Wild, Karl Hermann Christoph 

Geburtsdatum/-ort: 27.02.1884;  Neuenbürg
Sterbedatum/-ort: 15.12.1962;  Ulm
Beruf/Funktion:
  • evangelischer Pfarrer, Pädagoge, MdL-FDP/DVP
Kurzbiografie:

1902–1903 Abitur am Ulmer Gymnasium, dann Studium der Mathematik an der TH Stuttgart begonnen

1903–1908 Theologiestudium in Tübingen bis zur I. Dienstprüfung

1908–1910 Vikariat in Horb, Kuppingen, Ulm und Bad Wildbad

1910–1912 Repetent am Seminar Maulbronn

1912 II. Dienstprüfung; anschl. 10 Monate Repetent am theologischen Seminar in Tübingen

1913 Reise nach England mit prägenden Eindrücken für sein Demokratieverständnis

1913–1915 Pfarrer in Backnang

1915–1924 evangelischer Religionslehrer am Realgymnasium und an der Oberrealschule Hall

1919 erfolglose Kandidaturen für den Landeskirchentag im Stimmbezirk Hall und für die DDP für die Verfassungsgebende Landesversammlung

1919 Gründungsmitglied eines Volksbildungsvereins in Hall mit dem Ziel einer örtlichen Volkshochschule; dann bis 1924 Vorsitzender des Ausschusses zur Gründung der VHS

1924–1945 Lehrer am Ulmer Gymnasium

1945–1946 Auftrag der amerikanischen Besatzungsmacht zum Wiederaufbau des Schulwesens im Stadt- und Landkreis Ulm

1945–1951 Interims-Leiter des Ulmer Gymnasiums, endgültig ab 1946; Oberstudiendirektor

1945–1959 Beirat, schließlich Gemeinderat in Ulm

1946–1952 Mitglied der Verfassunggebenden Landesversammlung Württemberg-Baden, dann MdL (Württemberg-Baden)-DVP

Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Verheiratet:

1914 (Stuttgart) Johanna, geb. Veyl (1895–1980)


Eltern:

Vater: Karl Albert (1849–1904), Pfarrer und Bezirksschulrat

Mutter: Sophie, geb. Cranz (1861–1944), Hausfrau


Geschwister:

Marie Margaretha Johanna (1879–1888)


Kinder:

3; Ruth Margareta (1914–1916), Hans (geb. 1917) und Heinrich (geb. 1920)

GND-ID: GND/1012562212

Biografie: Michael Kitzing (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 7 (2019), 564-568

Wild entstammte einer traditionsreichen Ulmer Familie, aus der über Generationen Lehrer und Pfarrer hervorgingen. Bereits auf dem Gymnasium entwickelte er ein lebhaftes Interesse an religiösen und philosophischen Fragen, aber auch für Mathematik, der sein Studienanfang an der TH Stuttgart galt. Noch im gleichen Jahr, 1903, wechselte Wild dann in Tübingen zur Theologie, wobei er auch Kurse der Philosophischen Fakultät besuchte. Auf den Abschluss der I. Dienstprüfung 1908 folgte das Vikariat, das Wild u. a. in Ulm, Bad Wildbad und als Repetent am evangelisch-theologischen Seminar in Maulbronn verbrachte. Nach dem II. Examen war Wild zunächst Repetent am Tübinger Stift.

1913 unternahm er eine Studienreise nach England, die auf seine weitere politische Haltung stark einwirkte. Bis dahin hatte Wild eine eher rechtsliberale Position eingenommen, jetzt wirkten Erfahrungen mit dem politischen System des Vereinigten Königreichs nach. Mit Bewunderung stellte er fest, dass hier die weniger durch den Marxismus geprägte Arbeiterschaft sich eher in den Staat integrieren ließ, der sich bemühte, sie einzubinden. Auch die anglikanische Kirche beeindruckte ihn: „Die englische Frömmigkeit empfand er mehr werktätig, helfend, sozial und ohne Scheu vor öffentlichen Auftritten“ (H. Steinmeyer, 2001, S. 189). In Deutschland wurde bald Friedrich Naumann (1860–1919) sein politisches Vorbild, in dessen Sinn auch der Studienkollege und Mitrepetent am Maulbronner Seminar, Ulrich Zeller (1884–1985), der spätere Vorsitzende der DDP in Hall, das Denken Wilds beeinflusste.

Auf die Repetententätigkeit in Tübingen folgten Jahre als Pfarrer in Backnang. Damals nahm die Freundschaft mit Theodor Bäuerle (1882–1956), Seminaroberlehrer und später Gründer der Volkshochschulbewegung in Württemberg, ihren Ausgang. Mit diesem engagierte sich Wild im Evangelischen Arbeiterverein und nahm an zahlreichen Tagungen mit christlich-sozialer Thematik teil.

Angesichts der Freude, die Wild an der Arbeit mit jungen Menschen als Religionslehrer am Lehrerseminar in Backnang fand, reifte in ihm der Entschluss, in den Schuldienst zu wechseln. Ab 1915 unterrichtete er am Realgymnasium und an der Oberrealschule Hall ev. Religion, dazu fachfremd Deutsch und Geschichte. Dank seiner allgemein anerkannten hohen fachlichen Kompetenz genoss Wild als Lehrer das Vertrauen der Schüler und das Ansehen seiner Kollegen. Im Kollegium sah er sich jedoch in politischer Hinsicht auch immer wieder in Auseinandersetzungen verwickelt; denn die Mehrheit seiner Kollegen war deutschnational eingestellt. Die schwersten Differenzen aber hatte Wild mit Christian Mergenthaler, dem späteren NS-Kultminister, der damals Mathematik und Physik unterrichtete.

Außerhalb der Schule war Wild in der Evangelischen Landeskirche, in der Politik und schließlich im Volksbildungsverein tätig. 1919 kandidierte er zum ersten evangelischen Landeskirchentag in Württemberg, wobei er aber im agrarisch-konservativ geprägten Hohenlohe gegen einen Vertreter des Pietismus unterlag, was angesichts des kirchenpolitisch fortschrittlichen Programms, das er vertrat, fast zu erwarten war. Seiner Überzeugung nach sollte die ev. Kirche eine Volkskirche werden und die Laien stärker beteiligen, auch bei der Pfarrerwahl. Die Landessynode sollte die maßgeblichen Entscheidungen treffen, nicht das Konsistorium. Außerdem warf Wild der Kirche vor, in der Friedensfrage im I. Weltkrieg inaktiv geblieben zu sein. Künftig forderte er Naumann folgend ihre Hinwendung zu sozialen Themen und zur Arbeiterschaft.

Während des I. Weltkrieges hatte Wild politisch zu den Linksliberalen in Hall tendiert und sich 1917 öffentlich für die Annahme und Durchführung der Friedensresolution ausgesprochen. Als gemäßigter linker Bürgerlicher arbeitete er 1918/1919 im Haller Arbeiter- und Soldatenrat mit, immer engen Kontakt zu führenden Vertretern der DDP in Württemberg und im Reich suchend, zu Theodor Heuss, Conrad Haussmann und Johannes Hieber. 1919 kandidierte er, wieder ohne Erfolg, in Hall bei den Gemeinderatswahlen und den Wahlen zur Verfassunggebenden Landesversammlung und vertrat wiederum ein an Naumann orientiertes Programm. Heinrich Steinmeyer (1929–2012) stellte fest, dass die Forderungen Wilds viele Anliegen der sozialen Marktwirtschaft vorwegnahmen. Wild sprach sich gegen staatliche Planung aus, forderte freies Wirtschaften, aber auch rechtliche und soziale Sicherheit für die Arbeiterschaft. Gesellschaftliche Schranken sollten abgebaut werden, was durch den Ausbau der Volksbildung geschehen solle, indem die Arbeiterschaft durch Bildung an den Staat herangeführt wird. Er ließ damit in die pädagogischen Konzeptionen Bäuerles zur Erwachsenenbildung einbinden und initiierte in Hall die Gründung eines Volksbildungsvereins. In diesem Zusammenhang gründete er einen Ausschuss mit, der eine Volkshochschule in Hall anstrebte und hat über Hall hinaus eine Reihe von Konferenzen der Volksbildungsorganisation besucht, wobei er auch als Redner hervortrat. In Hall trat Wild seit dem WS 1920/21 mit zahlreichen Vorträgen zum Thema „Christentum und Sozialismus“ auf. Der dort wachsende Konservatismus mag dann den Ausschlag gegeben haben, dass Wild sein politisches Engagement reduzierte und seine Versetzung nach Ulm anstrebte.

Am Ulmer Gymnasium erteilte Wild seit 1924 Unterricht in den Fächern ev. Religion sowie Philosophie, außerdem fachfremd noch in Deutsch und Geschichte. Bis zum Ausgang der 1920er Jahre leitete er außerdem eine Arbeitsgemeinschaft,  in der er mit den Schülern über politische Fragen diskutierte, um sie zu mündigen Staatsbürgern zu erziehen.

Während der NS-Zeit war er dann im Kollegium zunehmend isoliert. Eine Erziehung der Jugend im NS-Geist kam für ihn grundsätzlich nicht in Frage. Wild hat aktiv den 1938 eingeführten Weltanschauungsunterricht bekämpft. Deshalb wurde sein Verhalten von Parteistellen auch kritisch verfolgt, als er im Sommer 1940 kommissarisch das Ulmer Gymnasium leitete. Mangelnde pädagogische Eignung konnte man ihm nicht vorwerfen, aber fehlende Aktivität im NS-Sinne mit seinen Schülern in der Ulmer Öffentlichkeit.

Neben der Lehrtätigkeit am Gymnasium unterrichtete Wild auch an der Hans-Schemm-Oberschule, dem Realgymnasium. In der Beurteilung durch den Leiter dieser Schule fand sich die Bemerkung, wenn Wild mit dem gleichen Einsatz wie im Religionsunterricht Weltanschauungskunde geben würde, wäre er ein guter Lehrer im NS-Sinne, woran ihn freilich sein Glaube hindere.

Weitere Auseinandersetzungen mit den NS-Machthabern folgten zunächst 1941, als ein besonders linientreuer Nationalsozilist an die Spitze des Ulmer Gymnasiums trat. Ein heftiger Disput mit dem neuen Direktor im Lehrerzimmer blieb am Ende jedoch ohne Konsequenzen. Bemerkenswert war schließlich, dass mit Hans Hirzel (1924–2006), Heinrich Guter (1925–2015) und Franz Müller (1924–2015) gleich drei Jugendliche aus dem Umfeld der Weißen Rose von Wild unterrichtet wurden. Wenige Wochen nach der Aufdeckung der Aktivitäten der Weißen Rose wurde das Ulmer Gymnasium visitiert, jedoch ohne dass es zu Maßregelungen Wilds oder anderer Lehrer wegen ihrer Haltung gegen das System kam.

Über die Planung des Widerstandes vom 20. Juli, dem sein Freund Bäuerle zuzurechnen war, war Wild wohl informiert, jedoch nicht aktiv beteiligt. Mehrfach wurde auch in populären historischen Darstellungen und Zeitungsberichten über den 20. Juli 1944 in Ulm über eine Verhaftung Wilds geschrieben, worüber sich in den Lebenserinnerungen Wilds aber nichts findet. Auch den Nachkommen Wilds wussten nichts von einer Verhaftung.

Außerhalb der Schule pflegte Wild eine Vielzahl von Kontakten, wozu das Engagement an der Ulmer Volkshochschule gehörte, eine umfangreiche Predigttätigkeit und, wenn auch begrenzter als in Hall, bis 1933 die Mitarbeit in der DDP. Ein Höhepunkt dieser Arbeit war seine Rede vom 11. August 1926 zum Verfassungstag im Ulmer Saalbau. Während der NS-Zeit wurden die Kontakte Wilds stärker ins Private zurückgedrängt. Immerhin hatte er Anschluss an einen Zirkel oppositionell gesinnter Lehrer wie auch Vertreter der Bekennenden Kirche und hielt Verbindung mit jüdischen Freunden, an deren Schicksal er lebhaften Anteil nahm.

Bereits in den ersten Tagen nach Ende des II. Weltkrieges legte Wild eine mit unbelasteten Lehrern verfasste Denkschrift zur Wiedereröffnung der Schulen vor. Darin gab er einen einleitenden Überblick über die Kriegszerstörungen von Ulmer Schulen, bevor er sich mit der NS-Unterrichtspolitik auseinandersetzte und aufzeigte,wie durch Weltanschauungskunde, „Rassenvergötzung verbunden mit einem wilden Antisemitismus, die biologische, in Wahrheit weithin materialistische Betrachtungsweise, die Gewaltanwendung und das Herrenmenschentum“ (Wild, 1945, S. 2) Teil des Unterrichts wurden. Jetzt gehe es darum, wieder ein Schulwesen zu schaffen, das sich an den Idealen Wahrheit, Recht, Völkerverständigung und Frieden orientiere. Darum sollten die Schulen schnell wieder öffnen und die Jugend von der Straße bringen. Für NS-Lehrer sei aber kein Platz mehr, Nachsicht sei nur mit jüngeren Lehrern zu übern, wenn sie in die Partei hätten eintreten müssen, um eine Stelle zu erhalten. Wegen des drohenden Lehrermangels trat Wild dafür ein, Studenten, unbelastete Pensionäre, aber auch befähigte ehemalige Gegner des NS-Regimes als Lehrer zu verwenden. Schulbücher aus der Weimarer Zeit sollten wiederverwendet werden. Wichtig erschien es ihm, zuerst die Hauptfächer wieder zu unterrichten, vor allem Schüler aber zum Nachdenken über die jüngste Zeit anzuhalten. Der Denkschrift war noch ein detaillierter Überblick über verfügbare Räumlichkeiten in Ulm angeschlossen.

Diese Schrift übergab Wild der amerikanischen Militärregierung Ulms, wodurch er mit Leutnant Robert Sage in Verbindung kam, der ihn dann mit dem Wiederaufbau des Schulwesens im Stadt- und Landkreis beauftragte. Wild übernahm diese Aufgabe zusammen mit Alfred Seydlitz (*geb. 1897), der für das Volksschulwesen zuständig war.

Um bei den Volksschulen das neue Schuljahr zum 1. Oktober 1945 eröffnen zu können, stellte Wild zunächst den Bestand an Schulraum fest und suchte weitere geeignete Räume. Wichtiger noch war es ihm, Lehrer zu finden. Hierzu beteiligte sich Wild an Konzept und Durchführung eines örtlichen Vorstellungsverfahrens, womit im Spätjahr 1945 die politische Vergangenheit der Lehrer geprüft wurde. Daneben bemühte Wild sich, Ruhestandsbeamte, verheiratete und verwitwete Lehrerinnen und Schulhelfer, zum Teil als Volksschulhelfer sogar Abiturienten, für den Unterricht zu gewinnen. Anhand der Lebensmittelkarten wurden alle Ulmer Volksschüler der Jahrgänge 1932 bis 1939 einbestellt und einem Schulbezirk zugeordnet.

Die Ulmer Oberschulen begannen ihren Lehrbetrieb zum 2. November 1945. Schüler forderte Wild im Amtsblatt Ende Oktober auf, sich zu melden, wobei er sich wieder vergleichbaren Schwierigkeiten wie bei den Volksschulen konfrontiert sah: Raum- und Lehrermangel. Auf einen Lehrer kamen 50 bis 60 Schüler.

Bei der Organisation des Schulbetriebes ist Wild 1945/46 auch durch viele Referate hervorgetreten, in denen er immer wieder forderte, die Schulen vom NS-Geist zu säubern und den Unterricht an den Werten von Christentum und Humanismus, Völkerverständigung und sozialem Ausgleich zu orientieren.

Im Herbst 1945 war Wild zunächst noch ohne Parteibindung Mitglied des Beirats genannten vorläufigen Gemeinderats in Ulm. Die Teilnahme am Drei-Königs-Treffen der Liberalen 1946 war für ihn dann entscheidend, sich der DVP anzuschließen, wobei er viele politische Freunde der Weimarer Zeit, Theodor Heuss auch Reinhold Maier wieder getroffen hatte und von ihnen beeindruckt war. Auch er verstand sich als geistiger Erbe der bürgerlichen Revolution von 1848.

Für die Liberalen hat Wild dann sechs Jahre lang dem Landtag und 13 Jahre dem Ulmer Stadtrat angehört. Die Arbeit dort geschah neben dem Dienst als Schulleiter. Im Februar 1946 konnte Wild im Ulmer Gemeinderat erreichen, dass die Schulen eine unter den Umständen der Nachkriegszeit sachgemäße Möblierung erhielten. Bei Baufragen suchte er nach den Interessen der Schulen zu verfahren. Im Mai 1951 wurde auf seinen Antrag hin ein Bebauungsplan für den Charlottenplatz verabschiedet, an dem das von ihm geleitete Gymnasium lag. Drei Jahre wurde an der neuen Schule gebaut. Wilds Verdienst als Landtagsabgeordneter war es, dass das Stuttgarter Parlament 1949 eine Mio. DM zum Neu- und Wiederaufbau der Ulmer Schulen bereitstellte. Außerdem bemühte sich Wild im Gemeinderat dafür, dass Altenheime eingerichtet wurden. Er warb auch für die Volkshochschule und war Mitglied im Ausschuss für den Ulmer Theaterneubau.

Während er dem ersten Ulmer Nachkriegsbürgermeister, Robert Scholl, kritisch gegenübergestanden hatte, hatte er ein gutes Verhältnis zu Theodor Pfizer. Wild war einer der Initiatoren von dessen Kandidatur 1948. Er arbeitete dann elf Jahre gut mit Pfizer zusammen, dem er geistiges wie rhetorisches Format, Ideenreichtum und Tatkraft zubilligte.

Im Landtag hat sich Wild in erster Linie mit kulturpolitischen Fragen beschäftigt. Auf seinen Antrag hin wurde der Artikel 1 der Verfassung von Württemberg-Baden formuliert, der den Menschen auf das „ewige Sittengesetz“ verpflichtete, eine Formulierung, die er gegen die CDU durchsetzte, die vom „christlichen Sittengesetz“ sprechen wollte. Wild ging es darum, dass die Verfassung für Christen wie Nichtchristen gleichermaßen Gültigkeit zeige, was SPD und DVP dann gegen die CDU durchsetzten. Ebenfalls auf Initiative Wilds enthielt die Verfassung die Bestimmung, dass der Landtag nicht nur durch den Ministerpräsidenten, sondern auch durch das Volk aufgelöst werden konnte. Mit seinem Wunsch nach einem Mitspracherecht der Kirchen bei der Besetzung von theologischen und religionspädagogischen Lehrstühlen an den Hochschulen konnte er sich aber nicht durchsetzen. Erfolgreicher war sein Eintreten für eine christliche Gemeinschaftsschule. Mit dieser Forderung konnte er sich sowohl gegen liberalere Vorstellungen seiner Partei wie gegen Stimmen der CDU zur Schaffung einer Bekenntnisschule behaupten. Mit Erfolg hat er verhindert, dass ein Elternrecht zur weltanschaulichen Gestaltung der Schule Teil der Verfassung wurde.

Während der ersten Legislaturperiode äußerte sich Wild zu Fragen der Schulpolitik. Er kämpfte besonders gegen amerikanische Bemühungen, die traditionelle Aufteilung in Volks- und Oberschule aufzuheben und lehnte auch eine 6-jährige Grundschule mit fakultativem Sprachunterricht ab.

Als Vorsitzender des kulturpolitischen Ausschusses ging es für Wild zuerst um sozialpolitische Anliegen. Schulgeld wollte er beibehalten; denn wohlhabende Eltern sollten einen Beitrag zur Finanzierung des Erziehungssystems leisten, Kinder aus sozial schwächeren Schichten aber davon befreien. Wild bemühte sich auch für schulentlassene Jugendliche ohne Arbeit und setzte sich für die Professionalisierung der Ausschussarbeit ein, wobei er Experten stärker einbeziehen wollte.

Am Beginn der 1950er Jahre zog sich Wild wegen Krankheit und Alter aus der Landespolitik zurück. Im Gemeinderat blieb er noch bis 1959. Dazu war er Kuratoriumsmitglied der Ulmer Volkshochschule, hielt 1946 eine Vortragsreihe über Geschichtsphilosophie und gewann wiederholt prominente Redner wie Bäuerle und Heuss. In Wild hatte die Ulmer Volkshochschule auch einen Fürsprecher im Ulmer Gemeinderat, der sich in den Anfangsjahren für ihre Subventionierung einsetzte, die Konzeptionen der Leiterin Inge Aicher-Scholl (1917–1998) verteidigte und wiederholt bei der Suche nach Räumlichkeiten half.

Oberbürgermeister Pfizer würdigte Wild am Grab als einen Mann, „der ein Stück unserer Stadt war; […] wobei Wild zu denen gehört habe, die geistig führen und so dem Antlitz der Stadt wesentliche Züge verleihen.“ (1962, S.1)

Quellen:

LKA Stuttgart, A 127 Nr. 2461, Personalakte Wild; StA Ludwigsburg E 203, I, 3979, Personalakte als Lehrer; StadtA Ulm G 2 H. Wild, personengeschichtl. Sammlung, Nachlass Hermann Wild; Nachlass Johanna Wild; Schwäbische Donau-Zeitung 1945–1962; Verhandlungen der Verfassunggebenden Landesversammlung für Württemberg-Baden, 1946; Verhandlungen des Landtages von Württemberg-Baden 1946–1952.

Werke: Grundfragen der Volksbildung Bd. 3: Kunst und Volk, 1920; Grundfragen der Volksbildung Bd. 4: Volksbildung und Weltanschauung, 1920; Grundfragen der Volksbildung Bd. 5: Volksbildung und Wissenschaft, 1920; Lebenserinnerungen, 2 Bde. o. J., in: StadtA Ulm Nachlass Hermann Wild, Nr. 2 und 3; Zur Frage der Wiedereröffnung der Ulmer Schulen, in: StadtA Ulm B 204/ 2 Nr. 1, auch unter: http://www.ulm.de/sixcms/media.php/29/4–2–3.pdf.
Nachweis: Bildnachweise: Foto (o. J.) S. 561, StadtA Ulm.

Literatur:

Prof. Wild scheidet vom Gymnasium, in: Ulmer Nachrichten vom 25.7.1951; Nun ist Prof. Wild an der Reihe, ebd. vom 27.2.1954; Prof. Hermann Wild 75 Jahre alt, in: Schwäbische Donau-Zeitung vom 27.2.1959; Prof. Wild nimmt seinen Abschied vom Gemeinderat, in: Ulmer Nachrichten vom 24.4.1959; Rundung eines vollen Lebenswerkes, in: Schwäbische Donau-Zeitung vom 17.12.1962; Ansprache von Oberbürgermeister Dr. Pfizer bei der Feuerbestattung von Prof. Hermann Wild am 19.12.1962 auf dem Ulmer Friedhof, ungedr. MS, in: StadtA Ulm G2 Hermann Wild; Karl Ernst Bungenstab, Umerziehung zur Demokratie? Reeducation Politik im Bildungswesen der US-Zone 1945 – 1949, 1970; Otto Uhlig, Die Geschichte der VHS Schwäbisch Hall, 1980; Hildegard Benesch, 700 Jahre Ulmer Gymnasium, 1994, bes. 144–147; Das Datum des 20. Juli hat auch in Ulm seine Geschichte, in: Südwestpresse vom 20.7.1994; Barbara Schüler (Hg.), Von der Weißen Rose zur Eule der Weisheit. Die Anfänge der Ulmer VHS, 1996; Herbert Wiegandt, Hermann Wild, ebd. 50–51; Karl-Heinz Füssl, Die Umerziehung der Deutschen, Jugend und Schule unter den Siegermächten des II. Weltkrieges 1945 –1955, 1995; Gisela Rothermund, Zwischen Gleichschaltung und Selbstbehauptung. Das Realgymnasium Ulm 1933–1945, 1997; Eberhard Mayer, Die evangelische Kirche in Ulm 1918–1945, 1998; Heinrich Steinmeyer, Hermann Wild (1884–1962), ein schwäbischer Theologe, Pädagoge und Politiker, in: Ulm und Oberschwaben 52, 2001, 180–256; Frank Raberg, Biografisches Lexikon für Ulm und Neu-Ulm: 1802 –2009, 2010; Marie-Kristin Hauke/Thomas Vogel, Erinnern und Gedenken in Ulm, 2014.

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