 1972; Antje Lechleiter, Die Künstlergruppe „Badische Secession“. Geschichte, Leben und Werk ihrer Maler und Bildhauer, Diss. phil. Freiburg, 1993, 1994; dies., Der Maler Adolf Riedlin, in: Adolf Riedlin 1892–1969, Ausst. Kat., 1992, 7–23; Der Maler Adolf Riedlin, in: BZ vom 29.11.1962; Walter Jacobi, Bildersturm in der Provinz. Die NS-Aktion „Entartete Kunst“ 1937 in Südbaden, 1988.

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