Bliestle, Heinrich 

Geburtsdatum/-ort: 25.07.1896;  (Vöhrenbach-) Langenbach
Sterbedatum/-ort: 20.02.1987; Werthenstein/CH, dort beigesetzt
Beruf/Funktion:
  • Generaloberer der Missionare von der Heiligen Familie, MSF, Konzilsvater
Kurzbiografie:

19031914 Hirtenschule in Langenbach und Vöhrenbach bis 1910, dann Lehre als Möbelschreiner mit Abschluss

19161919 Dienst im I. Weltkrieg

19191922 Möbelschreiner in Vöhrenbach

19231927 Missionsschulen in Oberhundem im Sauerland bis 1926, dann in Lebenhan/Unterfranken

1927 IX 7 Noviziat in Mühlbach bei Bad Neustadt/Saale

1928 IX 81931 IX 8 zeitliche Profess, dann bis 1933 Missionsseminar in Ravengiersburg im Hunsrück und ewige Profess

1933 Diakonatsweihe am 1. April und Priesterweihe am 15. in Trier; Primiz in Vöhrenbach am 29. Juli

19331934 Pastoraljahr in Ravengiersburg

19341945 Lehrer und Präfekt am Christ-König-Kolleg in Nuolen/CH bis 1939, dann Rektor

19471953 Provinzial der Schweizer Provinz

19531959 Ökonom, Lehrer und geistlicher Begleiter der Schüler in Nuolen

19591971 Generaloberer in Rom

1961 Ehrenbürger der Gemeinde Langenbach

19621965 Konzilsvater

19711987 Bibliothekar und Hilfsseelsorger in Werthenstein

Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Eltern:

Vater: Andreas (1869–1948), Schreiner

Mutter: Anna Maria, geb. Dold (1872–1949)


Geschwister:

10; Joseph Wilhelm (1898–1992), Andreas (1900–1919), Anna Maria (1900–1934), Maria Cäcilia (1904–1981), Rosa Walburga (1907–1983), Hermann Josef (1908–1978), Franz Karl (1910–1992), Fridolin (1912, vermisst in Russland), Maria Elisabeth (1913–1990) und Alois (1919–1944)

GND-ID: GND/1012398668

Biografie: Johannes Werner (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 7 (2019), 51-53

Mit 14 Jahren, kurz vor der Schulentlassung, hatte Bliestle den Wunsch geäußert, Missionar zu werden. „Aber der Vater konnte das Studium nicht erlauben: du musst zuerst helfen, Geld zu verdienen. Nachher kannst du gehen“ (Scherer, 1987, S. 11). Immerhin waren sieben jüngere Geschwister da, und drei sollten noch folgen. Also brachte Bliestle eine Lehre als Möbelschreiner hinter sich und übte diesen Beruf bis 1922 auch aus, unterbrochen von einem dreijährigen Kriegsdienst, in dessen Verlauf er im Oktober 1917 bei Reims verwundet wurde und danach im Heimateinsatz war.

Seine Sehnsucht war jedoch noch immer nicht gestillt, und so machte ihn sein Heimatpfarrer auf die Kongregation der „Missionare von der Heiligen Familie“ aufmerksam, in der „vor allem ältere und auch unbemittelte Kandidaten im normalen Bildungsgang Priester werden konnten“ (Mols, 1957, S. 328). Bliestle bewarb sich und wurde in der ersten deutschen Niederlassung angenommen, die gerade unter schwierigsten Umständen entstand. Da es noch an allem fehlte, musste Bliestle auch die Ferien über bleiben und seinem erlernten Beruf nachgehend Tische und Bänke schreinern. Mehrmals dachte er daran, aufzugeben, hielt aber dann doch durch, wie sein Weg bis zur Spitze des Ordens zeigt.

Alsbald wurde der junge Priester nach Nuolen in der Schweiz versetzt, wo eine neue Missionsschule entstehen sollte. Hier wirkte er als Präfekt und Lehrer für Religion und Griechisch, was ihm angesichts seiner Vorbildung nicht leicht fiel. Auch andere Schwierigkeiten traten auf, vor allem mit den Rektoren, die ihrer Aufgabe nicht gewachsen waren. 1939 wurde Bliestle selber Rektor. Anfangs wurde aber gegen ihn intrigiert, die Studenten wurden geradezu aufgehetzt: „Euer Rektor ist ein Deutscher, das geht nicht, verrät unsere Stellungen an Hitler“ (Müller, 1957, S. 3). Das aber legte sich bald. Ein von Rom eingesetzter Visitator ernannte Bliestle 1942 für eine zweite Amtszeit zum Rektor und errichtete 1947 eine Schweizer Provinz mit Bliestle als Provinzial. Wenn auch gegen Widerstände gelang es ihm, das Vertrauen seiner Schweizer Mitbrüder zu erringen. Zwischen 1946 und 1959 war er auch als Notar bei der Vorbereitung von vier Seligsprechungen eingesetzt.

Bliestle nahm als Delegierter der Schweizer Provinz am 5. Generalkapitel seiner Kongregation teil, das vom 22. Juni bis zum 2. Juli 1959 in Rom stattfand, und wurde, zu seiner eigenen Überraschung, zum Generaloberen gewählt. „Ich habe in meinem ganzen Leben nichts gesucht, aber auch nichts abgewiesen, was an mich herankam. Ich nehme an“ (ebd. S. 6). Inzwischen zählten die „Missionare von der Heiligen Familie“ etwa 1200 Mitglieder in 15 Provinzen. Bliestle versuchte, sich vor Ort ein Bild von ihrer Tätigkeit zu machen. Seine Reisen führten ihn weit über Europa hinaus, nach Nord- und Südamerika, nach Ägypten, Äthiopien, Indonesien, Indien und Madagaskar.

Es war eine schwierige Zeit, in der Kongregation wie in der Kirche. Reformen waren überfällig und wurden unter großen Mühen nachgeholt. Die durch Papst Paul VI. 1962 eröffnete Möglichkeit, in den Laienstand zurückzutreten, nahmen etliche der Missionare wahr. Bliestle musste die Verhandlungen führen, tat dies aber ohne Groll und hat die Verbindung mit den ehemaligen Mitbrüdern nie abreißen lassen, sie immer wieder besucht.

Als Generaloberer nahm Bliestle an sämtlichen Sitzungen des II. Vatikanischen Konzils teil, blieb aber ein eher stiller Beobachter, der nie selbst das Wort ergriff. Seine Sympathie galt nicht den konservativen Kurienkardinälen, sondern jedem asiatischen oder afrikanischen Bischof, der „mit eindringlichen Worten bessere Anpassung“ an die von ihm vertretenen Völker verlangte und „konkrete Vorschläge macht[e], nicht ohne die Unnachgiebigkeit der römischen Instanzen als Ursache des geringen Erfolges der Kirche zu bezeichnen“ (Meine persönlichen Eindrücke, 1962, S. 3).

Seine letzten Lebensjahre verbrachte Bliestle als Bibliothekar in Werthenstein und wirkte als Aushilfspriester, wo immer er gebraucht wurde: zwischen 1974 und 1985 125mal in 34 Schweizer Pfarreien, die er trotz seines Alters per Bus und Bahn aufsuchte. Was er dabei mit Pfarrern, Mesnern, Haushälterinnen usw. erlebte, hat er in minutiösen Notizen festgehalten, in denen eine im Umbruch begriffene Kirche sichtbar wird.

Bliestle wirkte auch als Vorbild in der Heimat. 1929 trat sein jüngerer Bruder Franz in den Missionsorden ein und wurde 1938 nach Brasilien ausgesandt, wo er die verschiedensten Aufgaben und Ämter übernahm, 1949 als erster Provinzial der dortigen Nordprovinz. Nach der Primiz von Bliestle schloss sich als weiterer Vöhrenbacher Richard Tritschler (1916–1990) der Kongregation an, der von 1956 bis zu seinem Tod ebenfalls in Brasilien wirkte.

Bliestle blieb immer ein schlichter, bescheidener, bodenständiger Mensch, der seine Grenzen kannte und nie vergaß, woher er kam. Gerne suchte er seine bäuerlichen Bekannten in Vöhrenbach auf und durfte dank eines besonderen Privilegs in ihren Wohnstuben mit ihnen die heilige Messe feiern. Nach dem Bekenntnis seiner Mitbrüder hat er sie „nicht zu Stürmen der Begeisterung hingerissen, aber, handwerklich einfach, so wie er es verstand, den Stil von Nazareth nachlebend [geholfen, das] Leben als Missionare […] als Dienst zu verstehen“ (Scherer, 1987, S. 12). Weil es in der Heimat gefeiert wurde, erinnerte Bliestle sich seines goldenen Priesterjubiläums 1983 als schönstes Fest seines Lebens.

Quellen:

ProvinzA der Missionare von der Hl. Familie Nuolen (künftig: StA Luzern), „Meine persönlichen Eindrücke“ [vom II. Vatikanischen Konzil, 1962]; „Persönliche Notizen eines Aushilfspaters von Werthenstein“ [1974–1985]; „Das Leben von P. Heinrich Bliestle, MSF“ [nach Bliestles eigenen Aufzeichnungen ausgearb. von P. Xaver Müller, MSF, 2016]; Mitteilungen des Haupt- u. Standesamts Vöhrenbach vom Dezember 2017.

Nachweis: Bildnachweise: Foto (1960), ProvinzA Nuolen. - Kleiser, 1995, 139 und Krieg, 1988, 93.

Literatur:

Theo Mols, Missionare von der Hl. Familie in Deutschland, in: P. J. Hasenberg/Adam Wienand (Hgg.), Das Wirken der Orden und Klöster in Deutschland Bd.1, 1957, 327–330; Josef Scherer, Zum geistigen Vermächtnis unseres P. Heinrich Bliestle, in: Der Sendbote der Hl. Familie 3/4, 1987, 10–12; Karl Krieg, Weltoffen und heimatverbunden. Zum Tod der bedeutenden Vöhrenbacher Ordensmänner P. Heinrich Bliestle und P. Leo Hug, in: Almanach, Heimatbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises 12, 1988, 92–95; Bernhard Kleiser, Langenbach. Chronik eines Schwarzwalddorfes, 1995, 138–143, 419.

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