Schenk, Marie Maria Melitta 

Andere Namensformen:
  • Dichtername Marie M. Schenk
Geburtsdatum/-ort: 08.09.1866;  Burladingen
Sterbedatum/-ort: 13.03.1937;  Freiburg i. Br.
Beruf/Funktion:
  • Heimatdichterin
Kurzbiografie: 1873-1880 Volksschule Burladingen
ca. 1880-1882 Frauenarbeitsschule Sigmaringen; dann Pensionat Nôtre-Dame Straßburg
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: 1887 (Konstanz) Wilhelm Schenk (1859-1930), Fabrikant
Eltern: Vater: Clemens Rudolph (1838-1871), Bierbrauer und Gastwirt
Mutter: Kreszenz, geb. Flad (1839-1892); 2. Ehe (1872) Donat Entreß, Kappenmacher
Geschwister: 3: 2 Brüder, eine Schwester, alle früh verstorben
Kinder: 3:
Wilhelm Theo (1888-1918)
Elisabeth (1891-1908)
Franziska, verheiratete Elbertzhagen (1893-1925)
GND-ID: GND/1012300978

Biografie: Clemens Siebler (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 5 (2005), 247-249

Schenk wuchs in Burladingen auf, wo der schon in ihrer frühesten Jugend verstorbene Vater eine Gastwirtschaft betrieb. Seit ihren Kindertagen fühlte sie sich eng mit der Landschaft der Schwäbischen Alb und dem dort ansässigen Menschenschlag verbunden, und es haben sich unauslöschliche Bilder in ihrer Seele eingeprägt, denen sie später in ihrem schriftstellerischen Werk Ausdruck verlieh.
Die gesellschaftlichen Normen jener Zeit und der Tod des Vaters ließen eine den geistigen Anlagen des Mädchens angemessene Schul- und Berufsausbildung nicht zu. Der Besuch der Fortbildungsschule und der Aufenthalt in einem Töchterpensionat hatten hauptsächlich überbrückenden und vorbereitenden Charakter mit Blick auf eine spätere Ehe, die Schenk bereits im Alter von 21 Jahren einging. Als junge Ehefrau begann sie damit, alle wichtigen Erlebnisse und Ereignisse in ihrer Familie, vor allem den Entwicklungsgang ihrer Kinder mit Versen und sinnspruchartigen Notizen zu begleiten, die in ihrer sprachlichen Ausformung und gedanklichen Tiefe das Niveau herkömmlicher Tagebucheintragungen weit übersteigen. Gleichzeitig verfasste sie Märchen und Gedichte, in denen immer wieder ihre Natur- und Heimatliebe sowie ihr ausgeprägter Familiensinn Ausdruck fanden. Dank der Veröffentlichung von ca. 40 ihrer Gedichte in F. X. Hodlers „Dichterstimmen aus Hohenzollern“ wurde Schenks Name schon früh bekannt. Dennoch blieb auf Dauer der größte Teil ihres lyrischen Schaffens unveröffentlicht.
Literarisches Neuland betrat Schenk kurz nach der Jahrhundertwende mit drei Legenden- und Märchenspielen, „Im Reiche der Waldfee“ (ungedruckt), „Wintersonnenwende“ (1903) und „St. Odilia“ (1906), die durch den Gammertinger Musikdirektor August Reiser (1840-1904) vertont wurden. Ihren eigentlichen Durchbruch erzielte sie schließlich mit dem Geschichtenbuch „Leute von der Rauhen Alb“ (1914), dessen zwölf Erzählungen von dem Wiesentäler Maler Adolf Glattacker mit Bildern nach der Art von Ludwig Richter ausgestaltet wurden. Thematisch griff Schenk auf Szenen aus dem hohenzollerischen Volksleben zurück („Neujahrsansingen“, „Anno dazumal“) sowie auf bodenständige Originale („Der Lumpendunkerle“, „Spitzmadelhex“). Diese gestaltete sie aber sehr persönlich und individuell, was ihr bisweilen den Vorwurf einbrachte, nicht überlieferungsgetreu zu schildern. Doch der Autorin, die Personen oder Vorgänge mit der ihr eigenen gestalterischen Phantasie zu schauen pflegte, ging es um mehr als bloße photographische Wiedergaben. Bereits seit diesem frühen Prosawerk galt Schenk bei ihren Zeitgenossen als „Schwäbischer Rosegger“; in der Tat weist ihre Erzähl- und Darstellungskunst auffallende Parallelen zu dem bekannten steirischen Bauernerzähler auf.
Unter dem Titel der zweiten Geschichte „Die Bäuerin an der Staig“ hat Schenk 1922 drei Dorferzählungen herausgebracht. Urwüchsiger schwäbischer Humor zieht sich durch die Erzählung „Der Vogt von Gaiggelfingen und sein Gegenspiel“; im Streit zweier Albgemeinden um das Für und Wider eines Wasserleitungsbaus finden über alle Rivalitäten hinweg und in lebendiger Schilderung zwei junge Herzen zueinander. „Das Herrenknechtle“, erster Teil der Trias, zählt zu den besonders reifen und verinnerlichten Werken Schenks. In doppelter Weise wird das Ringen um die Heimat thematisiert: im räumlich-konkreten Sinn tut es die Titelgestalt Petri Kettenfeier, die als Findelkind auf dem Bauernhof aufgewachsen ist und ihre Herkunft aus dem Kniebisgebiet vermutet. Auf der emotional-affektiven Ebene steht das Bekenntnis der Autorin: obwohl sie ihr Lebensglück im Badischen gefunden hatte, blieb sie der angestammten Heimat in unverbrüchlicher Treue verbunden.
Innerhalb eines weiteren Dezenniums veröffentlichte Schenk noch vier Prosabändchen; zunächst „Vom kleinen Lehrer und seinen drei Tugenden“ (1923), die launige Schilderung der Schicksale einer biederen schwäbischen Dorflehrerfamilie. Die Nähe dieser Welt zur Dorfnovellistik des Jeremias Gotthelf zeigt einmal mehr, welchen starken Einfluss die großen Prosaiker des 19. Jahrhunderts auf Schenk ausgeübt haben. Das Kinderbuch „Renard der Spielmann“ (1927) handelt von den sturmbewegten Jahren des Bauernkrieges im Burladinger Raum. „Das Dreigespann“ (1929), hinter dessen Titel sich das Schicksal dreier früh verwaister Schwestern verbirgt, zeigt auffallende Parallelen zu den drei „Tugenden“ (Töchtern) des Dorflehrers. Als letztes erschien „Heimat des Herzens“ (1931); dank der besonderen Schilderungs- und Ausdruckskraft der Autorin ist diese Erzählung immer wieder als Preislied auf die Heimat gerühmt worden.
Einen beachtenswerten Teil ihres Gesamtwerkes stellen die Geschichten und Gedichte dar, die Schenk in verschiedenen Zeitschriften veröffentlicht hat, u. a. in „Ekkhart Jahrbuch“, „Konradskalender“, „Deutsche Familie“ und „Sonnenland“. War im schriftstellerischen Schaffen Schenks die kleine schwäbische Dorfwelt bevorzugter Dreh- und Angelpunkt, so kreiste ihre Lyrik hauptsächlich um die eigene Familie, immer unerschöpfliche Kraftquelle für ihre dichterische Kreativität. Die dort erfahrene Beglückung und Erfüllung spiegelt sich im fröhlichen und heiteren Grundton ihrer Poesie wider. Unerwartet rasch wandelte er sich in Leid und Schmerz. Schenks Tochter Elisabeth, mit einer verheißungsvollen dichterischen und malerischen Begabung ausgestattet, starb bereits 17jährig (1908). Ihrem Andenken widmeten die Eltern einen kleinen Band „Gedanken und Träume einer Jugend“ mit Gedichten und Bildern der Tochter. Schenks Gedichte jener Jahre sind eine wehmutsvolle Elegie auf die früh Verstorbene. Der Sohn Willy, promovierter Chemiker und mit Blick auf die Weiterführung des väterlichen Unternehmens Hoffnungsträger der Familie, fiel 1918 in der Somme-Schlacht. Die jüngste Tochter Franziska überlebte ihren unerwartet früh verstorbenen Mann nur ein halbes Jahr. Sowohl der Gram über die verlorenen Kinder als auch die wirtschaftliche Lage beschleunigten den Zusammenbruch der Fabrik. Schenks Tagebuchnotiz beim Tode ihres Mannes (1930) „Ich kann nicht mehr!“ bewahrheitete sich in des Wortes Vollsinn: ihre literarische Tätigkeit fand ein abruptes Ende. Körperlich und geistig gebrochen lebte sie seit 1934 in der Freiburger Kreispflegeanstalt, wo sie 1937 starb.
Über ihren Tod hinaus wurden einige biographische Ungenauigkeiten tradiert. Schon 1929 hatte sie selbst sich dagegen verwahren müssen, dass der Innsbrucker Tyrolia-Verlag ihre Erzählung „Das Dreigespann“ unter dem Namen „Maria Schenk“ veröffentlichte; sie bestand auf „Marie M. Schenk“, wobei M. für Melitta und nicht, wie fälschlich behauptet, für Magdalena steht. Der in mehreren Nachrufen auf Schenk gebrauchte Vorname Theo für ihren Sohn Willy führte zu gelegentlichen Verwechslungen mit ihrem Neffen (geb. 1893). Der unzutreffende Hinweis bei E. Friedrichs (1981) und W. Kosch (1992), Schenk sei Direktorin der Kreispflegeanstalt in Freiburg gewesen, kontrastiert in fast peinlicher Weise mit dem physischen und psychischen Zustand während ihrer letzten Lebensjahre.
Quellen: UB Freiburg, Nachlass M. Schenk u. d. Tochter Elisabeth; L. Denecke u. T. Brandis, Die Nachlässe in den Bibliotheken d. Bundesrep. Deutschland, 1983 2. Aufl., 324.
Werke: Biogr.-bibliogr. Hinweise in: Lexikon dt. Frauen d. Feder, hg. v. S. Pataky, Bd. 2, 1898, 239; Kürschners Dt. Lit.-Kalender 1932, Sp. 1226; ebd., Nekrolog (1936-1970) 1973, 583 f.; W. Kosch, Das kath. Deutschland Bd. 2, 1938, Sp. 4249; Bibliographie d. hohenzoll. Gesch. Bearb. von W. Bernhardt u. R. Seigel, 1975, Nr. 1107, 2879, 2937; Gesamtverz. des dt.sprachigen Schrifttums (1700-1910) Bd. 116, 1984, 100; ebd. Bd. 113 (1911-1965), 1980, 323; E. Friedrichs, Die dt.sprachigen Schriftstellerinnen des 18. u. 19. Jh.s, 1981, 267; W. Kosch, Dt. Lit.-Lex. Bd. 14, 31992, 435 f. – Bibliogr.-biogr. Hinweise mit Teilveröffentlichungen in: F. X. Hodler, Dichterstimmen aus Hohenzollern, 1898, 289-328; Familien-Almanach, hg. v. E. M. Hamann, Bd. 2, 1900, 280-283; 's Zollerländle, 2. Jg., Nr. 9, 1926, 38 f.; Dt. Frauengeist in Dichtung u. Wissenschaft, hg. v. F. Zöllner, Bd. 2, 1927, 276-280. – Auswahl: Wintersonnenwende. Melodramatisches Spinnstubenmärchen, 1903; St. Odilia. Musikalische Legende, 1906; Leute von der Rauhen Alb, 1914 (6.-9. Tsd. 1921); Die Bäuerin an d. Staig, 1922; Vom kleinen Lehrer u. seinen drei Tugenden. Eine altmodische Geschichte, 1923; Die drei Fräulein von Wasserstetten, in: Sonnenland. Ein Jungmädchenblatt, 13. Jg., 1924, 186-189 u. 204-206; Im Zehnthof auf dem Ruckrain, ebd. 14. Jg., 1925, 14-362; Renard der Spielmann, 1927; Das Dreigespann, 1929; Heimat des Herzens, 1931; Die Glond, in: St. Konradskalender, 15. Jg. 1932, 31-36; Elisabeth Schenk, Gedanken u. Träume einer Jugend. Zu ihrem Gedächtnis, (Privatdruck), 1908.
Nachweis: Bildnachweise: Dt. Frauengeist, hg. v. F. Zöllner, 278; Elisabeth Schenk, in: Gedanken u. Träume einer Jugend, neben Titelblatt (vgl. Werke).

Literatur: L. Klaiber, M. M. Schenk zum 60. Geburtstag, in: Hohenzollerische Volksztg. 1926, Nr. 205 vom 7.9.1996, 3; N. N., M. M. Schenk, eine hohenzollerische Heimatdichterin, in: 's Zollerländle, 2. Jg., Nr. 9, 1926, 36 f.; W. Fladt, M. M. Schenk †, Die Dichterin d. Rauhen Alb, in: Badener Land. Unterhaltungsbeilage d. Freiburger Ztg., 1937, Nr. 6, vom 10.4.1937, 24; W. Sauter, M. M. Schenk †. Eine Dichterin d. Albheimat, in: Hohenzollerische Bll., 109. Jg., Nr. 95, 1937, 4; L. Klaiber, M. M. Schenk †, in: Zollerheimat, 6. Jg., Nr. 5, 1937, 33 f.; W. E. Oeftering, Gesch. d. Lit. in Baden, 3. Teil, in: Vom Bodensee zum Main, Nr. 47, 1939 80 f.; (J. Beckmann), Zum Nachlass d. Schriftstellerin M. M. Schenk, in: Zentralblatt f. Bibliothekswesen, 58. Jg., 1941, 221 f.
Suche
Durchschnitt (0 Stimmen)