Kiefer, Friedrich Wilhelm 

Geburtsdatum/-ort: 03.01.1893;  Karlsruhe
Sterbedatum/-ort: 09.10.1955;  Ladenburg a. N.
Beruf/Funktion:
  • evangelischer Theologe, Deutscher Christ
Kurzbiografie: 1911-1914 Theologiestudium Tübingen, Halle und Heidelberg
1915-1918 Heeresdienst
1918 Vikar, Gernsbach
1919 Pfarrer, Schatthausen
1925 Mannheim, Städtisches Krankenhaus
1933 Mannheim, Trinitatiskirche obere Pfarrei, siehe Kölli
1945 Suspendierung
1947 Entlassung aus dem badischen Pfarrdienst
1948 Krankenhausseelsorger Stuttgart (1. April), Vertretung im Pfarramt Stuttgart-Berg
1950 ‚Versehung‘ des Vikariats Heidenheim (11. Januar)
1951 Pfarrer, IV. Pfarrstelle in Heidenheim (1. Juli)
Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Verheiratet: 1918 Martha, geb. Gräff, Buchhändlerstochter aus Karlsruhe
Eltern: Vater: Friedrich Kiefer, Metzgermeister in Karlsruhe
Geschwister: 2
Kinder: 1 Sohn, 2 Töchter
GND-ID: GND/1012413047

Biografie: Hermann Rückleben (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 1 (1994), 175-176

Als Student war Kiefer Mitglied der DCSV, später bei den „Jungpositiven“ und betätigte sich aktiv bei Bibel- und Evangelisationswochen. Bis Anfang 1937 existiert in den Akten kein kritischer Hinweis auf jenen Mann, der nach dem Zweiten Weltkrieg als einziger badischer Pfarrer definitiv amtsenthoben wurde, im Gegenteil: Ende November 1932 erteilte ihm Prälat Kühlewein, der spätere Landesbischof, ein Lob für seine „treue und hingebende Tätigkeit“ in der Mannheimer Krankenhausseelsorge. Noch im Visitationsbescheid vom 22. Februar 1936 sprach ihm Oberkirchenrat Bender, gewiß kein Freund der DC, „für alle treue Arbeit im Sprengel wie in der Leitung der Gesamtkirchengemeinde ... herzlichen Dank aus“.
Kiefer war am 1. Mai 1932 in die NSDAP eingetreten aus zwei Gründen, wie er retrospektiv betonte: einmal erhoffte er von der Partei „Brot und Arbeitsbeschaffung“, zum andern wollte er aber auch persönlich im „Existenzkampf des deutschen Volkes“ nicht abseits stehen. Fortan bestimmte der Dualismus Kirche/Volk sein Denken und Handeln: „... der Einzelne ist nichts, das Volk ist alles ...“, so die Einleitung seiner Antrittspredigt an der Mannheimer Trinitatiskirche am 22. Oktober 1933.
Als Pfarrer Sauerhöfer 1936 Bürgermeister von Durlach wurde, übernahm Kiefer aus seinen Händen die Leitung der DC/Gau Baden, die sich schon bald der Thüringer Richtung anschloß.
Zum Bruch mit dem Evangelischen Oberkirchenrat (EOK) kam es Anfang 1937, nachdem ihm die Mehrheit des Mannheimer Kirchengemeinderates, dessen Vorsitzender er seit Oktober 1933 war, wegen „seines gesamten Verhaltens“ das Vertrauen entzogen hatte. Die nachfolgende Untersuchung förderte „Unregelmäßigkeiten in der Finanzverwaltung“ der Gesamtkirchengemeinde zutage und führte am 9. März 1937 zu seiner Amtsenthebung als Kirchengemeinderatsvorsitzender durch den EOK. 1944, als die leidige Angelegenheit seitens der Finanzabteilung noch einmal aufgegriffen wurde, sprach Rechtsreferent Dr. Friedrich offen von einer „korrupten Art“, in der Kiefer sein Amt ausgenutzt hätte. Auf seine DC-Eigenschaft hätte man insofern Rücksicht genommen, daß man ihn nicht disziplinarisch auch als Pfarrer relegiert hätte, um nicht in den Verdacht zu geraten, „hier solle ein kirchenpolitisch nicht genehmer Mann beseitigt werden“. Weitere Urteile aus dem Schreiben des Rechtsreferenten: „Da uns die Bedeutungslosigkeit Kiefers aber schon damals klar war ...“, oder „Pfarrer Kiefer ist Irrlehrer“ und hat sein Amt „nur noch der äußeren Form nach inne“, um ein „gesichertes Einkommen zu haben.“
Diesem vernichtenden Urteil waren weitere schwere Auseinandersetzungen mit dem EOK besonders in den Jahren 1942-1944 vorausgegangen. Ende 1942 meldete Kiefer, daß er keine Christenlehre im herkömmlichen Sinne mehr in seiner Gemeinde abhalte, sondern statt dessen „Gottesfeier der Gesamtgemeinde“. Anfang folgenden Jahres berichtete sein Kollege an Trinitatis, Pfarrer Scharnberger, daß sich 51 Konfirmanden von Kiefer abgemeldet hätten, weil dieser sich „zunehmend radikal“ gebärdet. Mitte November behauptete er in einem Vortrag, daß „die religiöse Betätigung immer erst in zweiter Linie komme“, mit anderen Worten, der Gottesdienstbesuch z. B. hätte hinter sonntäglicher ehrenamtlicher NSV-Tätigkeit zurückzustehen.
Massiv verfocht Kiefer auch die NS-Version von Jesus, „dem größten Antisemiten aller Zeiten“ gegenüber den „Rassejuden“ Paulus und Matthäus, und scheute sich auch nicht, dem EOK u. a. vorzuwerfen, er falle „... in alte jüdische Dialektik zurück“ (10. Dezember 1943). Die moderate Antwort des Landesbischofs gipfelt in der Feststellung, daß Kiefer sein Ordinationsgelübde in allen drei Teilen gebrochen hätte und er seinen Dienst für Staat und Volk an jedem anderen Ort besser ausfüllen würde als ausgerechnet in der Kirche (8. Februar 1944).
Auch wenn die Geschichte der badischen DC noch nicht geschrieben ist, sei hier aus einem Brief des Landesbischofs vom Herbst 1945 an Kiefer zitiert, der – über dienstliche Verfehlungen hinaus – zwei gravierende Vorwürfe enthält: „Außerdem haben Sie mit die Einsetzung der Finanzabteilung veranlaßt, die ... die Kirche zu zerstören suchte ... Es besteht außerdem die ganz bestimmte Vermutung, daß Sie sich als Spitzel der Gestapo gegen die Kirchenleitung mißbrauchen ließen oder sich sogar ihr angeboten und jahrelang diese Rolle gespielt haben“.
Am 22. September 1945 wurde Kiefer formell suspendiert und anschließend von der Militärregierung 13 Monate in einem Internierungslager inhaftiert. 1947 wurde er aus dem Dienst der Landeskirche entlassen, seine Familie erhielt jedoch seit 1. April des Jahres „guttatsweise und jederzeit widerruflich“ eine Unterstützung von monatlich 380 RM.
Von der Spruchkammer Weinheim wurde Kiefer im September 1947 zunächst in Gruppe 3 der ‚Minderbelasteten‘ eingestuft und u. a. mit einer 3jährigen Bewährungsfrist belegt. Obwohl der ‚öffentliche Kläger‘ Berufung einlegte, wurde dieses Urteil am 6. Oktober 1948 auf eine halbjährige Bewährung gemildert und am 31. August 1949 von der Spruchkammer Nordbaden durch Einstufung als ‚Mitläufer‘ weiter nivelliert.
Mittlerweile hatte sich Kiefer um Aufnahme in den württembergischen Kirchendienst beworben. Ein von ihm dort vorgelegter Revers wurde nach Karlsruhe zur Begutachtung übersandt und für unzureichend erklärt. Erst nachdem Kiefer in einer ‚Zusätzlichen Erklärung‘ vom 23. März 1948 „wesentliche Versäumnisse“ in seiner Verkündigung und „Fehltritte“ in seinem kirchlichen Handeln eingeräumt hatte, beschloß man seine stufenweise „Wiederverwendung“. Seine letzte dienstliche Beurteilung: „Nach Mitteilung des Dekanatsamts Heidenheim hat sich Pfarrer Kiefer in Heidenheim bestens bewährt“ (Stuttgart, 20. Juli 1952).
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