Schradin, Laura Maria 

Geburtsdatum/-ort: 07.09.1878;  Reutlingen
Sterbedatum/-ort: 08.03.1937;  Tübingen
Beruf/Funktion:
  • Politikerin, Frauenrechtlerin
Kurzbiografie: 1896 Arbeiterin in der Textilfirma „Hecht und Gross“ Reutlingen
1897 Eintritt in die SPD; Schradin engagiert sich in der sozialdemokratischen Frauenbewegung
1907 Teilnahme am Internationalen Sozialistenkongress in Stuttgart; Mitbegründerin und Erste Vorsitzende der Reutlinger Ortsgruppe des „Verbandes junger Arbeiter und Arbeiterinnen“
1916 Gründung der „Kriegsflickwerkstätten“ mit finanzieller Unterstützung durch Friedrich Schradin
1919 Abgeordnete im Gemeinderat in Reutlingen (bis 1925); Schulkuratorium der Frauenarbeitsschule Reutlingen
1919/20 Verfassunggebende Landesversammlung von Württemberg; Schradin gehört der SPD-Fraktion an und arbeitet im Verfassungsausschuss, im Ausschuss zur Beratung des Wohnungsbürgerschaftsgesetzes, im Volkswirtschaftlichen Ausschuss, im Volksschulausschuss sowie im Ausschuss zur Beratung eines Landtagswahlgesetzes
1920 Reichstagskandidatin und Delegierte auf dem SPD-Parteitag in Kassel
1922 Witwe; nach Verlust ihres Vermögens arbeitet sie im Büro des Konsumvereins
1924 Landtagskandidatin; Mitte der 20er Jahre Austritt aus der SPD
1932 Landtagskandidatin der „Volksrechtpartei“, in der sie sich seit Beginn der 30er Jahre engagiert
1933 Umzug nach Tübingen
1936 als „Hetzerin“ zu einer kurzen Haftstrafe verurteilt
1937 stirbt an den Folgen eines Schlaganfalls
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev./freireligiös
Verheiratet: 1904 Ludwig/Louis Friedrich („Fritz“) Schradin
Eltern: Vater: Johannes Pfenning (1.10.1841-29.7.1905), Winzer
Mutter: Barbara Maria, geb. Künstle (6.6.1849-15.2.1920)
Geschwister: 4, darunter ein Bruder, der wenige Monate nach der Geburt starb
Kinder: Hedwig (geb. 1910)
GND-ID: GND/1012303950

Biografie: Christina Klausmann (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 1 (2006), 251-252

Laura Schradin stammte aus einer verarmten Winzerfamilie in Reutlingen, deren Weinberge nicht mehr genug Ertrag brachten, und musste nach dem Besuch der Volksschule durch Heimarbeit zum Familieneinkommen beitragen. Mit 18 Jahren ging sie als Arbeiterin in die Textilfirma „Hecht und Gross“. Die Eltern waren nicht damit einverstanden, dass ihre Tochter in die Fabrik ging. Obgleich selbst auf industrielle Zuarbeit bzw. Heimarbeit angewiesen, blieben sie ihrer bäuerlich-bürgerlichen Abneigung gegen die Arbeiterklasse verhaftet. Laura Schradin beharrte auf ihrer Unabhängigkeit und mietete ein eigenes Zimmer unweit der elterlichen Wohnung. 1897 trat sie in die SPD ein und engagierte sich in der sozialdemokratischen Frauenbewegung. Frauenarbeit, Bildungsfragen, Frauen(wahl)recht waren die Anliegen, für die sie sich einsetzte. Laura Schradin galt als begabte Rednerin und setzte ihr Talent für die Parteiagitation ein. Sie nahm am Internationalen Sozialistenkongress in Stuttgart 1907 teil und wurde durch Karl Liebknecht angeregt, in Reutlingen eine Ortsgruppe des „Verbandes junger Arbeiter und Arbeiterinnen“ zu gründen.
1904 heiratete sie Friedrich Schradin, einen leitenden Angestellten der Firma „Hecht und Gross“. Sie blieb auch als Ehefrau und Hausfrau politisch tätig. Friedrich Schradin achtete ihre Unabhängigkeit und politische Orientierung. Er selbst war ein linksliberaler „Naumannianer“. Mit seiner finanziellen Unterstützung gründete Laura Schradin während des Ersten Weltkrieges die „Kriegsflickwerkstätten“. In angemieteten Gasthaussälen und mit anfangs gemieteten Nähmaschinen konnten mehr als 2 000 Textilarbeiterinnen beschäftigt werden, um Uniformen und Wäsche der Soldaten auszubessern. Sie erhielten einen besseren Lohn als in den mit Kriegsaufträgen befassten Textilfabriken.
Nach dem Krieg wurde Laura Schradin in den Gemeinderat der Stadt Reutlingen gewählt. Außerdem vertrat sie die SPD in der Verfassunggebenden Landesversammlung von Württemberg. Sie engagierte sich in mehreren Ausschüssen. Ein Reichstagsmandat konnte sie 1920 aufgrund der zu geringen Stimmenzahl für die SPD nicht gewinnen. Sie blieb der Lokalpolitik erhalten. 1922 starb Friedrich Schradin. Durch die Inflation mittellos geworden, nahm Laura Schradin eine Stelle im Büro des Konsumvereins an.
Aus welchen Gründen Laura Schradin die SPD Mitte der 20er Jahre verließ, bleibt unklar. Aber dieser Schritt bedeutete keineswegs das Ende ihres politischen Engagements. Anfang der 30er Jahre wandte sich Laura Schradin der „Volkrechtpartei“ zu und kandidierte für den Landtag. 1933 zog sie aus privaten Gründen nach Tübingen. Aus ihrer Ablehnung des nationalsozialistischen Regimes machte sie kein Hehl. Sie wurde als „Hetzerin“ denunziert und zu einer dreimonatigen Gefängnisstrafe verurteilt. Anfang 1937 erlitt sie einen Schlaganfall, an dessen Folgen sie am 8. März (dem einstigen und heute wieder erinnerten Internationalen Frauentag) starb. Eine späte Ehrung wurde der engagierten Sozialdemokratin Ende des letzten Jahrhunderts zu teil: Die berufsbildende Schule in Reutlingen heißt seit dem 18. Oktober 1993 Laura-Schradin-Schule.
Quellen: Zeitzeugeninterview des Hauses der Geschichte B-W mit Hedwig Rieth (28. 3. 1990).

Literatur: Raberg, Biogr. Handbuch, 834 f.; http://www. Laura-schradin-schule.de.
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