Werner, Anna Maria 

Geburtsdatum/-ort: 09.02.1889;  (Karlsruhe-)Daxlanden
Sterbedatum/-ort: 20.03.1985;  Karlsruhe
Beruf/Funktion:
  • Kochlehrerin, Kochbuchautorin und Verlegerin
Kurzbiografie: 1895–1903 Volksschule Daxlanden
1903–1907 Arbeiterin in der Lumpensortieranstalt Vogel&Schnurmann u. in der „Patronenfabrik“, beide Karlsruhe
1907 Besuch einer Nähschule in Karlsruhe-Mühlburg
1908–1911 Küchenhilfe im Gasthaus „Zur Krone“, Ettlingen
1912 Haushaltshilfe in Pforzheim
1915–1922 Freiberufliche Näherin
1923 Gründung der Privatkochschule Anna Werner
1930 Erstes „Koch- u. Backbuch“ erschienen
ab 1948 Platten- u. Tortengarnierkurse
1955–1956 Ausstellungen „Garnierte Platten u. Torten“ in der Stadthalle Ettlingen u. Schwarzwaldhalle Karlsruhe
1958 Gründung des Verlages Anna Werner
1964 Das „Werner-Kochbuch“ erscheint
1972 Ende der beruflichen Tätigkeit
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: 1912 (Pforzheim) Josef Werner (1887–1915), Postschaffner
Eltern: Vater: Leo Kühn (1860–1935), Maurermeister
Mutter: Florentine, geb. Kutterer (1862–1948)
Geschwister: 2 Brüder
Kinder: 2;
Karl (1913–1941),
Josef (geboren 1914), Journalist u. Schriftsteller
GND-ID: GND/1012757943

Biografie: Anke Reuter (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 5 (2013), 469-471

Werner besuchte keine Berufs- oder Kochschule und wurde dennoch eine vielgeschätzte Kochlehrerin und Kochbuchautorin. Ihr Leben und Wirken steht aber auch beispielhaft für die Tapferkeit und Durchsetzungskraft zahlloser junger Frauen, die die beiden Weltkriege zu Witwen gemacht hatten.
Als Kind eines Maurermeisters wuchs Werner im damals noch nicht zu Karlsruhe gehörenden Fischerdorf Daxlanden auf. Eine glückliche Jugend sei es dort gewesen, erzählte sie zeitlebens gerne. Ohne einen Beruf erlernt zu haben, wurde sie kaum 14-jährig zum „Mitverdienen“ in eine Lumpen-, später in die Karlsruher „Patronenfabrik“ geschickt. Erst der Besuch einer Nähschule machte ihr Freude. Hier lernte sie, was ihr später jahrelang zum Lebensunterhalt wurde; denn beim „Ausnähen“, dem Nähen und Schneidern in gut situierten Familien, verdiente die schon 26-jährig zur Kriegerwitwe gewordene junge Frau für sich und die beiden Söhne etwas zu der schmalen Rente hinzu. Ihre Ehe hatte nur dreieinhalb Jahre gedauert; im September 1915 war der Ehemann in Frankreich gefallen.
Der Grundstock für ihr zweites „handwerkliches“ Talent, das Kochen, wurde bei der Arbeit in der „Kronen“-Küche in Ettlingen gelegt. Allabendlich schrieb sie auf, was an diesem Tag in der Küche zubereitet wurde. Wenn man so will, waren das die ersten Anfänge ihrer späteren Kochbücher.
Später, beim „Ausnähen“, ergab es sich dann bisweilen, dass Werner zum Kochen gebeten wurde; denn bald nach dem I. Weltkrieg hatte sich ihr Talent dazu in Ettlingen herumgesprochen. Werner musste immer häufiger bei Familienfesten meist anspruchsvollere Menüs planen und zubereiten. Daraus erwuchs schließlich die Idee, jungen Mädchen das Kochen beizubringen.
Die ersten Kurse der Kochschule Werner fanden in ihrer Küche in der Ettlinger Quergasse statt. Jeweils vier Wochen unterrichtete sie ihre Teilnehmerinnen im Kochen und Backen. Schließlich kamen immer mehr Schülerinnen, auch aus den umliegenden Dörfern und aus Karlsruhe, so dass Werner manchmal drei Kurse täglich abhielt. Anregung, Ansporn und Lohn: Was die Schülerinnen jeweils als Vorspeise, Hauptgericht und Nachtisch zubereitet hatten, durften sie nach Hause bringen. Wie aber konnte das Erlernte besser gesichert werden? Das Aufschreiben neben dem Kochen war zu zeitraubend, erschwerte den Fortgang. Darum ließ Werner 1930 ein erstes, nur 39 Seiten umfassendes „Koch- und Backbuch“ drucken. Das war der Auftakt einer ganzen Folge weiterer Bücher dieser Art.
Einen schweren Schicksalsschlag erlitt Werner auch im II. Weltkrieg. Ihr ältester Sohn Karl fiel in Russland. Zudem eröffnete die NS-Frauenschaft Werner als „Leiterin einer Privatkochschule“, sie dürfe diese Tätigkeit nicht weiterführen, weil sie nicht akademisch gebildet sei. Die Kochkurse wurden eingestellt.
Bald nach dem Krieg nahm Werner ihre Kurse aber wieder auf und reagierte bemerkenswert schnell auf die Not der Zeit mit dem Buch „Die neue Küche“, das den Mangel der späten 1940er-Jahre zugrunde legte. Novum und Unikat in der Kochbuchliteratur: Hunderte sogenannter „Sparrezepte“ reicherten das Buch an.
Als es Ende der 1950er-Jahre möglich geworden war, ein neues Kochbuch, „Kochen, Backen, Garnieren“, mit zahlreichen Farbfotos auszustatten, musste Werner der Druckkosten wegen ein stattliches Darlehen aufnehmen; sie verpfändete ihr Haus und gründete für den Vertrieb ihren eigenen Verlag. Es erscheint geradezu als logische Fortsetzung, wenn spätere Auflagen nun auch mit Diätrezepten angereichert waren. Daraus erwuchs schließlich ihr „Hauptwerk“, „Das Werner -Kochbuch“. Es wurde, zumindest im südwestdeutschen Raum so etwas wie ein Bestseller, dank der volksnahen Sprache, seines haushälterischen Charakters und der reichen Bebilderung.
Immer eine aparte Aufmachung im Blick veranstaltete Werner nun neben ihren Kochkursen sogenannte „Platten- und Tortengarnierkurse“. Mit Nachmittags- und Abendveranstaltungen zog sie landauf, landab, von Mannheim bis Konstanz, von Landau bis Stuttgart. Große Ausstellungen zu diesem Thema veranstaltete sie erst in der Festhalle Ettlingen, dann sogar in der Karlsruher Schwarzwaldhalle. Als sie bei solcher Gelegenheit von der ehemaligen Ettlinger NS-Frauenschaftsführerin geradezu mit Lob überschüttet wurde, dankte sie kurz und fügte vielsagend hinzu: „Aber alles ohne akademische Bildung!“
Das war ihr Wesen: schlagfertig, witzig, immer humorvoll. Sie schrieb auch Sketche und ein kleines, leider nicht mehr erhaltenes Theaterstück: „Die fröhliche Kochschule“, das von ihren Schülerinnen bei einer Jubiläumsfeier in der Ettlinger Festhalle aufgeführt wurde. Ihren Schülerinnen gegenüber war sie eine frohgemute, ermutigende und immer verständnisvolle Lehrmeisterin, „Kochmutter“ eben, wie sie gerne genannt wurde.
Nach fast einem halben Jahrhundert erlosch die Ettlinger Privatkochschule. Werner zog als eine der ersten Bewohnerinnen ins Ettlinger Albert-Stehlin-Seniorenheim und erlebte dort, zufrieden auf ein erfülltes Leben zurückblickend, noch sechs gute Jahre, bis sie im Alter von 96 Jahren verstarb.
Quellen: ZeitungsA d. BNN; Privatsammlung des Sohnes Josef Werner, Ettlingen.
Werke: Auswahl: Kochen u. Backen, Ein Wegweiser, 1930; Perfekte Hausfrau, Backen u. Garnieren, 1935; Die neue Küche mit Sparrezepten, 1948; Kochen, Backen, Garnieren, 1958; Das Werner-Kochbuch, 1964.
Nachweis: Bildnachweise: BNN ab 9.2.1958, zuletzt in: Josef Werner, Kochmutter Anna Werner, 2005 (vgl. Literatur).

Literatur: Auswahl: Poldi (Hans Leopold Zollner), Eine Koch- u. Lebenskünstlerin feierte Jubiläum, in: BNN vom 7.9.1954; Ludwig Arnet, „Selfmademan“ d. Koch- u. Garnierkunst, in: BNN vom 9.2.1958 (mit Bildnachweis); Liselotte Nückel, Man nehme Lebensmut u. Liebe, in: BNN vom 8.2.1964 (mit Bildnachweis); Franz Janisch, 40 Jahre Kochschule Anna Werner, in: Durlacher Tagblatt vom 8.2.1964; Walter Röhrig, Aus Hilfsbereitschaft wurde ein Lebenswerk, in: Bad. Volksztg. vom 8.2.1964; Sigfried Joneleit, Das Geheimnis einer außergewöhnlichen Frau, in: BNN vom 8.2.1969 (mit Bildnachweis); Jede Arbeit mit Freude u. Liebe getan, in: Offenburger Tageblatt vom 17.4.1970 (mit Bildnachweis); Hans Leopold Zollner, Eine Meisterin d. Kochkunst u. des Lebens, in: BNN vom 9.2.1989; Josef Werner (Sohn), Anna Werner, Blick in die Geschichte, in: Karlsruher historische Beiträge, Beilage von „Der Kurier“ vom 17.12.2004 (mit Bildnachweis); Ders., Kochmutter Anna Werner, 2005 (303 S., mit Bildnachweis).
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