Schock, Johann Michael 

Geburtsdatum/-ort: 21·1903-12-13.11.2011;  Münster, Gemeinde Unterrot
Sterbedatum/-ort: 03.12.1927;  Münster, Gemeinde Unterrot
Beruf/Funktion:
  • Landwirt, Förderer der Landwirtschaft, linksliberaler Landtagsabgeordneter
Kurzbiografie: geboren am 25. (laut Familienregister 26.) 2.1849
1855-1859 Volksschule in Münster
1859-1863 Realschule in Gaildorf
1866-1867 halbjähriger Kurs an einer Stuttgarter Handelsschule
1867-1870 Ackerbauschule in Hohenheim
1871-1873 Militärdienst in Ludwigsburg, als Unteroffizier entlassen
1875 Übernahme des väterlichen Hofs, Ortsanwalt in Münster; anschließend zahlreiche Ehrenämter: Gemeinderat, Kirchengemeinderat, zunächst stellvertretender, seit 1895 erster Vorsitzender des landwirtschaftlichen Bezirksvereins
1895-1918 Mitglied der 2. Württembergischen Kammer, zeitweise auch der Gaildorfer Amtsversammlung bzw. des Bezirksrates
1912 Kandidatur bei den Reichstagswahlen im 11. württembergischen Wahlkreis
1919-1920 Mitglied der verfassunggebenden Landesversammlung
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: silberne landwirtschaftliche Verdienstmedaille (1898); Verdienstmedaille des Ordens der Württembergischen Krone (1905); Ritterkreuz 1. Klasse des Friedrichs-Ordens (1917)
Verheiratet: 1885 Margarethe Rosina, geb. Gütle (geb. 27.4.1862, gest. 5.5.1936)
Eltern: Vater: Johann Jakob Schock (1820-1875), Landwirt in Münster
Mutter: Eva Christiane, geb. Höfer (1825-1851)
Geschwister: 2
Kinder: 13 (nur 8 erreichten das Erwachsenenalter)
GND-ID: GND/1012577104

Biografie: Hans Peter Müller (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 1 (2006), 248-249

Seit etwa 1900 stellte der Bund der Landwirte (BdL), in Württemberg zumeist als Bauernbund bezeichnet, einen gewichtigen Faktor im politischen Leben des Königreichs dar, fanden doch die evangelischen Landwirte in aller Regel dort ihre politische Heimat. Der 1893 von ostelbischen Junkern gegründete und dominierte Bund trieb nicht nur eine schrille, auf Reichsebene natürlich großagrarische Interessenpolitik. Sein reaktionäres Weltbild war zudem von einem militanten Antisemitismus geprägt; diesen Antisemitismus machte er in Württemberg sozusagen salonfähig.
Dass Schock diesen scheinbar vorgezeichneten Weg nicht ging, macht ihn, der schon durch sein Bildungsniveau das Gros seiner Kollegen weit überragte, unter den landwirtschaftlichen Abgeordneten Württembergs zu einer Ausnahmeerscheinung. Eine solche war er dann auch in seiner Partei, der für das demokratische Erbe von 1848 stehenden linksliberalen Volkspartei, den Demokraten. Hier brachte er unter seinen zumeist städtischen Kollegen den für die Partei unverzichtbaren landwirtschaftlichen Sachverstand ein.
Sein vielfältiges Engagement für die Landwirtschaft, ablesbar vor allem an seinem Führungsamt beim einflussreichen Landwirtschaftlichen Bezirksverein – der Bezirk Gaildorf war ganz überwiegend landwirtschaftlich geprägt – war Basis seiner politischen Tätigkeit. Die mehrheitlich konservative evangelisch-ländliche Wählerschaft votierte für ihn als Mann der Landwirtschaft (und Angehörigen der Honoratiorenschicht) und nahm dabei seine – pragmatische – politische Haltung in Kauf.
Als Schock sich 1895 nach vielfältigen Aufforderungen gegen den bisherigen Amtsinhaber, einen nominell nationalliberalen Stuttgarter Regierungsbeamten, um das Gaildorfer Landtagsmandat bewarb, stießen er und seine Partei auf Vorbehalte. Die Lokalzeitung Kocherbote war (und blieb für geraume Zeit) auf der Seite seiner politischen Gegner; gleichzeitig diffamierten anonyme Kontrahenten die Volkspartei als Interessenvertreterin des Judentums und als Vorkämpferin der Sozialdemokratie. Sein Programm, auf kleinbürgerliche und mittelständische Wähler aus der Landwirtschaft, den Gewerben und der Kaufmannschaft zielend, artikulierte zugleich die volksparteilichen Forderungen nach Verfassungs- und Verwaltungsreform. Der Sieg gegen den Mann des Establishments kam überraschend; allerdings war seine Partei zur stärksten politischen Kraft geworden – eine (kurzlebige) Trendwende im Parteienspektrum Württembergs.
Während der Legislaturperiode vermochte sich Schock vielfältig zu profilieren: als landwirtschaftlicher Experte seiner Fraktion, aber auch als Anwalt seines Bezirks, für den er sich namentlich um den Bau von Lokalbahnen bemühte. Schließlich gehörte er auch zu den Initiatoren des Bezirksobstbauvereins. Mit diesen Meriten vermochte er sich bei den Landtagswahlen Ende 1900 gegen einen bündlerischen, von der Deutschen Partei unterstützten Gegenkandidaten, einen Schultheißen aus dem Bezirk, durchzusetzen. Auch 1906 konnte er sein Mandat gegen einen vom Bauernbund nominierten Berufskollegen überzeugend behaupten.
Seine Nominierung als Reichstagskandidat für den 11. württembergischen Wahlkreis (Oberämter Backnang, Hall, Öhringen und Weinsberg) 1912 – eine Kandidatur im eigenen, katholisch dominierten Wahlkreis wäre aussichtslos gewesen, – unterstreicht seine inzwischen gewonnene politische Statur. Zugleich verdeutlicht das Wahlbündnis seiner, nach der Fusion des deutschen Linksliberalismus als FVP firmierenden Partei mit der nationalliberalen Deutschen Partei, wie sehr der Bauernbund inzwischen zu einer Bedrohung des Liberalismus geworden war. In einer regelrechten Wahlschlacht mit dem bisherigen Amtsinhaber, seinem Berufs- und Landtagskollegen Vogt aus Gochsen, erreichte Schock zwar einen zweiten Wahlgang (Stichwahl), in dem er jedoch unterlag. Die zum Sieg erforderlichen SPD-Stimmen vermochte er – für Sozialdemokraten offenbar zu bürgerlich-pragmatisch – nicht für sich zu gewinnen.
Dennoch wurde er Ende 1912 erneut von seiner Partei für den Gaildorfer Landtagssitz nominiert. Wiederum von den Nationalliberalen unterstützt, konnte er sich gegen einen bezirksfremden Bauernbündler durchsetzen; seine Wähler hatten betont, „den Schock“ und nicht die Partei zu wählen.
Schock, der aus Gesundheitsgründen im Frühjahr 1918 sein Amt als Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Bezirksvereins niederlegte – Nachfolger wurde sein bündlerischer Gegenspieler Taxis, er selbst wurde Ehrenvorsitzender – stellte sich 1919 als 70jähriger für den demokratischen Neubeginn zur Verfügung. Der Kränkelnde wurde für die neuformierte DDP – die Partei von Heuss – in die Verfassunggebende Landesversammlung gewählt. Dort konnte er das ihm zufallende Amt des Alterspräsidenten krankheitsbedingt nicht ausüben.
Erst 1920, als er auf eine erneute Kandidatur verzichtete, kam der Bauernbund mit Taxis zum Zuge. Es war das politische Verdienst des pragmatischen Linksliberalen Schock, dass die andernorts längst vollzogene und für die Zukunft verheerende politische Trendwende im Gaildorfer Bezirk erst nach seinem Rückzug aus der Politik zum Tragen kam. Seine Wähler blickten anlässlich seines Todes 1927 nicht in die Zukunft, sondern zurück. Dankbar reimten sie: „Was Schock für uns getan, das zeigen unsere Fluren an“.
Nachweis: Bildnachweise: vgl. Lit.

Literatur: Hans König, J. Schock, in: Menschen aus dem Limpurger Land, Bd. 2, 2004, 140-142; Hans Peter Müller, Ein linksliberaler Parlamentarier aus dem Bauernstand. J. Schock aus Gaildorf-Münster 1849-1927, in: Mitt. Nr. 20 des Hohenloher Freilandmuseums, Bd. B. 1999, 33-43; ders., Parlamentarier, in: ders. (Hg.), Aus 200 Jahren Kreisgeschichte, 2003, 78 f.; Raberg, Biogr. Handbuch, 820 f. (jeweils mit Quellenangaben und z. T. mit Bild).
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